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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 253/01, Beschluss v. 09.08.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 253/01 - Beschluß v. 9. August 2001 (LG Hildesheim)

Freiheitsberaubung; Unterbliebene Gewährung des letzten Wortes des Angeklagten nach Wiedereintritt in die Beweisaufnahme (Verkündung eines Haftbefehls); Beruhen

§ 239 StGB; § 258 Abs. 2 Halbs. 2 und Abs. 3 StPO; § 337 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Februar 2001 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Beschwerdeführer betrifft.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Freiheitsberaubung in der durch § 239 Abs. 3 StGB qualifizierten Form in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 17 Fällen und mit Körperverletzung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten sowie wegen Diebstahls unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 258 Abs. 2 Halbs. 2 und Abs. 3 StPO Erfolg.

Nach Schluß der Beweisaufnahme hielten der Vertreter der Staatsanwaltschaft und die Verteidigung ihre Schlußvorträge. Der Angeklagte hatte das letzte Wort. Nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung wurde vom Landgericht der zuvor von der Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl gegen den Angeklagten erlassen und verkündet und der Angeklagte über das Recht der Beschwerde belehrt. Sodann wurde die Hauptverhandlung unterbrochen. Vier Tage später wurde das Urteil verkündet, ohne daß dem Angeklagten erneut das letzte Wort erteilt wurde.

Dem Rechtsmittel kann der Erfolg nicht versagt werden. Das Landgericht hatte mit seiner Haftentscheidung zu erkennen gegeben, daß es in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft nach Bewertung des Beweisergebnisses den Angeklagten der ihm vorgeworfenen Taten nicht nur für hinreichend, sondern auch für dringend verdächtig hielt. Damit war es wieder in die Beweisaufnahme eingetreten. Das nahm der vorausgegangenen Schlußerklärung des Angeklagten die Bedeutung des letzten Wortes und machte dessen nochmalige Gewährung erforderlich (BGHR StPO § 258 III Wiedereintritt 8; BGH, Beschl. vom 11. April 2001 - 3 StR 534/00 jeweils m.w.Nachw.; Kleinknecht/MeyerGoßner, StPO 45. Aufl. § 258 Rdn. 29). Bei der gewählten Verfahrensweise war die Verkündung des Haftbefehls auch nicht Teil der abschließenden Entscheidung des Gerichts (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 27. März 2001 - 4 StR 414/00).

Der Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung des Urteils. Die Nichterteilung des letzten Wortes begründet zwar nicht stets und ausnahmslos die Revision, sondern nur dann, wenn und soweit das Urteil auf dem Fehler beruht. Der Senat kann nicht ausschließen, daß der Angeklagte, der zu den Tatvorwürfen geschwiegen hatte, sich im Falle der Gewährung des letzten Wortes anders verhalten und sich eingelassen hätte.

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2001, 372; StV 2002, 234

Bearbeiter: Karsten Gaede