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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 545/96, Beschluss v. 16.07.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 545/96 - Beschluss vom 16. Juli 1997 (LG Köln)

BGHSt 43, 146; keine ausdrückliche Freistellung von Kosten, die Dritten auferlegt wurden, in der Kostenentscheidung gegen den Angeklagten; Auferlegung von Kosten auf einen ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht zur Hauptverhandlung erscheint.

§ 51 Abs. 1 S 1 StPO; § 464 StPO

Leitsatz

Es ist nicht erforderlich, den Angeklagten von dem Teil der Kosten, die durch gesonderten Beschluss einem Dritten auferlegt worden sind, in der Kostenentscheidung des gegen ihn ergehenden Urteils ausdrücklich freizustellen (Aufgabe BGH, 1957-01-03, 4 StR 410/56, BGHSt 10, 126). (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Köln vom 21. Mai 1996 wird als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Beschwerdeführer und den Mitangeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen und in die Kosten des Verfahrens verurteilt. Mit Beschluß vom selben Tage hat es mehreren Zeugen die Kosten auferlegt, die durch ihr Ausbleiben an einem Hauptverhandlungstag entstanden waren. Der Beschwerdeführer hat neben der Revision, die der Senat durch Beschluß nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat, sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung eingelegt und beantragt, sie dahin abzuändern, daß den Zeugen die durch ihr Nichterscheinen entstandenen Kosten und seine insoweit entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt werden.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Der Angeklagte ist durch die Kostenentscheidung nicht beschwert, da die Kostentragungspflicht der Zeugen durch gesonderten Beschluß festgestellt worden ist.

1. Ob die Kostenentscheidung des den Angeklagten mit den Kosten des Verfahrens belastenden Urteils eine Einschränkung für den Fall enthalten muß, daß ein Dritter verpflichtet ist, einen Teil der Verfahrenskosten zu tragen (§§ 51 Abs. 1 Satz 1, 70 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 1 Satz 1, 81 c Abs. 6 Satz 1, 138 c Abs. 6 Satz 1, 145 Abs. 4, 161 a Abs. 2 Satz 1 StPO, § 56 Abs. 1 Satz 2 GVG), ist allerdings streitig. Hatte das Reichsgericht zunächst noch entschieden, daß die Kostentragungspflicht des Dritten nur im Kosteneinziehungsverfahren zu berücksichtigen ist (RG JW 1895, 97), in einer späteren Entscheidung aber gefordert, daß die Einschränkung der Kostenbelastung des Angeklagten sich mindestens aus den Urteilsgründen ergeben müsse (RG DJZ 1909, 148), wurde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Freistellung von diesen Kosten in der Kostenentscheidung selbst für erforderlich gehalten, da nur so die Gefahr einer Vollstreckung aus dem den Angeklagten zu Unrecht belastenden Kostenausspruch mit Sicherheit beseitigt werden könne (BGHSt 10, 126 f.).

Dieser Rechtsprechung ist die Praxis ganz überwiegend nicht gefolgt (vgl. LG Göttingen NJW 1967, 2171; LG Aachen NStE StPO § 465 Nr. 7; OLG Celle AnwBl. 1988, 655 ebenso zuvor schon OLG Hamm NJW 1956, 1935). Auch der Bundesgerichtshof hat in dem vergleichbaren Fall des § 469 StPO eine Einschränkung der Kostenentscheidung im Urteil nicht für erforderlich erachtet (Beschl. v. 19. April 1988 - 1 StR 76/88). Die Auffassungen im Schrifttum sind geteilt. Schimansky (in KK StPO 3. Aufl. § 465 Rdn. 3) hält eine Einschränkung der Kostenentscheidung für diesen Teil der Verfahrenskosten nicht für erforderlich, weil sich der Haftungsumfang aus dem selbständigen Kostenbeschluß ergibt. Hilger (in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 465 Rdn. 12) hat demgegenüber gegen die unbeschränkte Kostenbelastung des Angeklagten im Kostenausspruch des Urteils Bedenken; Schwierigkeiten, welche durch eine nachträgliche Aufhebung des besonderen Kostenbeschlusses entstehen können, will er durch eine Bezugnahme auf diesen Beschluß in der Kostenentscheidung begegnen. Weitgehend Einigkeit besteht aber darüber, daß der Angeklagte die einem Dritten auferlegten Kosten auch dann nicht zu tragen hat, wenn der Kostenausspruch des Urteils eine Einschränkung nicht enthält (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 43. Aufl. § 465 Rdn. 4, § 467 Rdn. 2; Paulus in KMR StPO § 465 Rdn. 6; siehe dazu auch Gode NStZ 1989, 255).

2. Es ist nicht erforderlich, den Angeklagten von dem Teil der Kosten, die durch gesonderten Beschluß einem Dritten auferlegt worden sind, in der Kostenentscheidung des gegen ihn ergehenden Urteils ausdrücklich freizustellen.

Die Kostentragungspflicht des Dritten ergibt sich nicht aus der Kostenentscheidung des Urteils gegen den Angeklagten, sondern allein aus dem Gerichtsbeschluß, in dem ihm die Kosten auferlegt werden. Dieser Gerichtsbeschluß, der unabhängig vom Bestand des Urteils ist, berührt aber nicht nur die Rechtsstellung des Dritten, sondern auch die des Angeklagten, der gegen die Ablehnung eines solchen Gerichtsbeschlusses Beschwerde einlegen kann und auch im Beschwerdeverfahren des Dritten anzuhören ist (vgl. BayVerfGH JR 1966, 195 f.). Der Umfang der Kostenbelastung des Angeklagten ist von dem Bestand dieses Gerichtsbeschlusses abhängig. Die in dem Gerichtsbeschluß geregelte Kostenfolge tritt mithin neben die Kostenentscheidung des Urteils und ergänzt sie. Der Kostenausspruch des Urteils gegen den Angeklagten enthält danach schon die Beschränkung auf die Verfahrenskosten, die nicht durch einen Gerichtsbeschluß einem Dritten auferlegt worden sind. Einer ausdrücklichen Freistellung von diesen Kosten in der Kostenentscheidung käme nur deklaratorische Bedeutung zu, sie änderte nicht die materiell-rechtliche Kostenfolge. Nicht anders ist insoweit auch die Entscheidung in BGHSt 10, 126 f. zu verstehen. Abweichend von dieser Entscheidung hält der Senat die Einschränkung des Kostenausspruchs des Urteils aber auch nicht im Hinblick auf eine sonst bestehende Gefahr einer zu weit gehenden Vollstreckung gegen den Angeklagten für erforderlich. Nach Auffassung des Senats ist diese Gefahr als gering einzuschätzen. Das Urteil ist durch die Zwischenschaltung des Kostenansatz- und Kostenfestsetzungsverfahrens nicht unmittelbarer Vollstreckungstitel. In beiden Verfahren sind aber die sich ergänzenden Kostengrundentscheidungen zu berücksichtigen. Ersichtlich haben sich auch bei dieser in der Praxis seit Jahrzehnten geübten Verfahrensweise keine ernsthaften Schwierigkeiten ergeben.

Der 4. Strafsenat hat mitgeteilt, daß er an seiner Entscheidung BGHSt 10, 126 nicht festhalte.

Externe Fundstellen: BGHSt 43, 146; NJW 1997, 2963

Bearbeiter: Rocco Beck