Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 598/98, Urteil v. 03.03.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 25. Mai 1998 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zu gehörigen Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. In der Republik Kroatien erlittene Auslieferungshaft hat es im Maßstab 1:1 angerechnet, eine Selbstladepistole eingezogen.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revision des Angeklagten, der die Sachrüge erhebt, und die der Staatsanwaltschaft, die sich mit der Sachrüge nur gegen den Rechtsfolgenausspruch wendet.
Beide Rechtsmittel haben Erfolg.
Nach den Feststellungen unterhielt der Angeklagte zum Nebenkläger S. Geschäftsbeziehungen, in deren Rahmen Forderungen des Angeklagten entstanden, die er mit 328.787,59 DM errechnet hatte, mit deren, Bezahlung er aber über längere Zeit hingehalten wurde. Am 30. Januar 1997 kam es zu einem Treffen mit dem Nebenkläger an der Autobahnausfahrt Apolda. Der Angeklagte führte im Fahrzeug eine Pistole des Kalibers 35 mit sechs Patronen mit sich. Eine weitere Selbstladepistole 7,65 mm mit Schalldämpfer und eine Eierhandgranate steckte er in seine Jacke, als er am Treffpunkt zum Nebenkläger in dessen Fahrzeug stieg. Dort sprach der Angeklagte diesen wegen der Bezahlung der Schulden an, er wollte Geld oder Sicherheiten. Der Nebenkläger fragte den Angeklagten, wie er denn darauf komme, daß er von ihm überhaupt noch Geld zu bekommen habe. Er rate ihm, das Geld einfach abzuschreiben. Darüber war der Angeklagte sehr aufgebracht, er antwortete: "So läuft die Kuh nicht. Ich will Sicherheit, daß ich zu Kohle komme, ich will Wechsel oder Schecks." Im Laufe der Auseinandersetzung forderte der Angeklagte den Nebenkläger dann mit vorgehaltener Waffe auf, Wechsel in Höhe von 300.000,- DM auszustellen, "wobei ihm klar war, daß er gegen S. keinerlei Anspruch auf die Ausstellung von Wechseln hatte". Als dieser sich weigerte, kam es zu einem Handgemenge. Dabei drückte der Angeklagte auf den Abzug der Pistole, so daß sich ein Schuß löste, der die Seitenscheibe durchschlug. In schneller Folge gab er dann fünf weitere Schüsse auf den Nebenkläger ab, die diesen erheblich verletzten. Trotzdem konnte dieser fliehen.
1. Revision des Angeklagten
Der Schuldspruch wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung (in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Urteilsgründe belegen nicht ausreichend, daß der Angeklagte die Absicht hatte, sich rechtswidrig zu bereichern.
Zu Unrecht bereichern will sich derjenige, der einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er keinen rechtlich begründeten Anspruch hat. Keinen rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebt derjenige, der einen fälligen Anspruch mit Nötigungsmitteln durchsetzen will (vgl. BGHSt 3, 160; 20, 136, 137; BGH NStZ 1988, 216; BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 7).
Das Landgericht hat festgestellt, daß der Angeklagte überzeugt war, gegen den Nebenkläger eine Forderung von mehr als 300.000,- DM zu besitzen. Ob fällige Forderungen tatsächlich in der behaupteten Höhe bestanden, konnte offenbleiben. Wollte der Angeklagte nur die Begleichung vermeintlicher Forderungen mit Gewalt durchsetzen, so unterlag er hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Bereicherung einem Tatbestandsirrtum (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. BGHSt 4, 105; 17, 87 ff.; 20, 136; 32, 88, 91 f.; BGH, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 2, 6 und 7; BGH NStZ 1998, 299; BGH, Urt. v. 16. Dezember 1997 - 1 StR 456/97 = NStZ-RR 1999, 6).
Der Angeklagte wollte allerdings nicht nur die Bezahlung der Geldschulden, da er, als er feststellen mußte, daß er kein Geld erhalten würde, die Ausstellung von Wechseln in Höhe der geschuldeten Beträge verlangte. Insoweit kann er in der Absicht gehandelt haben, sich zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Er kann eine Bereicherung als Vermögensvorteil, d.h. eine günstigere Gestaltung der Vermögenslage im Sinne einer Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens erstrebt haben (BGHR StGB § 253 Bereicherungsabsicht 1 = NStZ 1989, 22 ). Der Angeklagte hätte durch die Wechsel einen - zusätzlichen - Vermögensvorteil erlangt, auf den er nach den vertraglichen Beziehungen keinen Anspruch hatte. Bei der Wechselschuld handelt es sich um eine vom Schuldgrund losgelöste Verpflichtung, aufgrund deren der Wechselgläubiger eine gesicherte Stellung innehat, die der Wechselschuldner nur durch bestimmte Einwendungen zu Fall bringen kann (vgl. Art. 17 WG). Die Wechselverpflichtung hätte also unabhängig von den Ansprüchen aus den sonstigen Vertragsbeziehungen eigene Rechte und damit eine zweite selbständige Verbindlichkeit des Nebenklägers begründet.
Der Angeklagte hätte sich vor allem auch die Möglichkeit geschaffen, den Wechsel weiterzugeben und dadurch Geldmittel zu verschaffen. Den Abwehrmöglichkeiten des Nebenklägers gegen den Wechselanspruch wäre dann auf Grund der Regelungen des Wechselgesetzes enge Grenzen gesetzt.
Mit der Ausstellung von Wechseln wäre deshalb dessen Vermögen zusätzlich beeinträchtigt worden. Die Rechtsposition des Angeklagten wäre verbessert worden, während sich die des Nebenklägers wirtschaftlich nachteiliger gestaltet hätte (vgl. zur Vermögensschädigung bei Hingabe eines Wechsels: RGSt 66, 409 ff.; differenzierend BayObLGSt 1955, 3 ff.). Ging es dem Angeklagten darum, sich mit seinem Vorgehen einen solchen zusätzlichen Anspruch zu verschaffen, auf den er - wie er nach den Feststellungen des Landgerichts wußte - keinen Anspruch hatte, dann könnte er in der Absicht rechtswidriger Bereicherung gehandelt haben.
Anders wäre es, wenn er nur eine Verbesserung seiner Beweissituation suchte (vgl. dazu Cramer in Schönke-Schröder, StGB 25. Aufl. - § 263 Rdn. 146 und 147; bei Ausstellung eines Schuldscheins: BGHSt 20, 136 ff.; 34, 394 ff.; bei schriftlichem Schuldversprechen: BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 5). Die erstrebte Beweissituation würde zwar nach der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGHSt 3, 160 ff.; 20, 136 ff.) möglicherweise wegen der besseren rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeit des Anspruches letztendlich eine Beeinträchtigung des Vermögens des Tatopfers bedeuten, das würde den erstrebten Vermögensvorteil aber nicht rechtswidrig im Sinne von § 253 StGB machen.
War also letztendlich Ziel des Handelns des Angeklagten, den Nebenkläger zur Begleichung seiner Schulden zu bewegen und sollten die Wechsel dabei nur die Durchsetzung der Forderung in der angegebenen Höhe erleichtern, indem sie für ihn eine Art Sicherheit bedeuteten, würde es an der Bereicherungsabsicht des Angeklagten fehlen (vgl. dazu BGH NStZ 88, 216 = BGHR StGB § 253 Abs. 1 - Vermögensschaden 4; BGH VRS 42, 110, 112). Unerheblich wäre dann, ob der Angeklagte erkannte, daß er mit den Wechseln einen zusätzlichen rechtswidrigen Vermögensvorteil im oben genannten Sinne erlangte. Mit Bereicherungsabsicht handelt ein Täter nämlich nur dann, wenn er den ihm objektiv zuwachsenden Vermögensvorteil anstrebt; es reicht nicht aus, daß er ihn als Folge seines Handelns voraussieht (vgl. BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 3 und 5; BGH, Beschl. v. 30. September 1997 4 StR 335/97).
An diesen Maßstäben hat sich das Landgericht ersichtlich nicht orientiert.
Wie aus den Urteilsgründen (UA S. 30) zu entnehmen ist, lastet es dem Angeklagten an, mit der Wechselhingabe ein wirtschaftliches Mehr an Durchsetzbarkeit seiner geltend gemachten Forderung - in seinen Worten "Sicherheiten" - zu erlangen. Das genügt aber nicht für die Absicht, sich zu Unrecht zu bereichern.
Nicht ausreichend ist entgegen der Meinung des Landgerichts auch (UA S. 30), daß "dem Angeklagten klar war, daß diese Bereicherung (durch die Wechsel) zu Unrecht geschehen sollte", weil Ihm unmittelbar vor der Tat von S. eindringlich vor Augen geführt worden war, daß er auf dem ordentlichen Klageweg seine Forderungen nicht ohne weiteres so rechtzeitig würde durchsetzen können, daß er "seine Schulden zahlen könnte" und daß "nur noch ein Wechsel Sicherheit bieten konnte, auf dessen Ausstellung er, wie er wußte, keinen Anspruch hatte". Diese Feststellungen belegen nämlich nicht, daß der Angeklagte einen mit dem Erhalt der Wechsel verbundenen weiteren rechtswidrigen Vermögensvorteil erstrebte.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß der neue Tatrichter ergänzende, eine rechtswidrige Bereicherungsabsicht des Angeklagten begründende Tatsachen feststellen wird. Die Sache muß deshalb nochmals verhandelt werden. Da die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 GVG nicht mehr vorliegen, hat der Senat die Sache an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Revision der Staatsanwaltschaft
Auch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Die Schwurgerichtskammer hat ihrer Entscheidung den Strafrahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB in der Fassung des am 1. April 1998 in Kraft getretenen Sechsten Gesetzes zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. 1164) zugrunde gelegt und ist deshalb hinsichtlich des Schuldspruchs wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung von einem Strafrahmen von 3 bis 15 Jahren ausgegangen (UA S. 27 und 35136). Dies ist rechtsfehlerhaft.
Die vom Landgericht festgestellte Tat verwirklicht, da der Angeklagte bei der Tat eine Waffe verwendete, - in der Versuchsform - den Tatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. und des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F., nicht aber nur denjenigen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB n.F. Bei dieser Fallgestaltung ist § 250 StGB n.F. dann aber gegenüber § 250 StGB a.F. nicht das mildere Gesetz, da die beiden Gesetzesfassungen übereinstimmend einen Strafrahmen von 5 bis 15 Jahren vorsehen. Bei einer erneuten Verurteilung auch wegen schwerer räuberischer Erpressung müßte deshalb auf dieser Grundlage über die Strafe entschieden werden.
Externe Fundstellen: StV 2000, 78
Bearbeiter: Karsten Gaede