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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 3 StR 214/00, Beschluss v. 24.11.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 3 StR 214/00 - Beschluß v. 24. November 2000 (LG Hannover)

Freie Beweiswürdigung; Ablehnung eines Beweisantrags auf Zeugenvernehmung

§ 261 StPO; § 244 Abs. 5 S. 2 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. Juni 1999 wird

1. das Verfahren in den Fällen il. 1. und 2. der Urteilsgründe vorläufig eingestellt;

im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

2. die weitergehende Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die (verbleibenden) Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, wegen versuchten Betrugs, wegen Besitzes einer nicht geringen Menge Kokain und wegen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine vollautomatische Selbstladewaffe unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem weiteren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Außerdem hat es die Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materieller Rechts.

1. Der Senat stellt auf Antrag des Generalbundesanwalts das Verfahren gemäß § 154 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 StPO ein, soweit der Angeklagte in der Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe jeweils wegen Betrugs verurteilt worden ist. Im Fall II. 1. könnte der Senat der Schuldspruch nicht bestätigen weil - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 31. August 2000 zutreffend hingewiesen hat - sich aus den getroffenen Feststellungen eine konkrete Vermögensgefährdung nicht zweifelsfrei ergibt. Im Fall II. 2. teilt der Senat die im einzelnen in der Antragsschrift dargestellten Bedenken des Generalbundesanwalts hinsichtlich des der Verurteilung zu Grunde gelegten Schuldumfangs.

Eine Zurückverweisung und Neuverhandlung der Sache allein wegen dieser Tatvorwürfe erscheint dem Senat im Hinblick auf die weiteren gegen der Angeklagten verhängten Strafen nicht sachdienlich.

2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat im übrigen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere ist die Sicherungsverwahrung rechtsfehlerfrei angeordnet worden. Ergänzend bemerkt der Senat:

a) Die Sachverhaltsfeststellungen zum versuchten und zum vollendeten Betrug im Urteil des Landgerichts München I vom 19. März 1981 können dadurch in das Verfahren eingeführt worden sein, daß das Urteil des Landgerichts Hannover vom 13. Oktober 1997, das diese Feststellungen wiedergibt, ausweislich des Inhalts des Hauptverhandlungsprotokolls auszugsweise Verlesen worden ist. Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO verspricht nur dann Erfolg, wenn ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt werden kann, daß die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und nicht durch Vorgänge gewonnen worden sind, die zum Inbegriff, der Hauptverhandlung gehören (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 261 Rdn. 38 a m.w.Nachw.).

b) Soweit die Revision rügt, das Landgericht habe die Nachholung der Vereidigung des gemäß § 60 Nr. 2 StPO unvereidigt gebliebenen Zeugen B. unterlassen, obwohl es im Zeitpunkt der Urteilsfindung nach dem Inhalt der Urteilsgründe die Überzeugung gewonnen habe, daß kein Verdacht der Teilnahme (mehr) gegen den Zeugen bestehe, gefährdet der behauptete Verfahrensfehler den Bestand des Urteils nicht. Abgesehen davon, daß konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Aussagekorrektur im Falle einer Vereidigung nicht vorhanden sind, kann das Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß nicht beruhen. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils vermittelt dem Senat die Gewißheit, daß der Tatrichter selbst dann dem Angeklagten die Maschinenpistole und das Kokain zugeordnet hätte, wenn der Zeuge B. sich als deren Besitzer bezeichnet hätte. Die Strafkammer hat im Rahmen ihrer Beweiswürdigung der Aussage des Zeugen B. ausdrücklich keine wesentliche Bedeutung beigemessen (UA S. 242). Die Überzeugung der Kammer beruht vielmehr auf der glaubhaften Aussage der unbeteiligten Zeugin A. über den Transport von nur einer großen Reisetasche in die Wohnung, der diese Aussage stützenden Bekundung des Zeugen P., der Aussage des Zeugen K. sowie dem Inhalt eines überwachten Telefongesprächs.

Das Landgericht hat der Aussage des Zeugen M., der die Einlassung des Angeklagten weitgehend bestätigt hat. vor allem deswegen nicht geglaubt, weil sie lebensfremd ist, der Zeuge die Größe sowie die Aufbewahrung der Maschinenpistole falsch beschrieben hat und die Polizeibeamten, welche die Wohnung des Angeklagten observierten, den, Zeugen beim behaupteten Verlassen der Wohnung nicht gesehen haben.

c) Das Landgericht hat den Antrag auf Vernehmung der Zeugen G. und Pa. rechtsfehlerfrei gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO abgelehnt, selbst wenn man von einem Beweisantrag ausgehen sollte. Seine Begründung, die Ladung dieser Auslandszeugen sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, weil der Sachverhalt durch die bisherige Beweisaufnahme hinreichend geklärt sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten, der Aussagen der Zeuginnen Sch. und Kö. sowie der Schreiben der T. Sparkasse vom 2. September 1997 und vom 26. September 1997 gebot nämlich die Aufklärungspflicht eine Vernehmung nicht.

3. Der durch die Verfahrenseinstellung in den Fällen II. 1. und 2. der Urteilsgründe bedingte Wegfall der zwei Einzelstrafen von vier und sechs Monaten erfordert keine Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs. Angesichts der Höhe der Einsatzstrafe von drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe und der in die Gesamtstrafe einzubeziehenden weiteren 91 Einzelstrafen (Freiheitsstrafen von zweimal drei Jahren, einmal zwei Jahren sechs Monaten. einmal zwei Jahren, zweimal ein Jahr drei Monaten, einmal ein Jahr, 81 mehrmonatigen Freiheitsstrafen sowie drei Geldstrafen) kann der Senat sicher ausschließen, daß der Tatrichter auf eine niedrigere als die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte, wenn er selbst die Fälle II. 1. und 2. der Urteilsgründe eingestellt hätte.

Bearbeiter: Rocco Beck