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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 199/01, Beschluss v. 20.06.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 199/01 - Beschluß v. 20. Juni 2001 (LG Hannover)

Prostitution; Schwerer Menschenhandel (Schutzgut der sexuellen Selbstbestimmung); Gewalt; Drohung; Einverständnis; Qualitativ andere oder intensivere Prostitution

§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Schutzgut des § 181 StGB ist nicht das Recht einer freiwillig der Prostitution nachgehenden Person, über eigene Einnahmen nach Belieben verfügen zu können, sondern lediglich die sexuelle Selbstbestimmung. Diese Vorschrift schützt eine Person, die der Prostitution bereits nachgeht, davor, daß sie nicht zu einer andersartigen, von ihr nicht gewollten Form der Prostitutionsausübung genötigt wird (vgl. BGHR StGB § 181 Abs. 1 Nr. 1 Prostitution 19).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Menschenhandels in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet, hat mit der Sachrüge Erfolg.

Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, hält die Verurteilung wegen schweren Menschenhandels gemäß § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sich aus den getroffenen Feststellungen nicht zweifelsfrei ergibt, daß der Angeklagte die aus Litauen stammenden Frauen L. und D. durch die angewendete Gewalt und die ausgesprochenen Drohungen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution bestimmt hat. Mehrere Urteilsfeststellungen sprechen nämlich dafür, daß die geschädigten Frauen schon von sich aus als Prostituierte tätig sein wollten. Nachdem sie durch Schlepper in die Bundesrepublik verbracht worden waren, gingen sie durch Vermittlung des gesondert verfolgten S. und dessen Bekannte Dr. zunächst im Nachtclub "H." freiwillig der Prostitution nach (UA S. 4/5). Wegen zu geringer Einkünfte in diesem Nachtclub wandten sie sich erneut an Dr., die versuchte, sie anderweitig als Prostituierte unterzubringen (UA S. 6). Schließlich wurden sie dem Angeklagten übergeben, der sie in verschiedenen Bordellen einsetzte. Nachdem sie von Polizeibeamten aufgegriffen und zum Verlassen der Bundesrepublik Deutschland aufgefordert worden waren, nahmen sie wieder Kontakt zu dem Angeklagten auf (UA S. 11). Im Bordell "St." verbrauchte die Zeugin L. den Dirnenlohn für sich, weil sie davon ausging, der Angeklagte habe von ihr abgelassen (UA S. 9).

Das fehlende Einverständnis der Geschädigten, für den Angeklagten als Prostituierte zu arbeiten (UA S. 7, 10) und den Dirnenlohn an ihn abzuliefern, wird vom Tatbestand des § 181 StGB nicht erfaßt. Schutzgut des § 181 StGB ist nicht das Recht einer freiwillig der Prostitution nachgehenden Person, über eigene Einnahmen nach Belieben verfügen zu können, sondern lediglich die sexuelle Selbstbestimmung. Diese Vorschrift schützt eine Person, die der Prostitution bereits nachgeht, davor, daß sie nicht zu einer andersartigen, von ihr nicht gewollten Form der Prostitutionsausübung genötigt wird (vgl. BGHR StGB § 181 Abs. 1 Nr. 1 Prostitution 1; BGH, Beschl. vom 16. April 1996 - 4 StR 77/96). Daß die Prostitution, der die Geschädigten in den vom Angeklagten ausgewählten Etablissements nachgingen, sich als qualitativ anders oder intensiver als die zuvor ausgeübte Prostitution darstellte (vgl. BGHSt 42, 179, 181), kann den Urteilsfeststellungen nicht entnommen werden.

Wegen der in Betracht kommenden Straftaten, der Konkurrenzverhältnisse und der strafschärfenden Berücksichtigung der Vorstrafen des Angeklagten verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift.

Bearbeiter: Karsten Gaede