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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 460/99, Beschluss v. 17.05.2000, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 460/99 - Beschluß v. 17. Mai 2000 (LG Koblenz)

Verbot der Vereidigung wegen Beteiligung an der zu untersuchenden Tat

§ 60 Nr. 2 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 1. Dezember 1998, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Mit ihrer Revision rügt die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge nach § 60 Nr. 2 StPO Erfolg.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 1. Februar 2000 hierzu ausgeführt:

"Der behauptete Verstoß gegen § 60 Nr. 2 StPO ist gegeben. Das Landgericht hat die Vereidigung des Zeugen K. beschlossen und durchgeführt, ohne sich in dem Beschluß mit der Frage auseinander zu setzen, ob gegen den Zeugen der - einer Vereidigung gemäß § 60 Nr. 2 StPO entgegen stehende - Verdacht der Beteiligung an der Tat, die Gegenstand der Untersuchung ist, besteht. Gemäß § 64 StPO muß zwar nur das Absehen von der Vereidigung begründet werden; Anordnung und Vornahme der Vereidigung bedürfen (als der gesetzliche Regelfall) einer Begründung dagegen grundsätzlich nicht. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Beteiligungsverdacht nach den Gesamtumständen so nahe liegt, daß ohne eine für das Revisionsgericht überprüfbare Begründung der Nichtanwendung des § 60 Nr. 2 StPO nicht auszuschließen ist, daß das Tatgericht die Voraussetzungen des Eidesverbots verkannt hat (BGHSt 42, 86, 87). Ein solcher Fall lag hier vor.

Als Verdacht der Beteiligung an der Tat eines Angeklagten im Sinne von § 60 Nr. 2 StPO ist auch der Verdacht eines Vergehens nach § 138 StGB anzusehen (vgl. BGHSt 42, 86, 87 im Anschluß an BGHSt 6, 372, 383 f; BGH LM § 68 a StPO Nr. 2; BGH, Urteile vom 6. Dezember 1966 - 1 StR 358/66 -, vom 12. März 1969 - 4 StR 29/69 - und vom 29. April 1969 - 5 StR 140/69 -). Daß (zumindest) dieser Verdacht bestand, belegen die schriftlichen Urteilsgründe. Ihnen sind sehr gewichtige Verdachtsmomente zu entnehmen, die eine Erörterung der Voraussetzungen des Eidesverbots des § 60 Nr. 2 StPO unentbehrlich machten. Ausweislich der Wiedergabe der Aussage des Zeugen K. auf UA S. 36, 37 hatte die Angeklagte Kr. diesem gegenüber bereits "einige Wochen vor dem Verschwinden Ke. " geäußert, daß "der Mann beseitigt werden müsse, weil er ihr und dem Mitangeklagten J. gefährlich werde und im Wege" stehe. Gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen K. und die Verläßlichkeit seiner Angaben hegte das Tatgericht "nicht die geringsten Bedenken". Zur Frage, ob der Zeuge jene Ankündigung der Beschwerdeführerin ernst genommen hatte, verhalten sich die Urteilsgründe zwar nicht ausdrücklich. Nach ihrem Gesamtzusammenhang läge die Annahme, das Tatgericht könnte insoweit Zweifel gehabt haben, jedoch fern. Denn es hat sich auf UA S. 36 keineswegs auf die Wiedergabe der Ankündigung beschränkt, sondern im Einzelnen auch die Gründe mitgeteilt, die - jedenfalls aus der Sicht der Beschwerdeführerin - die Notwendigkeit des angekündigten Vorhabens nachvollziehbar erscheinen lassen konnten. Zudem war die Schlüssigkeit der Darstellung sich folgerichtig aneinander reihenden Vorgänge von jener Ankündigung bis zu den Hinweisen zum Versteck der Leiche und zum Fahrzeug (UA S. 36, 54) ersichtlich ein wesentliches Kriterium für die Bewertung der Glaubhaftigkeit. Hätte es in Teilen an der Ernsthaftigkeit gefehlt oder hätte der Zeuge zumindest Zweifel an dieser gehabt, dann hätte dies aber die Schlüssigkeit insgesamt in Frage gestellt. Jedenfalls kann unter diesen Umständen nicht ohne weiteres unterstellt werden, der Tatrichter sei davon ausgegangen, daß der Zeuge die Ankündigung nicht ernst genommen hatte. Es ist vielmehr genau jener in der Rechtsprechung (BGHSt 42, 86, 87 m.w.N.) angeführte Fall gegeben, in dem das Revisionsgericht ohne eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des Vereidigungsverbots durch das Tatgericht und ohne Begründung für die Nichtanwendung des § 60 Nr. 2 StPO einen Verstoß gegen diese Vorschrift annehmen muß.

Daß das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Aussage des Zeugen K. war für die tatrichterliche Überzeugung von erheblicher Bedeutung. Daß der Zeuge sie beeidet hatte, kann für ihre Bewertung (mit) erheblich geworden sein. Die Verletzung des § 60 Nr. 2 StPO nötigt demgemäß zur Aufhebung des Urteils, soweit es die Angeklagte Kr. betrifft. Einer Erörterung der weiteren, in der Revisionsbegründung des Verteidigers RA R. erhobenen und ausgeführten Verfahrensrügen und der Sachrüge bedarf es aus diesem Grunde nicht mehr."

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an. Trotz des Gewichts der vielfältigen gegen die Angeklagte sprechenden Beweisumstände kann auch der Senat nicht ausschließen, daß das Urteil auf dem Vereidigungsfehler beruht.

Externe Fundstellen: NStZ 2000, 494; StV 2001, 213

Bearbeiter: Rocco Beck