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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 339/96, Urteil v. 06.06.1997, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 2 StR 339/96 - Urteil vom 6. Juni 1997 (LG Frankfurt/Main)

BGHSt 43, 219; umweltgefährdende Abfallbeseitigung (Abfallbegriff; Anwendung des europäischen Abfallrechts; Entledigung wegen Wertlosigkeit; Weiterverwendung als Wirtschaftsgut).

§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB

Leitsätze

1. Zur umweltgefährdenden Beseitigung PCB-belasteter Shredderrückstände nach inländischem Recht und Europäischem Gemeinschaftsrecht. (BGHSt)

2. Die Einstufung als Abfall ist auch dann möglich, wenn ein Stoff nach seiner Entsorgung wiederverwendet oder weiterverarbeitet werden kann, solange der Besitzer sich seiner entledigen will, weil er für ihn wertlos geworden ist. Anders liegt der Sachverhalt nur, wenn sich der Besitzer von einem Stoff nicht nur befreien will, weil er für ihn wertlos ist, sondern dieser zugleich als Wirtschaftsgut neuen Aufgaben dienen soll. (Bearbeiter)

3. Der strafrechtliche Abfallbegriff ist in Anlehnung an den verwaltungsrechtlichen Abfallbegriff selbständig zu bestimmen (BGHSt 37, 21, 24; 333, 335). (Bearbeiter)

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. Dezember 1995 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten Dr. T. wegen vorsätzlicher umweltgefährdender Abfallbeseitigung in neun Fällen und vorsätzlichen unerlaubten Betreibens einer Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 500 DM verurteilt. Außerdem wurde ihm für die Dauer von fünf Jahren verboten, auf dem Gebiet der Shredder- und Recyclingindustrie, insbesondere der Wiederaufarbeitung von Metallschrott, eine Tätigkeit auszuüben.

Den Angeklagten M.T. hat das Landgericht wegen vorsätzlicher umweltgefährdender Abfallbeseitigung in fünf Fällen, wegen fahrlässiger umweltgefährdender Abfallbeseitigung in drei Fällen sowie wegen unerlaubten Betreibens einer Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Bewährung und einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 100 DM verurteilt. Wegen eines weiteren Tatvorwurfs wurden beide Angeklagte freigesprochen.

Die Angeklagten rügen mit ihren Revisionen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Ihre Rechtsmittel bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Die von beiden Beschwerdeführern gleichlautend erhobenen Verfahrensrügen sind offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Näherer Erörterung bedürfen lediglich die Sachrügen.

II.

Die Angeklagten waren Geschäftsführer der Firma E. GmbH & Co. KG in F.. Der Angeklagte Dr. T. gehörte der Geschäftsführung seit 1975 an. Sein Sohn, der Angeklagte M.T., wurde am 18. September 1990 zum Mitgeschäftsführer bestellt. Die Firma E. befaßte sich mit der Aufbereitung von Altstoffen, indem sie Rückstände aus Shredderbetrieben weiter nach Wertstoffen sortierte. Eingangsmaterial der Shredderbetriebe sind im wesentlichen Fahrzeugkarossen und Industriemaschinen, aber auch Elektro- und Haushaltsgeräte. Schadstoffbelastete Teile wurden im Tatzeitraum von den Lieferanten der E. nicht generell ausgesondert. Daher gelangten auch schadstoffbelastete Teile in die Shredder, u.a. auch stark mit polychlorierten Biphenylen (PCB) belastete Kondensatoren, Transformatoren, Dichtungsmaterialien und Auspuffsysteme. Von dem Eingangsmaterial wird nach der Zerkleinerung zunächst das leichte und flugfähige Material ("Shredderleichtfraktion") ausgesondert, das wirtschaftlich nicht verwertbar und hoch schadstoffbelastet ist. Aus dem verbleibenden "Schwergut" werden eisenhaltige Materialien aussortiert. Das übrige Schwergut wird entweder entsorgt oder an Verwertungsbetriebe wie E. weiter gegeben. Bei E. fand keine Eingangskontrolle auf eine mögliche Schadstoffbelastung der gelieferten Shredderrückstände statt. Der Firmenleitung war aber bekannt, daß diese wegen des unkontrollierten Eingangsmaterials der Shredderbetriebe erheblich schadstoffbelastet sein konnten, insbesondere mit PCB. In der mehrstufigen Aufbereitungsanlage fielen bei E. verschiedenartige Rückstände an, die aufgrund des Eingangsmaterials erheblich mit Schadstoffen belastet waren. Proben der "Feinabsiebungen" ergaben eine Schwermetallbelastung (bis zu 13.700 mg/kg Blei und 217 mg/kg Cadmium), 84 mg/kg polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und 23,5 mg/kg PCB. Proben von Gummischutt ergaben einen Gehalt von bis zu 80 mg/kg PCB und bis zu 29.300 mg/kg Kohlenwasserstoffe.

Trotz der erheblichen Schadstoffbelastung der Shredderrückstände unterlag die Firma E. zunächst dem Anschluß und Benutzungszwang der Stadt Frankfurt am Main und konnte die bei ihr anfallenden Rückstände - mit Ausnahme von Schlämmen aus der firmeneigenen Wasseraufbereitungsanlage - auf der als Hausmülldeponie ausgelegten Deponie B. entsorgen. Die Höhe Schadstoffbelastung der Shredderrückstände der Firma E. war den zuständigen Behörden bis dahin entweder nicht bekannt oder sie hatten sie nicht hinreichend bedacht. Im Mai 1990 wurde die Deponie geschlossen, weil ihre Aufnahmekapazität erschöpft war. Die Stadt Frankfurt am Main schloß deshalb die Firma E. ab 20. Mai 1990 von der Entsorgung aus und verwies sie an den für die Abfallentsorgung zuständigen Umlandverband Frankfurt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Hessisches Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz i.d.F. v. 6. Juni 1989 GVBl. I S. 137 - HAbfAG 1989).

Im Juni 1990 untersuchte das Institut Fr. auf Veranlassung des Regierungspräsidiums D. die Shreddermaterialien bei der Firma E.. Proben ergaben eine Höhe PCB Belastung des Materials, die den allgemein noch für akzeptabel gehaltenen Wert von 50 mg/kg deutlich überschritt. Die Hessische Landesanstalt für Umwelt übermittelte diesen Befund dem Regierungspräsidium D. und teilte als technische Fachbehörde mit, daß die Shredderrückstände als Abfall der Kategorie II zu werten seien. Mit Bescheid vom 17. Juli 1990 teilte das Regierungspräsidium D. der Firma E. mit:

Mit dem o.g. Schreiben haben Sie mich über die Probennahme und Untersuchung Ihrer Shredderrückstände durch das Institut Fr. informiert. Die Untersuchungsergebnisse liegen inzwischen vor. Nach Überprüfung dieser Ergebnisse durch die Hessische Landesanstalt für Umwelt sind die Shredderrückstände Ihres Betriebes aufgrund des Gehalts an polychlorierten Biphenylen als Abfall der Kategorie II zu werten und der H.I. GmbH zur Entsorgung anzudienen ... ".

E. trat diesem Bescheid nicht entgegen, er wurde bestandskräftig. Die bei der Entsorgung über die H.I. GmbH (H. ) anfallenden Kosten waren mit 400 bis 500 DM/t so hoch, daß sie für E. wirtschaftlich nicht zu vertreten waren. Zudem zeichnete sich ab, daß die H. nicht sofort die Höhe Menge der Abfälle entsorgen konnte. Die Verantwortlichen bei E. nahmen den Bescheid des Regierungspräsidiums vom 17. Juli 1990 dennoch hin, weil sie sich bereits entschlossen hatten, ihre Abfälle ganz den abfallrechtlichen Regelungen zu entziehen, indem sie die anfallenden Rückstände fälschlich als Wirtschaftsgut deklarierten und anderen Unternehmen überließen. Im einzelnen werden den Angeklagten folgende Sachverhalte angelastet:

Fall 1: Die in der firmeneigenen Wasseraufbereitungsanlage anfallenden "Schlammfilterkuchen" waren bereits mit Bescheid des Regierungspräsidiums D. vom 12. August 1986 wegen ihrer Höhen Schadstoffbelastung als Abfall der Kategorie II eingestuft worden und waren als Sonderabfall bei der H. zu entsorgen. Um die Höhen Entsorgungskosten zu sparen, wurden mit Wissen und Billigung des Angeklagten Dr. T. von August 1986 bis Mai 1990 mindestens 350 t Schlammfilterkuchen mit einer PCB-Belastung von 344,5 mg/kg und mehr unter andere Rückstände gemischt, die auf der Hausmülldeponie B. entsorgt werden konnten.

Fälle 2 bis 5: Nach der Einstufung auch der übrigen Rückstände als Abfall der Kategorie II deklarierten die Verantwortlichen der E. Feinabsiebungen und Gummischutt als Wirtschaftsgut und überließen dieses Material anderen Unternehmen. Diese lagerten 16.500 t der Rückstände in Kiesgruben, 1.700 t in einem Silagebunker und 4.500 t auf Hausmülldeponien ab. Die schadstoffbelasteten Feinabsiebungen wurden unter anderem zur Verfüllung von Kiesgruben verwendet, die deshalb saniert werden mußten. Die Sanierungskosten im Fall der im Naturpark S. gelegenen Kiesgrube "L." betragen mehr als 16 Mio. DM.

Fall 6: Auf dem Betriebsgelände wurden von Mai bis Anfang September 1992 u.a. PCB-haltige Feinabsiebungen und Filterkuchen mit Gummi-Metall-Gemisch zu einer Gesamtmenge von 12.000 t Shredderrückständen vermischt. Ein Teil wurde nach Frankreich verbracht, der Rest verblieb auf dem Betriebsgelände.

Fälle 7 bis 9: E. nahm auch nicht mehr verwertbare Lieferungen von 1.500 t Shredderleichtfraktion, 371 t schadstoffbelastetem Kabelschrott und 1.077 t bleihaltige Waschsande an. Diese Stoffe wurden direkt auf dem Firmengelände mit anderen Rückständen vermischt und an unbekannt gebliebene Orte verbracht.

Fall 10: E. betrieb seit 1991 einen Aluminium-Shredder, den das Regierungspräsidium D. antragsgemäß genehmigt hatte. In ihrem Antrag hatten die bei E. Verantwortlichen bewußt wahrheitswidrig die Nennleistung des Rotorantriebs mit 490 kW angegeben, weil ihnen bekannt war, daß bis zu 500 kW kein förmliches Genehmigungsverfahren erforderlich war. Tatsächlich errichteten sie eine Shredderanlage mit einer Nennleistung von 740 kW, die sie auch nützen wollten.

III.

Die Schuldsprüche wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 StGB i.d.F. des 18. StrÄndG vom 28. März 1980 BGBl I S. 373) halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Erörterungsbedürftig sind aufgrund des Revisionsvorbringens insbesondere die Fälle 4 und 5 (1.). Dabei ist im Fall 4 der Schuldumfang geringfügig einzuschränken. In den übrigen Fällen sind die Sachrügen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzende Bemerkungen sind lediglich zu den Fällen 1 bis 3 erforderlich (2.).

1. Fälle 4 und 5:

Die Angeklagten haben sich in diesen Fällen wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung (§ 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.) strafbar gemacht, weil sie Abfälle der Firma E. die wegen ihrer Schadstoffbelastung geeignet waren, Umweltmedien zu verunreinigen, außerhalb einer zugelassenen Anlage beseitigt haben. Nach den Taten in Kraft getretenes inländisches Recht oder europäisches Gemeinschaftsrecht steht der Verurteilung nicht entgegen.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts stand für den bei der Firma E. anfallenden Gummischutt kein Entsorger mehr zur Verfügung. Die Firmenleitung entschloß sich deshalb, die Endsortierung des Gummi-Metall-Gemischs, bei der noch Aluminium gewonnen werden konnte, nicht mehr in der eigenen Anlage vorzunehmen, sondern von einem externen Partner, der seinerseits über eine Entsorgungsmöglichkeit auf einer Mülldeponie verfügte. Unter Beteiligung der Angeklagten wurden Abnahmeverträge mit den Firmen Sch. in Li. (Fall 4) und Fe. in W. (Fall 5) geschlossen, deren Verantwortlichen man die Höhe Schadstoffbelastung des Materials verschwieg. An diese Firmen wurden die Gummi-Metall-Gemische jeweils gegen eine Zuzahlung der E. geliefert. Zweck dieses Geschäfts war es auf Seiten von E. ausschließlich, sich der anfallenden Rückstände kostengünstig zu entledigen. Da die Firma Sch. nicht über eine Anlage für die ausgelagerte Endsortierung verfügte, verlegte E. die bisher selbst genutzte Linearmotorenanlage nach Li.. Mit dieser konnte aus dem gelieferten Gemisch noch Aluminium gewonnen und an E. veräußert werden. Die Firma Fe. war zu einer weiteren wirtschaftlichen Verwertung nicht in der Lage. Nur noch per Hand konnte das Material mit geringer Ausbeute nachsortiert werden.

b) Die an die Firmen Sch. und Fe. Gelieferten Gummi-Metall-Gemische waren Abfall im Sinne von § 326 StGB.

Der strafrechtliche Abfallbegriff ist in Anlehnung an den verwaltungsrechtlichen Abfallbegriff selbständig zu bestimmen (BGHSt 37, 21, 24; 333, 335). Grundlage hierfür war zur Tatzeit § 1 Abs. 1 Abfallgesetz vom 27. August 1986 (BGBl. I S. 1410 - AbfG 1986). Inzwischen hat er eine Neuregelung in § 3 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2705 - KrW-/AbfG) erfahren. In Anlehnung an § 1 Abs. 1 AbfG wird auch im strafrechtlichen Abfallbegriff nach Sachen unterschieden, deren sich der Besitzer entweder entledigen will ("gewillkürter Abfall" oder subjektiver Abfallbegriff) oder deren geordnete Entsorgung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit geboten ist ("Zwangsabfall" oder objektiver Abfallbegriff). Diese Definition hat § 3 KrW-/AbfG 1994 im wesentlichen beibehalten und bestimmt Abfall danach, ob sich der Besitzer seiner entledigt, entledigen will oder entledigen muß.

Der Abfalleigenschaft steht hier nicht entgegen, daß die überlassenen Gummi-Metall-Gemische noch einen geringen Aluminiumanteil enthielten, der von den Abnehmern zumindest teilweise aussortiert wurde. Die Einstufung als Abfall ist auch dann möglich, wenn ein Stoff nach seiner Entsorgung wiederverwendet oder weiterverarbeitet werden kann, solange der Besitzer sich seiner entledigen will, weil er für ihn wertlos geworden ist (BGHSt 37, 333, 335 f.).

Anders liegt der Sachverhalt nur, wenn sich der Besitzer von einem Stoff nicht nur befreien will, weil er für ihn wertlos ist, sondern dieser zugleich als Wirtschaftsgut neuen Aufgaben dienen soll (vgl. Steindorf in LK 10. Aufl. § 326 Rdn. 8; Sack, Umweltschutz-Strafrecht § 326 Rdn. 33; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht 1995 Rdn. 128; Horn in SK-StGB § 326 Rdn. 5). Auf letzteres kam es der Firmenleitung der E., wie die Strafkammer rechtsfehlerfrei festgestellt hat, aber nicht an. E. hatte kein Interesse an der künftigen Verwendung der abgegebenen Materialien. Es ging nur darum, die Stoffe möglichst kostengünstig loszuwerden. Wesentliches Indiz hierfür ist bereits, daß die Firma E. das im Gummi-Metall-Gemisch noch vorhandene Aluminium kostengünstiger selbst hätte ausbeuten können. Statt dessen hat sie ihren Abnehmern zunächst Zuzahlungen dafür geleistet, daß diese das Material überhaupt abnehmen, und ihnen dann das daraus gewonnene Aluminium wieder abgekauft. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob grundsätzlich gewillkürter Abfall vorliegt, wenn der Besitzer für die Entledigung zahlt (so zum Beispiel Horn a.a.O.; Seibert DVBl. 1994, 229, 235). Um Abfall handelt es sich jedenfalls dann, wenn die Verwertung durch andere - wie hier - nur vorgeschoben ist.

Da somit die Abfalleigenschaft der Gummi-Metall-Gemische feststeht, bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob dieses Material auch als "Zwangsabfall" anzusehen ist.

c) Die Abfälle wurden außerhalb einer zugelassenen Anlage beseitigt. Dadurch, daß das Landgericht nicht erörtert hat, ob die Abfälle auch außerhalb eines zugelassenen Verfahrens beseitigt wurden, weil die Andienungspflicht gegenüber der H. mißachtet wurde, sind die Angeklagten nicht beschwert.

(1) Die benutzten Hausmülldeponien Be. und Bu. waren für die Beseitigung des schadstoffbelasteten Gummischutts nicht zugelassen. Sie waren zwar behördlich genehmigt. Die Zulassung einer Anlage muß sich aber gerade auf die Art und Menge des zu beseitigenden Abfalls beziehen (vgl. Steindorf in LK 10. Aufl. § 326 Rdn. 5; Lenckner in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 326 Rdn. 12; Sack, Umweltschutz-Strafrecht § 326 Rdn. 214; Horn in SK-StGB § 326 Rdn. 20; Kloepfer/Vierhaus, Umweltstrafrecht 1995 Rdn. 134). Abfälle dürfen nur in artspezifischen, für die unschädliche Entsorgung gerade der betreffenden Abfallart technisch eingerichteten Anlagen beseitigt werden (Steindorf in Erbs/Kohlhaas § 4 AbfG Rdn. 2). Das war hier nicht der Fall. Dies ergibt sich nicht bereits daraus, daß die Deponien nur Abfälle aus ihrem jeweiligen Bezirk aufnehmen durften und der Gummischutt aus Frankfurt am Main stammte; denn § 326 StGB soll nicht die regionale Zuständigkeit von Abfallbeseitigungsanlagen sichern. Hausmülldeponien sind jedoch nur für Hausmüll und solche Abfälle zugelassen, die zusammen mit Hausmüll entsorgt werden können.

(2) Die auf die Deponien verbrachten Abfälle waren kein Hausmüll und solchem auch nicht gleichzustellen. Der Bescheid des Regierungspräsidiums vom 17. Juli 1990 (vgl. oben II.), mit dem angeordnet wurde, daß die Shredderrückstände als Abfall der Kategorie II zu behandeln und der H. anzudienen seien, ist als Verwaltungsakt rechtmäßig und bestandskräftig. Entgegen dem Vorbringen der Revisionen ist er weder nichtig, noch wurde er später zurückgenommen.

aa) Der Bescheid ist ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 HVwVfG. Er enthält die abfallrechtliche Regelung eines konkreten Einzelfalls durch das Regierungspräsidium mit unmittelbarer Außenwirkung. Die pauschale Begründung und das Fehlen der Angabe einer Rechtsgrundlage für die belastende Anordnung machen sie nicht unwirksam, zumal sie im Zusammenhang mit den begleitenden Verwaltungsvorgängen, insbesondere der Stellungnahme der Hessischen Landesanstalt für Umwelt und dem Untersuchungsbefund des Instituts Fr. gesehen werden muß. Auch die Rechtsbehelfsbelehrung ist nicht konstituierendes Merkmal eines Verwaltungsakts. Ihr Fehlen hat nur zur Folge, daß für den etwaigen Widerspruch eine Jahresfrist gilt (55 70, 58 Abs. 2 VwG0).

bb) Der Bescheid war rechtmäßig. Seine Rechtsgrundlage findet er in § 11 Abs. 1 HAbfAG 1989, der Polizeinorm des hessischen Abfallrechts. Danach hatte das Regierungspräsidium als zuständige Behörde (§ 25 Abs. 1 HAbfAG 1989) nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen auf dem Gebiet der Abfallentsorgung zu treffen, um Gefahren abzuwehren, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedrohten. Im vorliegenden Fall bestand die akute Gefahr, daß erheblich PCB-belastete Shredderrückstände der Firma E. in großen Mengen unkontrolliert auf Hausmülldeponien abgelagert wurden, obwohl diese Rückstände dort insbesondere wegen ihres PCB-Gehalts von mehr als 50 mg/kg eine Gefahr für die Umwelt (Boden und Gewässer) bildeten. 50 mg/kg waren nach den Feststellungen des Landgerichts die damals anerkannte Grenzmenge für eine hinnehmbare PCB-Belastung. Nach den vom Landgericht mitgeteilten Untersuchungsergebnissen lag der PCB-Gehalt der bei E. verarbeiteten Shredderrückstände deutlich über dieser Grenze (UA S. 20). Auch der in Be. und Bu. abgelagerte Gummischutt enthielt mehr als 50 mg/kg PCB (UA S. 98, 104).

Die polizeiliche Anordnung des Regierungspräsidiums war zur Gefahrenabwehr unerläßlich. Sie war verhältnismäßig und zur Abwehr der drohenden Gefahr geeignet. Sie orientierte sich an der in Hessen auch sonst üblichen Behandlung schadstoffbelasteter Abfälle. Die Anordnung entsprach dem pflichtgemäßen Ermessen, sowohl in bezug auf die Entschließung, ob ein polizeiliches Einschreiten überhaupt erforderlich war, als auch in bezug auf die Auswahl, welche Maßnahmen zu ergreifen waren. Gleichermaßen zuverlässige andere Maßnahmen der Gefahrenabwehr, die die Firma E. weniger belastet hätten, sind nicht ersichtlich. Dies gilt auch im Hinblick auf die in Art. 12 GG grundrechtlich garantierte Berufsfreiheit und den aus Art. 14 GG herzuleitenden grundrechtlichen Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs. Die Anordnung erschwerte zwar die Tätigkeit der E., hatte aber nicht notwendigerweise die Einstellung ihres Geschäftsbetriebs zur Folge. Zum einen bestand die Möglichkeit, das angekaufte und verarbeitete Material einer Eingangskontrolle auf den Schadstoffgehalt zu unterziehen, wie sie offenbar bei den zeitgleich überprüften anderen Unternehmen stattfand, deren Shredderrückstände die kritische Grenze an Schadstoffbelastung nicht überschritten. Zum anderen gab es nach den Feststellungen des Landgerichts und dem Vortrag der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung legale Entsorgungsmöglichkeiten für PCB-haltige Shredderrückstände. Diese Entsorgung war allerdings mit erheblichen Kosten verbunden, die die Angeklagten nicht aufwenden wollten.

Die polizeiliche Anordnung des Regierungspräsidiums wurde bestandskräftig und blieb während des gesamten Tatzeitraums wirksam. Die Angeklagten und die Firma E. haben den Bescheid nicht angefochten. Sie haben lediglich im September 1990 gegenüber der Hessischen Landesanstalt für Umwelt - vergeblich - versucht, eine günstigere Bewertung der Shredderrückstände zu erreichen. Die Beteiligten gingen daher in der Folge von der Wirksamkeit des Bescheids aus und richteten sich hierauf ein (UA S. 22). Die zeitlich nicht befristete Anordnung wurde nicht durch Zweckerreichung oder Wegfall der Gefahr rechtswidrig. Denn bei der Firma E. fielen in der Folge während der gesamten Tatzeit in großen Mengen Sortierrückstände mit mehr als 50 mg/kg PCB an, die - von geringen Teilmengen abgesehen - nicht in zugelassenen Anlagen oder Verfahren entsorgt wurden. Erst durch das Verhalten der Angeklagten und der Firma E. erlangte die polizeirechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr den Charakter einer Dauerregelung, zumal da E. als entsorgungspflichtige Abfallbesitzerin nicht wieder an das Regierungspräsidium herantrat.

cc) Die Anordnung ist nicht deshalb rechtswidrig oder gar nichtig, weil die H. nicht sofort über eine Entsorgungsmöglichkeit für die Gesamtmenge der PCB- belasteten Abfälle verfügte, sondern erst nach geeigneten Fremdfirmen und Deponien suchen mußte (UA S. 22). Dies ist insbesondere kein Nichtigkeitsgrund im Sinne von § 44 Abs. 2 Nr. 4 HVwVfG; denn die Angeklagten und die Firma E. waren nicht gehindert, die Abfälle der H. zur Entsorgung anzudienen. Gegebenenfalls hätten sie in ein geeignetes Zwischenlager genommen werden müssen.

dd) Bundesrecht stand der Maßnahme nicht entgegen. Es befaßt sich nicht mit Abfällen, welche wegen ihrer Höhen Schadstoffbelastung im Einzelfall einer besonderen verwaltungsrechtlichen (polizeilichen) Behandlung bedürfen.

ee) In der Mitteilung des Regierungspräsidiums vom 4. März 1991 (UA S. 24) kann eine Rücknahme der Anordnung vom 17. Juli 1990 nicht gesehen werden. Diesem Schreiben läßt sich auch im Wege der Auslegung nicht entnehmen, daß die Anordnung vom 17. Juli 1990 aufgehoben werden sollte. In der Folgezeit bestand ebenfalls kein Anlaß, den früheren Bescheid des Regierungspräsidiums aufzuheben. Weder haben die Angeklagten oder E. dies beantragt, noch war dies von Amts wegen veranlaßt. Die Beschwerdeführer stellen selbst nicht in Frage, daß jedenfalls nach dem Inkrafttreten der Abfallbestimmungs-Verordnung vom 3. April 1990 (BGBl I S. 614) am 1. Oktober 1990 und des Sechsten Gesetzes zur Änderung des HAbfAG vom 19. Dezember 1990 (GVBl I S. 773) am 1. Januar 1991 zweifelsfrei die rechtlichen Möglichkeiten bestanden, die Shredderabfälle der Firma E. als Sonderabfall einzustufen und dessen Andienung bei der H. anzuordnen. Dies belegt u.a. § 2 der Satzung des Umlandverbandes Frankfurt in der Fassung vom 5. November 1991 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 HAbfAG 1990.

(3) Europäisches Gemeinschaftsrecht, das nach den Taten geändert wurde oder in Kraft getreten ist und das als milderes Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB Bedeutung gewinnen könnte, steht dem Bescheid des Regierungspräsidiums D. nicht entgegen.

Das Revisionsvorbringen stützt sich insoweit auf die Richtlinien des Rates über Abfälle vom 15. Juli 1975 (75/442/EWG AB1 Nr. L 194, S. 47) und gefährliche Abfälle vom 12. Dezember 1991 (91/689/EWG AB1 Nr. L 377, S. 20) sowie die Entscheidung des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle vom 22. Dezember 1994 (94/904/EG AB1 Nr. L 356, S. 14). Die Beschwerdeführer meinen, jedenfalls nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 91/689/EWG am 27. Juni 1995 dürften in der Bundesrepublik Deutschland Abfälle, die nicht im europäischen Verzeichnis gefährlicher Abfälle aufgenommen sind, nicht mehr als besonders überwachungsbedürftige Abfälle im Sinne von § 2 Abs. 2 AbfG 1986 eingestuft werden. Die Richtlinie entfalte nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbare Direktwirkung zugunsten jedes Gemeinschafts-Bürgers. Danach sei die Einstufung der Shredderrückstände als Sonderabfall der Kategorie II rückwirkend rechtswidrig, weil sie nicht im europäischen Verzeichnis enthalten seien. Aus den PCB-Richtlinien der EG (76/403/EWG; 96/59/EG) ergebe sich nichts anderes.

Diese Einwendungen greifen nicht durch.

aa) Es könnte bereits zweifelhaft sein, ob die nachträglichen Änderungen im Bereich des europäischen Abfallrechts zu einer für die Angeklagten milderen Rechtslage im Sinne des § 2 Abs. 3,StGB geführt haben, obwohl die Strafnorm des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. (= Nr. 4 a n.F.) seit der Tatzeit unverändert geblieben ist. Diese Frage bedarf hier jedoch keiner näheren Erörterung, weil sich aus dem europäischen Abfallrecht keine nachträglichen rechtlichen Hindernisse für das Vorgehen des Regierungspräsidiums herleiten lassen.

bb) Der Bescheid des Regierungspräsidiums ist eine spezialpolizeiliche Maßnahme zur Abwehr einer akuten Umweltgefahr und keine allgemein-abfallrechtliche Dauerregelung. Ebensowenig wie diese polizeiliche Maßnahme der Gefahrenabwehr im einzelnen an den inländischen Vorschriften des allgemeinen Abfallrechts gemessen werden kann, gilt dies für den Bereich des Gemeinschaftsrechts. Es liegt fern anzunehmen, daß die genannten Abfallrichtlinien der Gemeinschaft polizeiliche Maßnahmen verbieten, die sich - wie hier - gegen akute Umweltgefahren richten, die von den Abfallrichtlinien nicht erfaßt werden.

cc) Es bestehen zudem erhebliche Bedenken gegen die Annahme, die Shredderrückstände der Firma E. würden durch das europäische Verzeichnis gefährlicher Abfälle nicht erfaßt. Denn unter der Überschrift "Gebrauchte Geräte und Shredderrückstände" sind unter der Nr. 160201 "Transformatoren und Kondensatoren, die PCB oder PCT enthalten", aufgeführt. Nach den Feststellungen des Landgerichts rühren die PCB-Anteile in den Shredderrückständen der Firma E. u.a. aus der Verarbeitung derartiger Geräte (UA S. 12), so daß eine Zuordnung zu dieser Abfallnummer in Betracht kommt.

dd) Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Erörterung, weil sowohl die Richtlinie über gefährliche Abfälle (91/689/EWG) als auch Art. 130 t WV den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumen, verstärkte Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Gemäß Art. 1 Abs. 4 der genannten Richtlinie sind gefährliche Abfälle nicht nur die in dem europäischen Verzeichnis enthaltenen Abfälle (l. Spiegelstrich), sondern auch sämtliche sonstigen Abfälle, die nach Auffassung eines Mitgliedstaats eine der in Anhang III aufgezählten Eigenschaften aufweisen (2. Spiegelstrich). Einschlägig ist hier insbesondere die Eigenschaft "ökotoxisch", weil die PCB-haltigen Shredderrückstände Gefahren für einen oder mehrere Umweltbereiche darstellen können. Im übrigen erfüllen die PCB-haltigen Shredderabfälle auch die Voraussetzungen der Anhänge I B Nr. 40 und II Nr. C 32 der Richtlinie. Bis zu einer Entscheidung im Anpassungsverfahren nach Art. 18 der Abfall- Rahmenrichtlinie 75/442/EWG können weitergehende einzelstaatliche Schutzmaßnahmen durchgeführt werden. Diese Auslegung entspricht der Auffassung der EG-Kommission, wie sie in einer Stellungnahme der zuständigen Kommissarin Bjerregaard vom 18. Oktober 1995 enthalten ist (ABl. der EG C 9 vom 15. Januar 1996 S. 20 Ziff. 3). Sie ergibt sich auch aus Ziffer 4 der Einleitung des Anhangs zu der Entscheidung des Rates über ein Verzeichnis gefährlicher Abfälle vom 22. Dezember 1994 (94/904/EG). Die Mitgliedstaaten sind daher befugt, Stoffe, die sie nach den Bewertungskriterien der Richtlinie ebenfalls als gefährlich ansehen, vorläufig als gefährlichen Abfall zu behandeln (vgl. hierzu Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union 1997 S. 278; Schreier, Die Auswirkungen des EG-Rechts auf die deutsche Abfallwirtschaft 1994 S. 110; auch Diekmann, Das Abfallrecht der Europäischen Union 1997 S. 278 hält eine dahingehende Auslegung der Richtlinie für möglich). Zumindest insoweit ist das europäische Verzeichnis gefährlicher Abfälle nicht abschließend. Einer vorläufigen verstärkten Schutzmaßnahme stand hier nicht entgegen, daß Shredderrückstände nach dem Vorbringen der Revision bereits bei dem erstmaligen Erstellen des Verzeichnisses gefährlicher Abfälle mit negativem Ergebnis überprüft wurden. Die Beschwerdeführer behaupten selbst nicht, daß stark PCB-haltige Shredderrückstände Gegenstand der Überprüfung waren.

Auch der EG-Vertrag räumt den Mitgliedstaaten im Bereich des Umweltschutzes die Befugnis zu verstärkten Schutzmaßnahmen ein. Die Richtlinie über gefährliche Abfälle ist auf Art. 130 s EGV gestützt, so daß Art. 130 t EGV anwendbar ist. Danach hindern Schutzmaßnahmen, die gemeinsam aufgrund des Art. 130 s getroffen wurden, die einzelnen Mitgliedstaaten nicht, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Im Falle der Anordnung des Regierungspräsidiums handelt es sich um eine verstärkte, nicht um eine andere Schutzmaßnahme; denn die PCB-haltigen Shredderrückstände entsprechen in vollem Umfang der tatbestandlichen Umschreibung gefährlicher Abfälle gemäß Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 91/689/EWG in Verbindung mit ihren Anhängen I bis III. Die Anordnung zielt daher in dieselbe Richtung und dient denselben Zielen wie die Richtlinie selbst. Es geht somit nicht um eine Erweiterung des gemeinschaftsrechtlichen Tatbestands der "gefährlichen Abfälle". Aus dem von den Revisionen angeführten Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23. Mai 1990 in der Rechtssache C169/89 (Slg. 1990 1 S. 2160 ff.) läßt sich Gegenteiliges nicht herleiten. Diese Entscheidung betraf einen anderen Sachverhalt und andere Rechtsvorschriften.

ee) Darüber hinaus sind im vorliegenden Zusammenhang die Richtlinien des Rates über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und Terphenyle vom 6. April 1976 in der Fassung vom 23. Dezember 1991 (76/403/EWG) und 16. September 1996 (96/59/EG) von Bedeutung. In der Einleitung der erstgenannten Richtlinie, die bis zum 16. September 1996 in Kraft war, hieß es, für besonders gefährliche Abfallstoffe, zu denen PCB gehöre, müsse gegenüber den allgemeinen Vorschriften für die Abfallbeseitigung eine Sonderregelung getroffen werden. PCB im Sinne dieser Richtlinie waren auch Gemische, die diesen Stoff enthalten (Art. 1). Die Mitgliedstaaten wurden in der Richtlinie unter anderem beauftragt, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit verboten werde, daß PCB oder PCB enthaltende Gegenstände und Geräte unkontrolliert beseitigt, deponiert oder herrenlos liegengelassen werden und daß die Beseitigung von PCB ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit und ohne Schädigung der Umwelt erfolge (Art. 2 und 4). Die Richtlinie richtete sich an die Mitgliedstaaten. Ihr war binnen zwei Jahren nachzukommen. Hiernach stellt sich im Fall der PCB-belasteten Shredderrückstände die Frage eines möglichen Verstoßes gegen Europäisches Recht nicht dahin, daß Behörden in der Bundesrepublik Deutschland zu strenge abfallrechtliche Anforderungen gestellt haben; es könnte eher zweifelhaft sein, ob die PCB-Richtlinie innerstaatlich im Abfallrecht hinreichend umgesetzt wurde.

Die Neufassung der PCB-Richtlinie vom 16. September 1996 ändert hieran nichts. Sie verschärft die Anforderungen an die geordnete PCB-Beseitigung, weil sich die bisherigen Maßnahmen als unzureichend erwiesen hatten. Der neu eingeführte Grenzwert von 50 mg/kg für Gemische ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil der in den Fällen 4 und 5 betroffene Gummischutt, aber auch andere Sortierrückstände der Firma E., diesen Grenzwert erheblich überschritten. Im übrigen gilt diese Grenze nicht für PCB- haltige Geräte. Insoweit gilt sogar eine Vermutung, daß bestimmte Geräte PCB-haltig sind. Nach Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 96/59/EG hätten PCB-haltige Geräte nicht mitgeshreddert werden dürfen, sondern gesondert gesammelt und vernichtet werden müssen. Hierdurch sollen künftig PCB- haltige Shredderrückstände von vornherein vermieden werden. Die Mitgliedstaaten sind danach zumindest berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet, einer Umgehung der Pflicht zur gesonderten Entsorgung PCB-haltiger Geräte entgegenzuwirken.

Ein Verstoß der Anordnung des Regierungspräsidiums gegen Europäisches Recht scheidet danach aus.

(4) Es besteht kein Anlaß, gemäß Art. 177 Abs. 3 EGV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht herbeizuführen. Die Rechtsfragen, die die Beschwerdeführer in ihren in der Revisionshauptverhandlung wiederholten Anträgen vom 24. Oktober 1996 und 22. Mai 1997 bezeichnet haben, sind für die Entscheidung ohne Bedeutung. Es geht im vorliegenden Falle nicht um die allgemeine und dauerhafte Einstufung von Abfällen als besonders gefährlich, sondern um eine Maßnahme der polizeilichen Gefahrenabwehr in einem konkreten Einzelfall. Zudem betraf diese Maßnahme nicht gewöhnliche Shredderrückstände, sondern solche, die erheblich mit PCB und anderen Schadstoffen belastet waren. Die Beschwerdeführer behaupten selbst nicht, daß derart schadstoffbelastete Shredderrückstände mit negativem Ergebnis darauf überprüft worden seien, ob sie in das Verzeichnis gefährlicher Abfälle aufgenommen werden sollen. Soweit die PCB-Richtlinie 76/403/EWG von Bedeutung ist, geht es nicht um eine etwaige pflichtenbegründende Wirkung zu Lasten von PCB-Besitzern, sondern allein um die Frage, ob Gemeinschaftsrecht der auf innerstaatliches Recht gestützten Anordnung des Regierungspräsidiums entgegensteht. Dem erstmals in der Revisionshauptverhandlung gestellten Antrag auf Vorabentscheidung ist schon deshalb nicht zu folgen, weil er - jedenfalls für die hier zu beurteilenden Fälle 4 und 5 - zu Unrecht davon ausgeht, der PCB-Gehalt des fraglichen Gummischutts bleibe unter den Grenzen von Art. 2 Buchst. a) 4. Spiegelstrich der PCB-Richtlinie 96/59/EG. Im übrigen handelte es sich bei der Anordnung des Regierungspräsidiums um eine Maßnahme der akuten Gefahrenabwehr.

Auch sonst besteht kein Anlaß für eine Vorabentscheidung. Nicht jede Anwendung von Gemeinschaftsrecht erfordert eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Unter den gegebenen Umständen, insbesondere auch im Hinblick auf die in den PCB-Richtlinien zum Ausdruck gekommenen Gemeinschaftsziele, besteht kein vernünftiger Zweifel daran, daß auch nachträglich in Kraft getretenes Gemeinschaftsrecht der Anordnung des Regierungspräsidiums nicht entgegensteht.

d) Damit stellt sich nicht die von den Revisionen aufgeworfene Frage, ob nach den Taten in Kraft getretenes für die Angeklagten günstigeres Abfallrecht als milderes Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB nachträglich ihre Bestrafung hindert.

e) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der schadstoffbelastete Gummischutt geeignet war, den Boden oder ein Gewässer nachhaltig zu verunreinigen, zumal da die Deponien nicht über die bei einer derartigen Schadstoffbelastung erforderliche Basisabdichtung verfügten. Den Eintritt eines konkreten Schadens setzt der Tatbestand des § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. nicht voraus (BGHSt 39, 381, 385).

f) Die Angeklagten haben rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Vorsätzliche Tatbegehung ist für beide Angeklagten hinreichend festgestellt.

Beide Angeklagte sind für die Verwirklichung des Tatbestands als mittelbare Täter verantwortlich. Sie haben die Tatmittler Sch. und Fe. über die Schadstoffbelastung des Gummischutts im Unklaren gelassen und auf diese Weise erreicht, daß das Material auf den Hausmülldeponien abgelagert wurde.

g) Der Schuldumfang muß allerdings im Fall 4 bei beiden Angeklagten geringfügig eingeschränkt werden. Die Lieferung von 447,1 t Gummi-Metall-Gemisch bis zum 11. Juli 1990 wird von der Strafbarkeit nicht erfaßt, weil der Bescheid des Regierungspräsidiums D., der die Behandlung als Abfall der Kategorie II und dessen Andienung bei der H. an ordnete, erst am 17. Juli 1990 erging. Für den Angeklagten M.T. müssen auch die bis zum 23. September 1990 abgerechneten Lieferungen ausgenommen werden, weil er erst seit dem 18. September 1990 zum Mitgeschäftsführer bestellt war und sich den Feststellungen nicht hinreichend sicher entnehmen läßt, daß er bereits zuvor in verantwortlicher Weise in die Lieferungen an die Firma Sch. eingebunden war.

2. Fälle 1 bis 3:

Insoweit ist die Sachrüge offensichtlich unbegründet. Ergänzend ist lediglich zu bemerken:

a) In allen drei Fällen wurden Abfälle beseitigt. Im Fall 1 bedarf das keiner weiteren Begründung. Auch in den Fällen 2 und 3 hat die Firma E. ihren Abnehmern, entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführer, Abfälle und keine Reststoffe überlassen. Allein daraus, daß die Feinabsiebungen auf der Hausmülldeponie B. zum Anlegen von Fahrwegen und andernorts - in unzulässiger Weise - im Straßenbau verwendet wurden (UA S. 17, 34), ergibt sich nicht, daß es sich um weiterverwertbare Reststoffe handelte. Das Landgericht hat auch rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der der Firma TR. überlassene Gummischutt, zumal mit der Beimischung von Filterkuchen (vgl. UA S. 43), Abfall und nicht Reststoff war. Dies bestätigte auch die vereinbarte Zuzahlung der E. von 150 DM/t. Die bloße Bezeichnung als "Wirtschaftsgut" durch die Beteiligten (UA S. 42) steht dem nicht entgegen.

b) Die Abfallbeseitigung erfolgte außerhalb zugelassener Anlagen. Im Fall 1 wurde der kontaminierte Filterkuchen zwar, vermischt mit anderen Shredderrückständen, auf die Hausmülldeponie B. gebracht. Diese war jedoch keine zugelassene Anlage für dieses Material (vgl. hierzu oben III 1 c) (1). Das Regierungspräsidium D. hatte den Filterkuchen mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. August 1986, dessen Wirksamkeit auch von dem Beschwerdeführer Dr. T. nicht in Frage gestellt wird, als Abfall der Kategorie II eingestuft. Dabei handelt es sich nach § 4 Abs. 4 Nr. 2 des Hessischen Abfallgesetzes in der Fassung vom 11. Dezember 1985 (GVBl. 1 1986 S. 18) und den Erläuterungen zum Abfallkatalog der Hessischen Sonderabfall-Verordnung vom 13. November 1978 (GVBl. I S. 556, 582) um Abfälle aus gewerblichen oder sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen, die grundsätzlich nicht in Hausmüllbeseitigungsanlagen beseitigt werden können und an deren Behandlung und Beseitigung wegen ihrer Art oder Beschaffenheit zusätzliche und besondere Anforderungen zu stellen sind. Zugleich hatte das Regierungspräsidium angeordnet, daß der Filterkuchen über die H. zu entsorgen sei, die ihrerseits eine Sonderabfall Vernichtungsgesellschaft mit der Entsorgung beauftragte. Somit durfte das fragliche Material nicht auf die benutzte Hausmülldeponie gebracht werden. Auch in den Fällen 2 und 3 wurden mit den Kiesgruben L. und R. und dem Silagebunker in Li. keine zugelassenen Anlagen benutzt.

c) Durch die Ablagerungen ist jeweils der tatbestandliche Erfolg der Umweltgefährdung eingetreten (vgl. BGHSt 39, 381, 385). Nach den Umständen der Ablagerung und dem festgestellten Schadstoffgehalt der betroffenen Materialien (UA S. 77, 79 ff., 84 ff.) waren diese nach Art, Beschaffenheit und Menge geeignet, nachhaltig Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen. Dies hat das sachverständig beratene Landgericht fehlerfrei festgestellt.

d) Für diesen tatbestandlichen Erfolg sind der Angeklagte Dr. T. in den Fällen 1 bis 3 und der Angeklagte M. T. in den Fällen 2 und 3 als Täter verantwortlich.

Als Geschäftsführer waren die Angeklagten verpflichtet, für die ordnungsgemäße Entsorgung der im regelmäßigen Geschäftsbetrieb bei E. in großen Mengen anfallenden schadstoffbelasteten Rückstände Sorge zu tragen. Die Art und Weise der Beseitigung dieser Rückstände im Rahmen der Geschäftstätigkeit der von ihnen geführten Gesellschaft ist den Angeklagten als eigenes Handeln zuzurechnen (vgl. BGHSt 37, 106, 114). In den Fällen 2 und 3 waren die Angeklagten verpflichtet, sich zu vergewissern, daß die Abnehmer der Shredderabfälle, der Zeuge Ha. und die Firma TR., tatsächlich imstande und rechtlich befugt waren, die übernommenen Abfälle gefahrlos zu beseitigen (vgl. BGHSt 40, 84). Die Einbindung und Beteiligung der Angeklagten in die die Abfallbeseitigung betreffenden Geschäftsvorgänge hat das Landgericht hinreichend festgestellt. Die Feststellung weiterer konkreter Einzelmaßnahmen der Angeklagten war unter diesen Umständen entbehrlich.

Die Angeklagten haben die strafbare Abfallbeseitigung als mittelbare Täter verwirklicht, da sie die Abfälle nicht selbst abgelagert haben. Unter welchen Voraussetzungen eine Straftat "durch einen anderen" begangen wird (§ 25 Abs. 1 StGB), ist ein offenes Wertungsproblem, bei dem die Übergänge fließend sind (BGHSt 39, 381, 388 f. m.w.N.). Bei der wertenden Beurteilung ist nicht ausschlaggebend, ob der Tatmittler selbst schuldhaft handelt. Entscheidend ist vielmehr - wie auch sonst bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme ob der Hintermann nicht nur Tatinteresse, sondern auch von Täterwillen getragene Tatherrschaft hat (vgl. BGHSt 40, 218, 235 f.; 35, 347, 353 jeweils m.w.N.). Der Täterwille und die Tatherrschaft der Angeklagten sind hier nicht zweifelhaft. Die Angeklagten mußten als Geschäftsführer dafür sorgen, daß die Abfälle kostengünstig beseitigt wurden. Sie sind dafür verantwortlich, daß die Abfälle an Abnehmer überlassen wurden, die nicht über die Möglichkeiten einer geordneten Abfallbeseitigung verfügten. Aufgrund der anfallenden Kosten war die Beseitigung in zugelassenen Anlagen nicht zu erwarten. Die Angeklagten haben somit den Weg dahin eröffnet und vorgezeichnet, daß die Abfälle illegal entsorgt wurden. Die Tatherrschaft der Angeklagten wird entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers M.T. auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß es bei der Weitergabe der Abfälle in der Reihe der Tatmittler zu weiteren Täuschungen über den Schadstoffgehalt des Materials kam.

e) Zu Recht geht das Landgericht davon aus, daß die Angeklagten zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt haben. Den Angeklagten war zwar der konkrete Ort der Ablagerungen in den Fällen 2 und 3 nicht bekannt. Sie haben jedoch billigend in Kauf genommen, daß die Abfälle außerhalb einer zugelassenen Anlage beseitigt wurden. Der konkrete Ort der Ablagerung war ihnen gleichgültig. Dies genügt für die Annahme bedingten Vorsatzes.

f) Im Fall 3 konnte der Schuldspruch auf § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. gestützt werden, obwohl die Ablagerung des Abfalles in Sachsen erfolgte. § 326 StGB a.F. war nach Art. 8 i.V.m. Anlage I Einigungsvertrag (BGBl. 11, 885, 889) zum 3. Oktober 1990 auch auf dem Gebiet der neuen Bundesländer in Kraft getreten. Gleichzeitig blieb nach Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anlage II Kap. III Sachgebiet C Abschnitt II Einigungsvertrag § 191 a StGB-DDR i.d.F. des Einigungsvertrages (bis zum 30. Oktober 1994, Art. 12 2. UKG vom 27. Juni 1994, BGBl. I S. 1440) in Kraft. Der weitergehende strafrechtliche Bodenschutz auf dem Gebiet der Beitrittsländer sollte damit erhalten bleiben. § 191a StGB-DDR und die §§ 324 ff. StGB a.F. galten daher nebeneinander, § 191a StGB-DDR ergänzt lediglich die bundesdeutschen Regelungen (vgl. z.B. Lackner StGB 20. Aufl. vor § 324 Rdn. 15; Eser GA 1991, 241, 251 f.; ders. in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. vor §§ 3-7 Rdn. 74 f.; Lenckner ebd. 24. Aufl. § 326 Rdn. 23). Der Tatbestand des § 191a StGB-DDR war hier jedoch nicht erfüllt.

IV.

Der Schuldspruch nach § 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. hält ebenfalls der rechtlichen Prüfung stand. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, daß der Aluminium-Shredder ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wurde. Der rechtlich mögliche Betriebsumfang war nicht auf 490 kW beschränkt. Eine dahingehende verbindliche Erklärung hat die Firma E. nicht abgegeben. Sie kann insbesondere nicht darin gesehen werden, daß diese Nennleistung in dem Genehmigungsantrag angegeben wurde.

V.

Die Rechtsfolgenbemessung läßt bei beiden Angeklagten einen Rechtsfehler nicht erkennen. Es läßt sich ausschließen, daß sich die geringfügige Beschränkung des Schuldumfangs im Fall 4 auf die festgesetzten Strafen auswirkt.

Externe Fundstellen: BGHSt 43, 219; NStZ 1997, 544; StV 1998, 131

Bearbeiter: Rocco Beck