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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 587/99, Urteil v. 01.03.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 587/99 - Urteil v. 01. März 2000 (LG Mainz)

Konkurrenzverhältnis zwischen versuchten Totschlag und gefährlicher Körperverletzung

§ 212 StGB; § 22 StGB; § 23 Abs. 1 StGB; 224 StGB

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 9. August 1999 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Der Angeklagte fügte seinem älteren Bruder, von dem er sich bevormundet fühlte, aus Rache 23 zum Teil lebensgefährliche Stichverletzungen mit einem Springmesser zu, um ihn zu töten. Der Angeklagte nahm an, er habe alles zur Tötung seines Bruders Erforderliche getan und ließ ihn liegen, ohne sich um ihn zu kümmern. Der Bruder wurde alsbald von drei Zeugen gefunden, die erste Hilfe leisteten. Als der Angeklagte nach 20 Minuten zurückkehrte, um sich zu vergewissern, daß sein Bruder tot war, erkannte er, daß sein Bruder noch lebte. Er hielt aber an seiner Tötungsabsicht fest und täuschte den Helfern vor, er hole ärztliche Hilfe. In Wirklichkeit tat er nichts und entfernte sich. Trotzdem konnte der Bruder des Angeklagten gerettet werden.

2. Die Aufklärungsrüge ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Die Sachrüge hat ebenfalls keinen Erfolg.

Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Bis 1998 entsprach es zwar der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesgerichtshofs, daß nicht nur ein vollendetes, sondern auch ein versuchtes Tötungsdelikt die damit zusammentreffende vorsätzliche (vollendete) Körperverletzung im Sinne der §§ 223, 223a und 224 StGB aF "verdrängt" (BGHSt 16, 1122; 21, 265; 22, 248). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof jedoch mit Urteil vom 24. September 1998 (BGHSt 44, 196) aufgegeben. Zu Recht hat das Landgericht daher ausgesprochen, daß der versuchte Totschlag und die gefährliche Körperverletzung hier tateinheitlich verwirklicht wurden. Einen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Totschlag hat das Landgericht zutreffend verneint.

Der Strafausspruch läßt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Insbesondere hat das sachverständig beratene Schwurgericht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen, daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit durch eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung in der Form eines Affekts erheblich vermindert war.

Bearbeiter: Rocco Beck