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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 180/01, Beschluss v. 06.06.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 180/01 - Beschluß v. 6. Juni 2001 (LG Wuppertal)

Unzulässige Führung der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten; Absoluter Revisionsgrund; Entfernung des Angeklagten während einer Vernehmung und gleichzeitige richterliche Augenscheinsnahme; Verwertung ohne Wiederholung

§ 338 Nr. 5 StPO; § 247 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. § 247 StPO gestattet es jedoch nur, den Angeklagten während einer Vernehmung zu entfernen. Die Einnahme eines richterlichen Augenscheins während der Abwesenheit des Angeklagten ist - zumindest soweit es sich nicht um einen Augenschein am Körper des Zeugen selbst handelt (BGHR StPO, § 338 Nr. 5, Angeklagter 11) - durch die Vorschrift nicht gedeckt (BGHR StPO, § 338 Nr. 5, Angeklagter 12).

2. Bei der förmlichen Augenscheinseinnahme der Lichtbilder der Verletzungen einer Zeugin handelt es sich um einen Teil der Beweisaufnahme und damit um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung. Die Verwertung eines so erhobenen Augenscheinsbeweises ist nur dann statthaft, wenn die Augenscheinseinnahme in Anwesenheit des Angeklagten (und auch im übrigen fehlerfrei) wiederholt wird und damit der Beweisgegenstand als solcher ordnungsgemäß in die Verhandlung eingeführt wird (BGHR aaO).

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 19. Dezember 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 10. Mai 2001 ausgeführt:

"Wie sich aus der Sitzungsniederschrift über die Hauptverhandlung ergibt (BI. 223 I d.A.), wurden im Rahmen der Vernehmung der Zeugin C., während der Angeklagte gemäß § 247 Satz 2, 2. Alternative, StPO aus dem Sitzungssaal entfernt worden war, die Lichtbilder in Hülle BI. 7 (richtig: 107) in Augenschein genommen. Zwar war der Angeklagte - was die Revision nicht beanstandet - während der Vernehmung der Zeugin rechtsfehlerfrei von der Anwesenheit im Sitzungssaal ausgeschlossen. § 247 StPO gestattet es jedoch nur, den Angeklagten 'während einer Vernehmung' zu entfernen. Die Einnahme eines richterlichen Augenscheins während der Abwesenheit des Angeklagten ist - zumindest soweit es sich nicht um einen Augenschein am Körper des Zeugen selbst handelt (BGHR StPO, § 338 Nr. 5, Angeklagter 11) - durch die Vorschrift nicht gedeckt (BGHR StPO, § 338 Nr. 5, Angeklagter 12).

Bei der förmlichen Augenscheinseinnahme der Lichtbilder der Verletzungen der Zeugin handelte es sich um einen Teil der Beweisaufnahme und damit um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung. Die Verwertung eines so erhobenen Augenscheinsbeweises ist nur dann statthaft, wenn die Augenscheinseinnahme in Anwesenheit des Angeklagten (und auch im übrigen fehlerfrei) wiederholt wird und damit der Beweisgegenstand als solcher ordnungsgemäß in die Verhandlung eingeführt wird (BGHR aaO). Wie das Sitzungsprotokoll beweist, ist die Augenscheinseinnahme nach der Wiederzulassung des Angeklagten nicht wiederholt worden. Die Verwertung des rechtsfehlerhaft erhobenen Augenscheinsbeweises bewirkt den unbedingten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO."

Dem schließt sich der Senat an. Im übrigen wird wegen der weiteren Verstöße gegen §§ 338 Nr. 5, 247 StPO hinsichtlich der Entscheidung über die Vereidigung und Entlassung der Zeugin auf diese Stellungnahme verwiesen.

Externe Fundstellen: StV 2002, 8

Bearbeiter: Karsten Gaede