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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 155/01, Beschluss v. 22.05.2001, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 155/01 - Beschluß v. 22. Mai 2001 (LG Duisburg)

Sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen; Verjährung

§ 174 Abs. 1 StGB; § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 4. Dezember 2000

a) aufgehoben und das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in 26 Fällen, begangen zwischen dem 9. Februar und 5. November 1993, verurteilt wurde;

Im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last;

b) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 20 Fällen schuldig ist;

c) im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen in 46 Fällen, davon in 20 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlußformel ersichtlichen Erfolg.

1. Die vom Angeklagten zwischen Anfang August 1992 und dem 5. November 1993 an der Nebenklägerin vorgenommenen sexuellen Handlungen können nicht mehr als sexueller Mißbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) abgeurteilt werden, da insoweit Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Taten nach § 174 Abs. 1 StGB sind mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht, so daß die Verjährungsfrist fünf Jahre beträgt (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die erste zur Unterbrechung dieser Frist geeignete Verfahrenshandlung würde erst am 23. Februar 2000 vorgenommen, als die Staatsanwaltschaft die Beschuldigtenvernehmung des Angeklagten anordnete (§ 78 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB; Bl. 32 der Sachakten). Zu diesem Zeitpunkt waren seit der letzten Tat jedoch bereits mehr als fünf Jahre verstrichen.

Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen (§ 354 Abs. 1, § 260 Abs. 3 StPO), soweit der Angeklagte wegen der nach dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin begangenen 26 Taten verurteilt wurde, da insoweit allein der Tatbestand des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB verwirklicht wurde. Hinsichtlich der vor dem 14. Geburtstag der Nebenklägerin begangenen 20 Taten entfällt die tateinheitliche Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen. Der Schuldspruch ist daher insoweit dahingehend abzuändern, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 20 Fällen schuldig ist.

Die teilweise Verfahrenseinstellung und die Abänderung des Schuldspruchs führen zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs. Auch die wegen der ersten 20 Taten vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen können keinen Bestand haben. Das Landgericht hat insoweit ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt, daß sich der Angeklagte jeweils nicht nur des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, sondern auch des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen schuldig gemacht habe. Im übrigen können auch die nunmehr wegfallenden 26 Einzelstrafen von je einem Jahr und acht Monaten Einfluß auf die Bemessung der Strafen wegen der ersten 20 Taten gehabt haben. Allein wegen der Möglichkeit, verjährte Straftaten - wenn auch nicht mit dem ihnen ansonsten zukommenden vollen Gewicht - bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten zu berücksichtigen, kann hier daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, daß das Landgericht bei zutreffender Beurteilung der Verjährungsfrage in den ersten 20 Fällen auf niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte.

Die Strafe ist daher insgesamt neu zuzumessen.

2. Im übrigen hat die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Bearbeiter: Rocco Beck