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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 613/98, Beschluss v. 10.03.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 613/98 - Beschluss vom 10. März 1999 (LG Darmstadt)

Unterlassene Benachrichtigung der Verteidiger der Beschuldigten (Vernehmung durch Ermittlungsrichter); Gefährdung des Untersuchungszweckes; Widerspruch; Gewicht der Anwesenheitsrechten der Verfahrensbeteiligten (Verhältnismässigkeit; Zuwarten); Erpresserischer Menschenraub (Sich Bemächtigen)

§ 168 c Abs. 5 StPO; § 239 a Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ist ein Beweisergebnis unter Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht nach § 168 c Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 StPO gewonnen worden, so darf es gegen den Widerspruch des Betroffenen nicht verwertet werden; wird es gleichwohl, sei es durch Verlesen der Vernehmungsniederschrift nach § 251 Abs. 1 StPO oder durch Vernehmung des Ermittlungsrichters, in die Hauptverhandlung eingeführt, so stellt dies einen im Falle des Beruhens die Revision begründenden Verfahrensverstoß dar (BGHSt 26, 332, 335; 29, 1, 2 f; 31, 140, 144).

2. Von der Benachrichtigung des Verteidigers eines Beschuldigten kann allerdings gemäß § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO abgesehen werden, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Untersuchungserfolg im Sinne dieser Vorschrift ist die Gewinnung einer wahrheitsgemäßen Aussage, die in einem späteren Verfahrensabschnitt verwertet werden kann (BGHSt 29, 1, 3). Ob eine Gefährdung dieses Erfolgs, die bei der Benachrichtigung eines Verteidigers nicht allein aus Gründen in der Person des Beschuldigten abgeleitet werden darf (BGHSt 29, 1, 4), in der konkreten Situation existiert, ist nach den Umständen des Falles zunächst vom vernehmenden Ermittlungsrichter, sodann vom erkennenden Gericht im Rahmen der Prüfung der Verwertbarkeit des Beweisergebnisses zu beurteilen. Hat der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände die Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die Benachrichtigung des Verteidigers bejaht, so ist das Revisionsgericht seinerseits auf die Prüfung beschränkt, ob dabei Rechtsfehler, insbesondere eine Überschreitung der dem tatrichterlichen Ermessen gesetzten Schranken, erkennbar sind (BGHSt 29, 1, 3; 31, 140, 143; 42, 86, 9 1 f.).

3. Eine mögliche Beeinträchtigung von weiteren Ermittlungshandlungen, deren Notwendigkeit sich aus dem Ergebnis der richterlichen Zeugenvernehmung ergibt, vermag ein Unterbleiben der Verteidigerbenachrichtigung nicht zu rechtfertigen. Besteht der Untersuchungserfolg im Sinne des § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO in der Gewinnung einer wahrheitsgemäßen, in späteren Verfahrensabschnitten verwertbaren Aussage, so kann eine Gefährdung dieses Erfolgs nur aus Umständen resultieren, die geeignet sind, das durch die Zeugenvernehmung erst noch zu gewinnende Beweisergebnis zu beeinflussen. Bei der Beeinträchtigung von Ermittlungshandlungen, welche an eine abgeschlossene richterliche Zeugenvernehmung anknüpfen und ihr nachfolgen, ist dies notwendigerweise ausgeschlossen.

4. Ein Sichbemächtigen im Sinne des § 239 a Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter die physische Herrschaft über einen anderen erlangt, wobei weder eine Ortsänderung erforderlich ist, noch der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt sein muß (BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5). Dies ist auch in der Weise möglich, daß das Opfer über eine größere Distanz mit einer scheinbar echten Schußwaffe bedroht und derart in Schach gehalten wird, daß es an einer freien Bestimmung über sich selbst gehindert ist (BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 1 und 3; BGH NStZ 1986, 166). Daß der Bankkunde die Bedrohung mit der Waffe selbst nicht wahrnahm, ist für die Annahme eines erpresserischen Menschenraubs ohne Bedeutung (BGH GA 1975, 53; BGH NStZ 1985, 455 zu § 239 b StGB).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 19. März 1998 mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte in den Fällen 1, 2 und 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

2. Auf die Revision des Angeklagten Y. wird das genannte Urteil

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 3 und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten S. und Y. sowie die Revision des Angeklagten E. werden verworfen.

5. Der Angeklagte E. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. des "gemeinschaftlichen schweren Raubes in drei Fällen, davon ein Versuch, der gemeinschaftlichen schweren räuberischen Erpressung und der gemeinschaftlichen schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gemeinschaftlichem erpresserischen Menschenraub", den Angeklagten Y. des "gemeinschaftlichen schweren Raubes in zwei Fällen und der gemeinschaftlichen räuberischen Erpressung in zwei Fällen, in einem Falle tateinheitlich mit gemeinschaftlichem erpresserischen Menschenraub" sowie den Angeklagten E. der "gemeinschaftlichen schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gemeinschaftlichem erpresserischen Menschenraub" schuldig gesprochen (zur Tenorierung bei mittäterschaftlicher Tatbegehung vgl. BGHSt 27, 287, 289). Gegen den Angeklagten S. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren, gegen den Angeklagten Y. eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten E. eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt. Mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen wenden sich die Angeklagten gegen ihre Verurteilungen. Das Rechtsmittel des Angeklagten S. hat mit einer Verfahrensrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg. Die vom Angeklagten Y. erhobene Sachbeschwerde führt zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall 3 der Urteilsgründe und zu einer Teilaufhebung des Strafausspruchs. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten S. und Y. sowie das Rechtsmittel des Angeklagten E. sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Revision des Angeklagten S.

Soweit der Angeklagte S. in den Fällen 1, 2 und 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, greift eine Verfahrensrüge durch, mit der der Angeklagte die zu seinen Lasten erfolgte Verwertung des Ergebnisses einer richterlichen Zeugenvernehmung beanstandet, die im Ermittlungsverfahren in Abwesenheit seines nicht von dem Vernehmungstermin benachrichtigten Verteidigers durchgeführt wurde.

Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

Der in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer unerreichbare Zeuge K wurde im vorbereitenden Verfahren am 13. Februar 1997 vom Ermittlungsrichter des Amtsgericht Michelstadt richterlich vernommen. Zu Beginn des Vernehmungstermins, bei dem der Verteidiger des Angeklagten nicht anwesend war, ordnete der Ermittlungsrichter an, daß die Benachrichtigung der Verteidiger der Beschuldigten (darunter der Verteidiger des Angeklagten) gemäß § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO unterbleibt. Zur Begründung verwies er auf die diesbezüglichen Ausführungen der Staatsanwaltschaft, die in der Niederschrift der richterlichen Vernehmung vom 13. Februar 1997 wie folgt wiedergegeben werden:

"Eine Benachrichtigung der Verteidiger der Beschuldigten im vorliegenden Verfahren gemäß § 168 c Abs. 5 StPO hat zu unterbleiben, da andernfalls die Gefährdung des Untersuchungszweckes zu befürchten ist. Es steht zu erwarten, daß auf Grund des Ergebnisses der richterlichen Vernehmung auch zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Zeugen weitere Ermittlungshandlungen notwendig werden - zum Beispiel Durchsuchungen, Haftbefehl, Zeugen zu vernehmen - deren Erfolg vereitelt würde. Hinzu kommt, daß zu befürchten ist, daß auf den Zeugen durch Dritte eingewirkt wird, da auch ein begründeter Verdacht besteht, daß auf den mitbeschuldigten Y. eingewirkt werden sollte, nachdem dieser ein Geständnis abgelegt hatte. Hinzu kommt, daß der Zeuge. beabsichtigt, in den nächsten Tagen für unbestimmte Zeit in die Türkei zu verreisen und dann zu dem Termin nicht mehr zur Verfügung steht."

In der Hauptverhandlung ist der Verteidiger des Angeklagten am ersten Verhandlungstag zunächst allgemein jeglicher Verwertung der richterlichen Vernehmung des Zeugen K. entgegengetreten. Seinen Widerspruch hat er in einem späteren Verhandlungstermin nunmehr bezogen auf die von der Strafkammer beabsichtigte Vernehmung des Ermittlungsrichters als Zeuge wiederholt. In ihrem die Vernehmung des Ermittlungsrichters anordnenden Beschluß hat die Strafkammer sodann ohne weitergehende Begründung die Auffassung vertreten, die richterliche Vernehmung des Zeugen K. ohne Benachrichtigung des Verteidigers des Angeklagten vom Vernehmungstermin sei verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Anschließend ist der Ermittlungsrichter als Zeuge über das Ergebnis der von ihm durchgeführten Vernehmung vom 13. Februar 1997 vernommen worden. Auf die durch seine Aussage in die Hauptverhandlung eingeführten Bekundungen des Zeugen K. stützt das Landgericht seine Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten S. in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe.

Gegen diese Verfahrensweise ergeben sich durchgreifende rechtliche Bedenken.

a) Wird im vorbereitenden Verfahren ein Zeuge richterlich vernommen, so ist der Verteidiger des Beschuldigten grundsätzlich - vom Ausnahmefall des § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO abgesehen - vorher von dem Vernehmungstermin zu benachrichtigen (§ 168 c Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 StPO). Ist ein Beweisergebnis unter Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht gewonnen worden, so darf es gegen den Widerspruch des Betroffenen nicht verwertet werden; wird es gleichwohl, sei es durch Verlesen der Vernehmungsniederschrift nach § 251 Abs. 1 StPO oder durch Vernehmung des Ermittlungsrichters, in die Hauptverhandlung eingeführt, so stellt dies einen im Falle des Beruhens die Revision begründenden Verfahrensverstoß dar (BGHSt 26, 332, 335; 29, 1, 2 f; 31, 140, 144).

b) Von der Benachrichtigung des Verteidigers eines Beschuldigten kann allerdings gemäß § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO abgesehen werden, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Untersuchungserfolg im Sinne dieser Vorschrift ist die Gewinnung einer wahrheitsgemäßen Aussage, die in einem späteren Verfahrensabschnitt verwertet werden kann (BGHSt 29, 1, 3). Ob eine Gefährdung dieses Erfolgs, die bei der Benachrichtigung eines Verteidigers nicht allein aus Gründen in der Person des Beschuldigten abgeleitet werden darf (BGHSt 29, 1, 4), in der konkreten Situation existiert, ist nach den Umständen des Falles zunächst vom vernehmenden Ermittlungsrichter, sodann vom erkennenden Gericht im Rahmen der Prüfung der Verwertbarkeit des Beweisergebnisses zu beurteilen. Hat der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände die Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die Benachrichtigung des Verteidigers bejaht, so ist das Revisionsgericht seinerseits auf die Prüfung beschränkt, ob dabei Rechtsfehler, insbesondere eine Überschreitung der dem tatrichterlichen Ermessen gesetzten Schranken, erkennbar sind (BGHSt 29, 1, 3; 31, 140, 143; 42, 86, 9 1 f). Im vorliegenden Fall hat die Strafkammer auf eine eigenständige Begründung für die von ihr angenommene Gefährdung des Untersuchungserfolgs verzichtet und sich die diesbezüglichen Erwägungen des Ermittlungsrichters zu eigen gemacht. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

Eine mögliche Beeinträchtigung von weiteren Ermittlungshandlungen, deren Notwendigkeit sich aus dem Ergebnis der richterlichen Zeugenvernehmung ergibt, vermag ein Unterbleiben der Verteidigerbenachrichtigung nicht zu rechtfertigen. Besteht der Untersuchungserfolg im Sinne des § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO in der Gewinnung einer wahrheitsgemäßen, in späteren Verfahrensabschnitten verwertbaren Aussage, so kann eine Gefährdung dieses Erfolgs nur aus Umständen resultieren, die geeignet sind, das durch die Zeugenvernehmung erst noch zu gewinnende Beweisergebnis zu beeinflussen. Bei der Beeinträchtigung von Ermittlungshandlungen, weiche an eine abgeschlossene richterliche Zeugenvernehmung anknüpfen und ihr nachfolgen, ist dies notwendigerweise ausgeschlossen. Denn mit Abschluß der Vernehmung steht das hierdurch gewonnene Beweisergebnis für das weitere Verfahren fest. Damit ist zugleich der in § 168 c Abs. 5 Satz 2 StPO auf die konkrete richterliche Untersuchungshandlung bezogene Untersuchungserfolg endgültig eingetreten. Dieser kann nachträglich nicht mehr gefährdet werden.

Die vom Ermittlungsrichter befürchteten Einwirkungen Dritter auf den Zeugen K. kommen als Grundlage für ein Unterbleiben der Benachrichtigung des Verteidigers gleichfalls nicht in Betracht. Für derartige Einwirkungen, die erst im Anschluß an die richterliche Zeugenvernehmung erwartet werden, folgt dies schon daraus, daß der mit Abschluß der Vernehmung endgültig verwirklichte Untersuchungserfolg durch spätere Vereitelungsbemühungen nicht mehr berührt wird. Sofern der Ermittlungsrichter die Annahme einer Gefahrenlage auf noch im Vorfeld der Vernehmung drohende Vereitelungshandlungen Dritter stützen wollte, tragen seine Erwägungen den hier gegebenen besonderen Umständen nicht hinreichend Rechnung. Die Entscheidung über die Benachrichtigung der Verteidiger erfolgte zu Beginn des Vernehmungstermins, als der Zeuge bereits zur Vernehmung erschienen war. Da dieser sich somit gleichsam in Obhut der Ermittlungsbehörden befand, war eine Beeinflussung des Zeugen durch Dritte vor der Vernehmung praktisch ausgeschlossen. Einwirkungen durch die Verteidiger während der richterlichen Vernehmung selbst für die im übrigen keinerlei konkreten Anhaltspunkte vorlagen - hat der Ermittlungsrichter ersichtlich nicht in Betracht gezogen. Bei dieser Sachlage wäre angesichts des hohen Stellenwerts, den die Vorschrift des § 168 c StPO den Anwesenheitsrechten der Verfahrensbeteiligten einräumt, jedenfalls zu erwägen gewesen, ob nicht durch eine telefonische Benachrichtigung des Verteidigers und ein für alle Verfahrensbeteiligten zumutbares Zuwarten mit dem Vernehmungsbeginn die Teilnahme der Verteidigung an der Vernehmung ohne Gefährdung des Untersuchungserfolgs hätte ermöglicht werden können. Dies hat der Ermittlungsrichter ermessensfehlerhaft unterlassen.

Nichts anderes gilt schließlich für den Hinweis des Ermittlungsrichters auf die vom Zeugen in den folgenden Tagen beabsichtigte Türkeireise. Auch insoweit hätte zumindest die Möglichkeit einer kurzfristigen Verschiebung der Vernehmung um ein bis zwei Stunden bei gleichzeitiger telefonischer Benachrichtigung der Verteidigung einer näheren Erörterung bedurft.

c) Da die Annahme einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs rechtlicher Überprüfung nicht standhält, durfte die demnach unter Verletzung der Benachrichtigungspflicht des § 168 c Abs. 5 Satz 1 StPO gewonnene Aussage des Zeugen K. in der Hauptverhandlung gegen den Widerspruch des Verteidigers nicht verwertet werden. Soweit der Angeklagte in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, beruht das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß, weil die Strafkammer ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten S. in diesen Fällen entscheidend auf die durch die Aussage des Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführten Bekundungen des Zeugen K in seiner richterlichen Vernehmung vom 13. Februar 1997 stützt.

2. Die Revision des Angeklagten Y.

Die erhobenen Verfahrensrügen genügen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig. Soweit der Angeklagte die Verwertung der richterlichen Vernehmung des Zeugen K. vom 13. Februar 1997 beanstandet, fehlt die Mitteilung, daß der Verteidiger der Vernehmung des Ermittlungsrichters in der Hauptverhandlung widersprochen hat.

Die Sachbeschwerde des Angeklagten Y. führt zu einer Schuldspruchänderung im Fall 3 der Urteilsgründe sowie zu einer Teilaufhebung des Strafausspruchs.

a) Nach den zu Fall 3 getroffenen Feststellungen betraten der Angeklagte und der gesondert verurteilte T. die Filiale einer Bank, um sich Geld zu beschaffen. Nach dem Tatplan sollte der Kassierer durch Einsatz einer ungeladenen Gaspistole dazu veranlaßt werden, ihnen entweder aus Angst um das eigene Leben oder um das von Bankkunden Geld auszuhändigen. Während der Angeklagte im Eingangsbereich die ungeladene Gaspistole aus einer Entfernung von ca. 2,5 m zeitweise auf einen 71-jährigen Bankkunden richtete, der den sich anbahnenden Oberfall frühzeitig bemerkt und sich daraufhin auf einen Stuhl in der Ecke des Kundenraums gesetzt hafte, begab sich T. zum Kassenschalter, wo er einen Jutebeutel durch die Durchreiche schob. Der Kassierer, der die Bedrohung des Bankkunden mit der für echt gehaltenen Waffe - anders als der Kunde selbst erkannte, nahm aus Angst um dessen Leben sämtliche Banknoten, insgesamt 15.000 DM, aus der Zahlschublade und stopfte sie in den Beutel. Mit der Beute flüchteten der Angeklagte und T. sodann aus der Bank.

Bei dieser Sachlage hat der Angeklagte mittäterschaftlich handelnd nicht nur - wie vom Landgericht angenommen - eine schwere räuberische Erpressung begangen, sondern darüber hinaus tateinheitlich auch den Tatbestand des erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239 a Abs. 1 StGB verwirklicht. Ein Sichbemächtigen im Sinne des § 239 a Abs. 1 StGB liegt vor, wenn der Täter die physische Herrschaft über einen anderen er langt, wobei weder eine Ortsänderung erforderlich ist, noch der Tatbestand der Freiheitsberaubung erfüllt sein muß (BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5). Dies ist auch in der Weise möglich, daß das Opfer über eine größere Distanz mit einer scheinbar echten Schußwaffe bedroht und derart in Schach gehalten wird, daß es an einer freien Bestimmung über sich selbst gehindert ist (BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 1 und 3; BGH NStZ 1986, 166). So lag der Fall hier. Daß der Bankkunde die Bedrohung mit der Waffe selbst nicht wahrnahm, ist für die Annahme eines erpresserischen Menschenraubs ohne Bedeutung (BGH GA 1975, 53; BGH NStZ 1985, 455 zu § 239 b StGB). Der Senat hat dem Antrag des Generalbundesanwalts entsprechend den Schuldspruch insoweit geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der geänderte Schuldspruch mit der rechtlichen Würdigung in der zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage übereinstimmt.

b) Der Einzelstrafausspruch im Fall 3 der Urteilsgründe kann wegen der Rechtsänderung durch das am 1. April 1998 in Kraft getretene Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts nicht bestehen bleiben (§ 354 a StPO). Auf der Grundlage des zur Tatzeit geltenden Rechts hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei die Annahme eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 2 StGB a.F. abgelehnt und die Einzelstrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe dem § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. entnommen. Nach der Neugestaltung des § 250 StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts erfüllt die festgestellte Tathandlung, da eine als Drohmittel eingesetzte ungeladene Gaspistole nicht als Waffe oder anderes gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 StGB n.F. anzusehen ist, lediglich den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB n.F. (BGHSt 44, 103; BGH StV 1998, 487; BGH NStZ 1998, 567). Diese Vorschrift ist wegen der niedrigeren Mindeststrafe - drei Jahre statt fünf Jahre - im Verhältnis zum alten Recht das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB.

Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann sich die Neuregelung des § 250 StGB trotz des tateinheitlich verwirklichten erpresserischen Menschenraubs bei der Bemessung der Einzelstrafe zugunsten des Angeklagten auswirken. Zwar sieht § 239 a Abs. 1 StGB als Normalstrafrahmen für den erpresserischen Menschenraub Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren vor und enthält daher dieselbe Strafandrohung wie der von der Strafkammer angewandte § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F.. Das Landgericht hat jedoch - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob ein minder schwerer Fall des erpresserischen Menschenraubs nach § 239 a Abs. 2 StGB in Betracht kommt, für den das Gesetz einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe eröffnet. Angesichts der festgestellten Tatumstände kann der Senat die Annahme eines minder schweren Falls des erpresserischen Menschenraubs nicht völlig ausschließen. Nach der Regelung des § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB wäre in diesem Fall die Einzelstrafe dem neugefaßten § 250 StGB zu entnehmen. Dies hätte, da die Strafkammer die Mindeststrafe des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. verhängt hat, möglicherweise eine niedrigere Einzelstrafe zur Folge. Insoweit bedarf es einer erneuten tatrichterlichen Strafzumessung.

Die Aufhebung der Einzelstrafe führt zum Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe. Die dem Strafausspruch zugrundeliegenden Feststellungen können bestehen bleiben, ohne daß dies ihre Ergänzung ausschließt.

3. Die Revision des Angeklagten E.

Das Rechtsmittel des Angeklagten E. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte E. sich gegen die Verwertung des Ergebnisses der richterlichen Vernehmung des Zeugen K. vom 13. Februar 1997 wendet, bleibt erfolglos, weil die Verurteilung des Angeklagten auf diesem Verfahrensfehler nicht beruht. Die Strafkammer stützt ihre Überzeugung von der Tatbeteiligung des Angeklagten im Fall 4 der Urteilsgründe im wesentlichen auf ein vom Mitangeklagten Y. im Verlaufe des Ermittlungsverfahrens abgelegtes Geständnis, das durch die Beobachtungen zweier Zeugen über die Flucht der Täter und in Teilbereichen durch die Teilgeständnisse der weiteren Mitangeklagten S. und T. in der Hauptverhandlung bestätigt worden ist. Demgegenüber werden die verschiedenen Bekundungen des Zeugen K. einschließlich seiner Aussage vor dem Ermittlungsrichter am 13. Februar 1997 in den Urteilsausführungen zur Beweiswürdigung im Fall 4 in keiner Weise erwähnt. Der Senat schließt daher aus, daß sich die durch Vernehmung des. Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Zeugen K. bei der Beweiswürdigung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt haben.

Externe Fundstellen: NJW 1999, 3133; NStZ 1999, 417; StV 1999, 357

Bearbeiter: Karsten Gaede