HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1141
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 90/25, Beschluss v. 25.08.2025, HRRS 2025 Nr. 1141
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2024 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, Bedrohung mit einem Verbrechen sowie „vorsätzlicher“ Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung von § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO Erfolg.
1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Der Angeklagte erhielt in der Hauptverhandlung am 24. September 2024 nach dem Schluss der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen das letzte Wort. Anschließend wurde erneut in die Beweisaufnahme eingetreten, ein rechtlicher Hinweis erteilt und die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger des Angeklagten nahmen Bezug auf ihre bereits gestellten Schlussanträge. Anschließend wurde das Urteil verkündet, ohne dass dem Angeklagten erneut das letzte Wort gewährt worden war.
2. Die zulässige Rüge ist begründet. Die Revision beanstandet zu Recht, dass dem Angeklagten nach Wiedereintritt in die Verhandlung nicht erneut das letzte Wort erteilt wurde. Insoweit gilt:
a) Gemäß § 258 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO gebührt dem Angeklagten nach dem Schluss der Beweisaufnahme und den Schlussvorträgen das letzte Wort. Nach einem Wiedereintritt in die Verhandlung, selbst wenn dieser nur einen unwesentlichen Aspekt oder einen Teil der Anklagevorwürfe betrifft, muss das Gericht dem Angeklagten das letzte Wort erneut gewähren, weil jeder Wiedereintritt den vorangegangenen Ausführungen ihre rechtliche Bedeutung als letztes Wort nimmt. Ein Wiedereintritt in die Verhandlung kann durch eine ausdrückliche Erklärung des Vorsitzenden beziehungsweise des Gerichts oder stillschweigend geschehen. Für letzteres genügt jede Betätigung, in welcher der Wille des Gerichts, mit der Untersuchung und der Aburteilung fortzufahren, erkennbar zutage tritt, auch wenn das Gericht darin keine Wiedereröffnung der Verhandlung erblickt oder diese nicht beabsichtigt. Dies ist der Fall bei jedem Vorgang, der die gerichtliche Sachentscheidung auch nur mittelbar beeinflussen könnte, indem er eine tatsächliche oder rechtliche Bewertung des bisherigen Verfahrensergebnisses zum Ausdruck bringt. Auf Umfang und Bedeutung der nochmaligen Verhandlungen kommt es dabei nicht an. Ob ein Wiedereintritt vorliegt, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 16. August 2023 - 2 StR 308/22, NStZ 2024, 184, 185 Rn. 7 mwN).
b) Hier ist das Landgericht durch die Erteilung eines rechtlichen Hinweises wieder in die Verhandlung eingetreten, so dass dem Angeklagten anschließend erneut das letzte Wort hätte erteilt werden müssen.
c) Auf dem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte, der die Anklagevorwürfe lediglich „am Ende der Hauptverhandlung pauschal eingeräumt“ und angegeben hat, „durch den Konsum von Alkohol und Betäubungsmitteln nicht er selbst gewesen“ zu sein, in seinem letzten Wort Angaben gemacht hätte, die sich zu seinen Gunsten auch auf den Schuldspruch ausgewirkt hätten.
3. Die Sache bedarf bereits deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer auch mit seinen weiteren Verfahrensbeanstandungen oder der Rüge der Verletzung materiellen Rechts durchgedrungen wäre. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler mit betroffen und unterliegen ebenfalls der Aufhebung (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Senat weist darauf hin, dass das neue Tatgericht unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) sorgfältiger als bisher geschehen die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten und einer Maßregelanordnung zu erörtern haben wird.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1141
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede