Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 222/01, Beschluss v. 11.07.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 28. Februar 2001 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Es hat weiter bestimmt, daß vier Jahre der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig. Die Sachrüge ist zum Schuldspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Strafausspruch, die Anordnung der Unterbringung sowie die Bestimmung, die Strafe teilweise vor der Maßregel zu vollziehen, unterliegen jedoch der Aufhebung.
1. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles abgelehnt. Bei der erforderlichen Gesamtabwägung hat es allerdings einen wesentlichen Strafzumessungsgrund nicht ausdrücklich erörtert. Zugunsten des Angeklagten hat es zwar nicht ausgeschlossen, daß der Angeklagte die in der Alkoholikerszene spielende Milieutat spontan und im Rahmen einer affektiv aufgeladenen Situation mit vorausgegangenen Beschimpfungen und Beleidigungen durch das Tatopfer beging. Die Strafkammer hat aber nicht erkennbar bedacht, daß den Beschimpfungen und Beleidigungen und den von dem Angeklagten aus Lust an der Mißhandlung des Opfers mit Verletzungsabsicht geführten, alsbald zum Tode führenden Schlägen mit der Kurzhantelstange bereits eine von einer anderen Person begonnene gewalttätige Situation von ca. 15 Minuten Dauer vorausging. Denn der Zeuge T. hatte dem später Verstorbenen zuvor durch zahlreiche heftige Schläge und Fußtritte ganz erhebliche Verletzungen zugefügt und dann das aus mehreren Wunden blutende Opfer mit dem Angeklagten, dessen Angebot, ihm zu helfen und ebenfalls auf den Verletzten einzuschlagen, der Zeuge T. zunächst abgelehnt hatte, alleine zurückzulassen. Es ist daher nicht, jedenfalls nicht ohne nähere Erörterung, auszuschließen, daß das ohne Zutun des Angeklagten begonnene gewalttätige Vorgehen des Zeugen T. erst die Gewaltbereitschaft des Angeklagten geweckt und seine Hemmschwelle herabgesetzt hat, so daß er ebenfalls gegen das bereits erkennbar schwer verletzte Opfer gewaltsam vorging. Dies kann sich u. U. schuldmindernd zugunsten des Angeklagten auswirken.
Im übrigen hat das Landgericht seiner Strafzumessung zuungunsten des Angeklagten einen rechtsfehlerhaften Strafrahmen zugrunde gelegt, da die untere Grenze des gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB nicht ein Jahr, sondern sechs Monate beträgt (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB).
2. Die Anordnung der Unterbringung und des Teilvorwegvollzugs haben ebenfalls keinen Bestand. Nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers soll möglichst umgehend mit der Behandlung des süchtigen oder kranken Rechtsbrechers begonnen werden, da dies am ehesten einen dauerhaften Erfolg verspricht. Gerade bei längerer Strafdauer muß es darum gehen, den Angeklagten frühzeitig zu heilen und seine Persönlichkeitsstörung zu behandeln, damit er im Strafvollzug an der Verwirklichung des Vollzugszieles arbeiten kann (vgl. dazu BGHSt 37, 160, 162; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 4, 10, 11, 12; BGH NStZ-RR 1999, 44; NStZ 1999, 613 f.). Eine Abweichung von der Regelabfolge des Vollzuges bedarf einer eingehenden, insbesondere die in der Person des Angeklagten liegenden Umstände und Besonderheiten berücksichtigenden Begründung (BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug, teilweiser 10). Will sie der Tatrichter darauf stützen, daß der an die Maßregel anschließende Strafvollzug den Maßregelerfolg wieder zunichte machen könnte, so müssen dafür überzeugende Gründe vorliegen (BGH NStZ 1986, 428; BGHR StGB § 67 Abs. 2 Vorwegvollzug 7, Vorwegvollzug, teilweiser 13).
Diesen Anforderungen werden die nur formelhaften Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht. Soweit die Strafkammer meint, daß eine Erfolgsaussicht der Therapie nur dann bestehe, wenn sie zum Ende der Haftstrafe durchgeführt wird, fehlen nachvollziehbare dargelegte Gründe, warum ein anschließender Strafvollzug den Erfolg des Maßregelvollzugs gefährden kann und wie sich dies bei dem Angeklagten auswirken könnte (vgl. BGHR StGB § 67 11 Vorwegvollzug, teilweiser 7, 9, 11; BGH NStZ 1986, 427, 428).
Im übrigen steht die Begründung des Teilvorwegvollzugs der Strafe in einem gewissen Widerspruch zur Begründung der Anordnung der Maßregel. Denn zur Begründung, daß die Maßregel nicht von vorneherein als aussichtslos erscheint, hat das Landgericht ausgeführt, daß der Angeklagte selbst die Notwendigkeit einer Therapie einsieht und den Willen hat, eine solche auch durchzuführen. Dann hätte es aber einer näheren Begründung bedurft, warum die Erfolgsaussicht der Therapie nur besteht, wenn sie am Ende der Verbüßung der Haftstrafe durchgeführt wird. Wegen dieser nicht ohne weiteres miteinander zu vereinbarenden Begründungen mußte auch die Anordnung der Maßregel aufgehoben werden. Der neue Tatrichter hat so auch die Möglichkeit, insgesamt und einheitlich über den Straf- und Maßregelausspruch zu entscheiden.
Bearbeiter: Karsten Gaede