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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 427/01, Beschluss v. 19.12.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 427/01 - Beschluss vom 19. Dezember 2001 (LG Hildesheim)

Unzulässige Vereidigung und Beruhen; Unterbliebene Zeugenbelehrung nach § 57 StPO (Ordnungsvorschrift; Unbegründetheit der Revision); Beweiswürdigung; Urteilsgründe

§ 57 StPO; § 60 Nr. 2 StPO; § 337 StPO; § 261 StPO; § 267 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für die Frage, ob das Urteil auf einer fehlerhaften Vereidigung beruhen kann, ist entscheidend, ob ein unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften durchgeführtes Verfahren zu demselben Ergebnis geführt haben würde (RGSt 61, 353 f.). Zwar wird sich im Regelfall nicht ausschließen lassen, daß der Tatrichter einem vereidigten Zeugen der Vereidigung wegen eine größere Glaubwürdigkeit beigemessen hat (BGHSt 4, 130, 131), doch können die Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen (BGHR StPO § 60 Nr. 2 Vereidigung 5).

2. Auf eine Verletzung des § 57 StPO kann eine Revision nicht gestützt werden.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 30. April 2001 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge unter Einbeziehung eines anderen Urteils zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zu der Stellungnahme des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

1. Mit der Vereidigung des Zeugen A. hat das Landgericht gegen § 60 Nr. 2 StPO verstoßen. Indes kann der Senat unter den hier gegebenen besonderen Umständen ausnahmsweise ausschließen, daß das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht.

Für die Frage, ob das Urteil auf einer fehlerhaften Vereidigung beruhen kann, ist entscheidend, ob ein unter Einhaltung der Verfahrensvorschriften durchgeführtes Verfahren zu demselben Ergebnis geführt haben würde (RGSt 61, 353 f.; BGH, Urt. vom 29. April 1980 - 1 StR 818/79). Zwar wird sich im Regelfall nicht ausschließen lassen, daß der Tatrichter einem vereidigten Zeugen der Vereidigung wegen eine größere Glaubwürdigkeit beigemessen hat (BGHSt 4, 130, 131), doch können die Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen (BGHR StPO § 60 Nr. 2 Vereidigung 5). So liegt es hier. Das Landgericht hat nicht auf die Vereidigung des Zeugen abgestellt. Auf Seite 108 der Urteilsgründe ist sie lediglich mitgeteilt, so wie das Urteil auch an vielen anderen Stellen Mitteilungen über Verfahrensgeschehnisse enthält. Das Landgericht ist in einer ausführlichen Würdigung der Aussage zu dem Ergebnis gekommen, daß der Zeuge den Angeklagten entlasten wollte und dabei zumindest teilweise tendenziös ausgesagt hat. Es folgt dem Zeugen in seiner den Angeklagten belastenden Kernaussage gerade deshalb, weil die Aussage insgesamt von einer Entlastungstendenz getragen ist. Unter diesen besonderen Umständen kann der Senat ausschließen, daß das Aussageverhalten das Zeugen oder die Überzeugung des Landgerichts von der Glaubhaftigkeit einer Angaben in den der Verurteilung zugrundegelegten Kernpunkten von dem geleisteten Eid beeinflußt gewesen sein könnte und daß es ohne diese Vereidigung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.

2. Die Rüge, die Zeugen M. und S. seien nicht ordnungsgemäß belehrt worden, scheitert schon daran, daß auf eine etwaige Verletzung des § 57 StPO die Revision nicht gestützt werden könnte (Kleinknecht/MeyerGoßner, StPO 45. Aufl. § 57 Rdn. 6 m.w.N.).

3. Das angefochtene Urteil gibt Anlaß zu folgendem Hinweis:

Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, § 267 Abs. 1., Satz 1 StPO. Darüber hinaus soll in den Feststellungen das enthalten sein, was zum Verständnis und zur Beurteilung der Tat notwendig ist. Die Indiztatsachen müssen nicht zusammen mit den Feststellungen zur Tat geschildert werden. Sie können auch im Rahmen der Beweiswürdigung festgestellt und belegt werden. Die Darstellungsweise richtet sich dabei nach den Erfordernissen im Einzelfall. Beruht die Überzeugung des Landgerichts aber - wie hier - auf einer Vielzahl von Indizien, so ist es im Interesse der Verständlichkeit des Urteils dringend angezeigt, diese Indizien im Rahmen der Beweiswürdigung abzuhandeln. Dies vermeidet eine umfangreiche, das eigentliche Tatgeschehen in den Hintergrund drängende Darstellung von zuerst mehr oder minder belanglos erscheinenden Umständen und stellt zudem sicher, daß nur solche Tatsachen Erwähnung im Urteil finden, die in der Beweiswürdigung eine Rolle spielen.

Bearbeiter: Karsten Gaede