Bearbeiter: Rocco Beck
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 134/99, Urteil v. 30.06.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 16. November 1998 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung und Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin G. freigesprochen; es hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, daß der Angeklagte den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin im Bewußtsein ihres entgegenstehenden Willens erzwungen hat. Mit ihrer Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel wird vom Generalbundesanwalt vertreten, es hat aber keinen Erfolg.
Der Freispruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Seine Begründung genügt den an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Anforderungen (§ 267 Abs. 5 Satz 1 StPO). Spricht das Tatgericht - wie hier - den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen von der Anklage frei, so muß es in den Urteilsgründen den Anklagevorwurf, die hierzu getroffenen Feststellungen, die wesentlichen Beweisgründe und seine rechtlichen Erwägungen mitteilen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44 Aufl. § 267 Rdn. 33 m.w.N.). Diese Mindestvoraussetzungen sind erfüllt. Zwar meint die Beschwerdeführerin, den Urteilsgründen sei nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, welchen Sachverhalt das Gericht festgestellt hat. Das trifft indessen nicht zu. Allerdings fehlt es an einer geschlossenen Darstellung des festgestellten Sachverhalts. In den Urteilsgründen folgt auf die Mitteilung des Anklagevorwurfs zunächst eine chronologische Darstellung der bis zur angeklagten Tat reichenden Vorgänge. Diese Darstellung steht im Indikativ und weist dadurch die geschilderten Vorgänge als festgestellt aus. Zum weiteren Geschehen, dem Gegenstand des strafrechtlichen Vorwurfs, teilt das Urteil anschließend mit, was die Nebenklägerin hierzu als Zeugin bekundet hat (UA S 6. "Die Zeugin G. ... behauptet"). Dabei wird die indirekte Rede gebraucht und damit deutlich gemacht, daß es sich dabei (noch) nicht um Feststellungen zum Tatablauf handelt. Was das Gericht zum Tatablauf festgestellt hat, findet sich erst an späterer Stelle - vor allem am Ende der Beweiswürdigung (UA S. 16: "Bei zusammenfassender Betrachtung geht die Kammer danach davon aus, daß...") Danach ist - von Einzelheiten abgesehen - der Angeklagte der Zeugin, die ihn dazu aufgefordert hatte, auf den Speicher gefolgt, hat sie dort sogleich zu küssen versucht, sie zu einem Lager gezogen, sich vergeblich bemüht, sie durch Herunterdrücken des Kopfes zum Oralverkehr zu veranlassen und, nachdem sie ihn auf die Innenseite der Oberschenkel geküßt hatte, den Geschlechtsverkehr mit ihr ausgeführt. Das folgende Geschehen wird an früherer Stelle - nach dem eingeschobenen Bericht über die Aussage der Zeugin - dargestellt (UA S. 6 neuntletzte Zeile: "Er zeigte ihr dies"). Eine solche Art der Darstellung begünstigt Mißverständnisse darüber, was festgestellt ist und was nicht. Doch läßt sich der festgestellte Sachverhalt hier aus dem Urteil jedenfalls noch so deutlich erkennen, daß dem Revisionsgericht die rechtliche Nachprüfung unter dem entscheidenden, für den Freispruch wesentlichen Gesichtspunkt möglich ist.
2. Nicht gefolgt werden kann der Revision darin, daß es näherer Darlegung der von der Zeugin G. im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben bedurft hätte. Richtig ist, daß in den Urteilsgründen ihre Angaben bei Vernehmungen im Ermittlungsverfahren nicht vollständig wiedergegeben sind. Das Gericht hat sich vielmehr damit begnügt, bei der Beweiswürdigung solche Angaben der Zeugin mitzuteilen und zu bewerten die Widersprüche zu ihren früheren Bekundungen enthalten oder sonstige, ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellende Umstände hervortreten lassen. Das reichte jedoch unter den gegebenen Umständen aus, denn schon daraus durfte das Tatgericht ohne Rechtsfehler die Schlußfolgerung ziehen, daß ihre Bekundungen - namentlich zu der Frage, ob und wie sie dem Angeklagten gegenüber ihre Ablehnung zum Ausdruck gebracht hat - für eine Verurteilung des Angeklagten wegen Vergewaltigung keine hinlängliche Beweisgrundlage bieten.
3. Im Ergebnis ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin schließlich, das Landgericht habe den Sachverhalt rechtlich unzutreffend bewertet.
Allerdings können einzelne Wendungen im Urteil die Besorgnis aufkommen lassen, das Gericht habe den Begriff der Gewalt im Sinne des § 177 StGB zu eng ausgelegt; überdies liegt ein Widerspruch darin, daß es einerseits ein Widerstreben der Zeugin vermißt (UA S. 12 Zeile 6: "äußerlich nicht widerstrebende Frau"), andererseits aber davon ausgeht, daß sie dem sexuellen Ansinnen des Angeklagten Widerstand, wenngleich nur in "milden Formen" (UA S. 16, letzte Zeile), entgegengesetzt habe.
Auf diesen Rechtsmängeln beruht das Urteil jedoch nicht. Der Freispruch wird letztlich von der Annahme getragen, der Angeklagte habe die "milden Formen des Widerstands" als bloßes "Zieren" aufgefaßt und - irrtümlich - geglaubt, sie sei mit dem Sexualverkehr einverstanden. Ein solcher Irrtum schließt den Vergewaltigungsvorsatz aus (BGH NStZ 1983, 71; BGHR StGB § 177 Abs. 1 Gewalt 8, Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 25, Aufl. § 177 Rdn. 7). Daß der Angeklagte in einem derartigen Irrtum befangen war oder zumindest gewesen sein kann, ohne daß sich das Gegenteil nachweisen ließe, hat das Landgericht nachvollziehbar begründet. Die Beweiswürdigung hierzu ist rechtlich nicht zu beanstanden; dies gilt insbesondere angesichts des Vorverhaltens der Zeugin, die nach den Feststellungen eine Woche zuvor selbst die Initiative zum Austausch von Zärtlichkeiten ergriffen hatte und in der Folgezeit mehrfach zu diesem Zweck auf dem Speicher mit dem Angeklagten zusammengetroffen war.
Bearbeiter: Rocco Beck