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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 409/99, Beschluss v. 20.10.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 409/99 - Beschluß v. 20. Oktober 1999 (LG Koblenz)

Anforderungen an die konkrete Darstellung der Taten in der Anklageschrift

§ 200 Abs. 1 StPO

Entscheidungstenor

1 . Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 8. März 1999 aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall 9 der Urteilsgründe - wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen - verurteilt worden ist und das Verfahren insoweit eingestellt. Im Umfang der Einstellung hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Der Schuldspruch wird insoweit geändert, daß ein Fall des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Insoweit hat der Beschwerdeführer die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin in der Revisionsinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in zehn Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung, in einem Fall in Tateinheit mit sexueller Nötigung und in Tatmehrheit hierzu wegen eines Vergehens gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 a Buchst. a Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und die Einziehung einer näher bezeichneten Waffe angeordnet.

Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Entgegen dem Vorbringen der Revision liegt eine hinreichend konkretisierte Anklage vor. Gerade in Fällen des sexuellen Mißbrauchs von Kindern oder Schutzbefohlenen, in denen typischerweise bei einer Serie gleichartiger Handlungen einzelne Taten nicht mehr genau voneinander unterschieden werden können, genügt es für eine ausreichende Konkretisierung, wenn die Anklage den Verfahrensgegenstand durch den zeitlichen Rahmen der Tatserie, die Nennung der Höchstzahl der begangenen Taten, das Tatopfer und die wesentlichen Grundzüge des Tatgeschehens bezeichnet (vgl. BGHSt 44, 153, 154 f. m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Anklage gerecht.

Das Verfahren ist jedoch hinsichtlich Fall 9 der Urteilsgründe wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen, da diese Tat in der Anklage keine ausreichende Grundlage findet. Die durch die zeitliche und inhaltliche Beschreibung in der Anklage bewirkte Individualisierung der Taten hatte zur Folge, daß die angeklagten Taten von allen weiteren Vorfällen im selben Zeitraum mit einer Eindeutigkeit abgegrenzt waren, die es nicht zuließ, die Verurteilung auf andere Taten zu stützen, auch wenn diese innerhalb des angegebenen Gesamttatzeitraums begangen wurden und sich durch gleiche Tatmodalitäten auszeichneten. So ist das Landgericht aber verfahren. Es hat drei Fälle des Oralverkehrs (Fälle 8, 9 und 10 der Urteilsgründe) abgeurteilt, obwohl die Staatsanwaltschaft unter Beachtung des Zweifelssatzes bewußt lediglich zwei Fälle dieser Art (Fälle 49 und 50) angeklagt hat. Bei dieser Sachlage reicht die von der Kammer durch den rechtlichen Hinweis gemäß § 265 StPO vorgenommene Aufspaltung der angeklagten Fälle des Oralverkehrs in die Fälle 49 I, 49 II und 50 der Anklage nicht aus. Für eine Aburteilung des dritten - in der Anklage nicht erwähnten - Falles des Oralverkehrs (Fall 9 der Urteilsgründe) hätte es vielmehr einer Nachtragsanklage bedurft.

Durch die Teileinstellung wird der Gesamtstrafenausspruch nicht berührt. In Anbetracht der verbleibenden Einzelstrafen (zweimal drei Jahre und neun Monate, zwei Jahre, fünfmal ein Jahr, zehn Monate Freiheitsstrafe und 90 Tagessätze Geldstrafe) ist auszuschließen, daß ohne die im Fall 9 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt worden wäre.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils in dem nach der Teileinstellung verbleibenden Umfang keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Bearbeiter: Rocco Beck