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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 46/01, Beschluss v. 29.03.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 46/01 - Beschluß v. 29. März 2001 (LG Hannover)

Versuch; Versuchte Erfolgsqualifizierung; Schwerer Raub; Raub mit Todesfolge; Gewalt nach Vollendung der Wegnahme; Erfolgsqualifizierter Versuch

§ 251 StGB; § 22 StGB; § 23 StGB

Leitsätze

1. Auch bei § 251 StGB ist der Versuch in Form der "versuchten Erfolgsqualifizierung" möglich (im Anschluß an BGHSt 21, 194). (BGHR)

2. Für die Anwendbarkeit des § 251 StGB ist es ohne Bedeutung, daß die mit bedingtem Tötungsvorsatz ausgeführten Schläge teilweise und die Tritte vollständig erst nach der Vollendung der Wegnahmehandlung erfolgt sind, denn der Tatbestand des Raubes mit Todesfolge kann auch verwirklicht sein, wenn der Räuber Gewalt gegen eine Person nach Vollendung des noch nicht beendeten Raubes anwendet (BGHSt 38, 295). Wesentlich ist, daß sich hierin die einem Raub eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht hat, was die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Raub und Todesfolge im Sinne des § 251 StGB rechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 251 Todesfolge 3, 4 m.w.Nachw.). (Bearbeiter)

3. § 251 StGB ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt, dessen Versuch nicht nur in der Form begangen werden kann, daß der Täter durch eine in finaler Verknüpfung mit der Wegname stehende räuberische Nötigungshandlung den Tod des Opfers verursacht, es aber nicht zur Vollendung der Wegnahme kommt - sog. erfolgsqualifizierter Versuch -, sondern auch dadurch, daß der Einsatz der i.S.d. § 249 StGB tatbestandsmäßigen Gewalt zugleich (bedingt) vorsätzlich vorgenommene Tötungshandlung ist, die aber den qualifizierenden Erfolg nicht bewirkt - sog. versuchte Erfolgsqualifizierung. (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 29. September 2000 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub mit Todesfolge, mit gefährlicher Körperverletzung und mit schwerem Raub zu einer Jugendstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision, die Verfahrensrügen und sachliche Beanstandungen erhebt, bleibt ohne Erfolg, da die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Ergänzender Erörterung bedarf nur der Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes mit Todesfolge:

Nach den Feststellungen haben der Angeklagte und ein Mittäter einen stark angetrunkenen Mann nachts zu einem Geldautomaten zu schleppen versucht, um dort unter Verwendung von dessen Scheckkarte an Geld zu gelangen. Als sich das Opfer widersetzte, schlug der Angeklagte zuerst mit einem dicken Ast zweimal wuchtig auf dessen Kopf ein. Das Opfer erlitt als Abwehrverletzungen Brüche des rechten Mittelhandknochens und des rechten Ellenschaftes sowie Kopfverletzungen und fiel zu Boden, worauf ihm der Mittäter die Geldbörse aus der Jacke zog. Sodann schlug der Angeklagte mit dem Ast ein drittes Mal auf den Kopf des Opfers ein und trat mehrfach mit dem Fuß von oben auf und ebenfalls mehrfach von der Seite gegen dessen Kopf. Bei den Schlägen und Tritten nahm er den Tod des Opfers billigend in Kauf. Auf Aufforderung des Mittäters hörte der Angeklagte mit den Mißhandlungen auf. Sie ließen das Opfer schwerverletzt zurück in dem Bewußtsein, daß es sterben könne. Sie erzählten alsbald Freunden von der Tat. Als die vorschlugen, telefonisch einen Krankenwagen herbeizurufen, widersetzte sich der Angeklagte aus Furcht vor Entdeckung erfolgreich diesem Vorschlag. Das Opfer überlebte trotz schwerster Verletzungen mit einer dauerhaften Hirnschädigung, die zukünftig epileptische Anfälle befürchten läßt.

Zutreffend hat das Landgericht den Angeklagten auch wegen versuchten schweren Raubes mit Todesfolge verurteilt.

Für die Anwendbarkeit des § 251 StGB ist es ohne Bedeutung, daß die mit bedingtem Tötungsvorsatz (vgl. BGHSt 39, 100) ausgeführten Schläge teilweise und die Tritte vollständig erst nach der Vollendung der Wegnahmehandlung erfolgt sind, denn der Tatbestand des Raubes mit Todesfolge kann auch verwirklicht sein, wenn der Räuber Gewalt gegen eine Person nach Vollendung des noch nicht beendeten Raubes anwendet (BGHSt 38, 295). Wesentlich ist, daß sich hierin die einem Raub eigentümliche besondere Gefährlichkeit verwirklicht hat, was die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Raub und Todesfolge im Sinne des § 251 StGB rechtfertigt (vgl. BGHR StGB § 251 Todesfolge 3, 4 m.w.Nachw.). So liegt es hier: Der Angeklagte hat die der Ermöglichung der Wegnahme dienenden Mißhandlungen nur kurz unterbrochen; unmittelbar nach der Wegnahme hat er sie fortgesetzt, noch ehe der (schwere) Raub beendet war.

§ 251 StGB ist ein erfolgsqualifiziertes Delikt, dessen Versuch nicht nur in der Form begangen werden kann, daß der Täter durch eine in finaler Verknüpfung mit der Wegname stehende räuberische Nötigungshandlung den Tod des Opfers verursacht, es aber nicht zur Vollendung der Wegnahme kommt - sog. erfolgsqualifizierter Versuch -, sondern auch dadurch, daß der Einsatz der i.S.d. § 249 StGB tatbestandsmäßigen Gewalt zugleich (bedingt) vorsätzlich vorgenommene Tötungshandlung ist, die aber den qualifizierenden Erfolg nicht bewirkt - sog. versuchte Erfolgsqualifizierung (Herdegen in LK 11. Aufl. § 251 Rdn. 15; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 251 Rdn. 4). Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, daß der Versuch der schweren Körperverletzung in Betracht kommt, wenn der Täter die Körperverletzung vorsätzlich begeht und dabei bezüglich der schweren Folge mit bedingtem Vorsatz handelt und diese schwere Folge dann aber nicht eintritt; der Versuch der schweren Körperverletzung steht sodann mit der vollendeten Körperverletzung in Tateinheit (BGHSt 21, 194). Diese Grundsätze gelten auch für den Fall des versuchten (schweren) Raubes mit Todesfolge. Auch hier ist der Versuch in Form der versuchten Erfolgsqualifizierung möglich.

Externe Fundstellen: NJW 2001, 2187; NStZ 2001, 371

Bearbeiter: Karsten Gaede