HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1167
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 557/24, Beschluss v. 04.06.2025, HRRS 2025 Nr. 1167
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. April 2024, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis und Besitz von Cannabis, sowie der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Cannabis in acht weiteren Fällen schuldig ist,
b) aufgehoben im weiteren Einzelstrafausspruch im Fall II. 2. f der Urteilsgründe; die weitere Einzelstrafe entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Besitz von Cannabis „in nicht geringer Menge“, sowie wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Besitz von Cannabis „in nicht geringer Menge“ in acht weiteren Fällen und wegen Handeltreibens mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nebst Vorwegvollzugs von einem Jahr und elf Monaten der Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Darüber hinaus hat es auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 4.360 Euro erkannt.
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge hat aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
2. Die aufgrund der Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils ergibt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nur insoweit, als er im Fall II. 2. f der Urteilsgründe wegen tatmehrheitlichen Handeltreibens mit Cannabis zu einer weiteren Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe („Weiterverkauf auf eigene Rechnung“) verurteilt worden ist.
a) Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hatten sich der Angeklagte und der Mitangeklagte J. unter Führung der Mitangeklagten D. und F. seit Juni 2020 zu einer Bande zusammengeschlossen, deren Ziel es war, jeweils mehrere Kilogramm Marihuana - und vereinzelt auch Kokain - zu erwerben und gewinnbringend weiterzuverkaufen. In Ausführung des gemeinsamen Tatplans bestellte der Mitangeklagte D. am 4. August 2020 zehn Kilogramm Marihuana und 300 Gramm Kokain. Am 8. August 2020 übernahm der Angeklagte S. die bestellten Rauschmittel, wobei von dem Marihuana „nur“ 7,5 Kilogramm geliefert worden waren, und übergab im Gegenzug den Kaufpreis, den er zuvor von dem Mitangeklagten F. erhalten hatte. Der Angeklagte nahm eine unbekannte Menge des zuvor bezogenen Marihuanas für sich und verkaufte sie am 5. August 2020 zum Preis von 4.360 Euro an einen unbekannten Dritten auf eigene Rechnung weiter.
b) Die Feststellung des Landgerichts, bei dem Weiterverkauf des Marihuanas handele es sich um ein Eigengeschäft des Angeklagten, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die Strafkammer stützt ihre Würdigung allein auf das Protokoll des SkyECC-Chatverlaufs zwischen dem Angeklagten und dem Mitangeklagten D. vom 5. August 2020. Diesem ist zwar die Abwicklung des Weiterverkaufs eines halben Kilogramms Cannabis („Das letzte halbe geht auch gleich weg“) gegen Entrichtung des Kaufpreises in Höhe von ebenfalls mitgeteilter 4.360 Euro zu entnehmen, von welcher der Angeklagte dem Mitangeklagten D. berichtet. Die Annahme eines über eine Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis hinausgehenden eigenen täterschaftlichen Handeltreibens des Angeklagten wird durch den Gesprächsverlauf aber nicht belegt. Dies erschließt sich auch nicht - wie von der Strafkammer ohne nähere Begründung angenommen - aus einer „Gesamtwürdigung“ des Chatverlaufs.
c) Der neben der Verurteilung wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Cannabis und Besitz von Cannabis weitere Schuldspruch im Fall II. 2. f der Urteilsgründe wegen tatmehrheitlichen Handeltreibens mit Cannabis unterliegt nach alledem der Aufhebung. Der Senat schließt aus, dass ergänzende Feststellungen getroffen werden können, die ein eigenes täterschaftliches Handeltreiben oder eine Beihilfe des Angeklagten zu einer weiteren Bandentat belegen. Den Feststellungen ist hingegen ausreichend zu entnehmen, dass die am 5. August 2020 verkaufte Teilmenge aus einer der festgestellten Vortaten stammt, an der der Angeklagte bereits als Gehilfe beteiligt war.
d) Der Schuldspruch ist daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO abzuändern und bedarf auch im Übrigen der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Berichtigung. Einer Kennzeichnung, dass sich die Beihilfe zum bandenmäßigem Handeltreiben mit Cannabis auf eine „nicht geringe Menge“ bezieht, bedarf es in der Urteilsformel nicht, da der Qualifikationstatbestand des Bandenhandels mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG stets voraussetzt, dass sich die Tat auf eine nicht geringe Menge bezieht (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2024 - 5 StR 272/24, Rn. 6, und vom 28. August 2024 - 4 StR 480/23, Rn. 8). Auch bezüglich des Besitzes von Cannabis hatte die Kennzeichnung als nicht geringe Menge zu unterbleiben, da § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG keine Qualifikation, sondern das Regelbeispiel eines besonders schweren Falls enthält, das grundsätzlich nicht im Tenor zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2024 - 3 StR 427/24, Rn. 3, und vom 7. Mai 2025 - 2 StR 134/25, Rn. 2).
3. Die Aufhebung des weiteren Schuldspruchs im Fall II. 2. f der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Cannabis lässt die für diesen Fall verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe entfallen. Die Gesamtstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten hat unbeschadet des Wegfalls dieser Einzelstrafe Bestand. Angesichts der verbleibenden weiteren zehn Einzelstrafen zwischen zwei Jahren und zwei Monaten und fünf Jahren und einem Monat Freiheitsstrafe kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht ohne die entfallende - geringste - Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).
4. Die Anordnung der Unterbringung gemäß § 64 StGB und die Einziehungsentscheidung sind rechtsfehlerfrei und werden von der Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. 2. f der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Cannabis nicht berührt. Dem Angeklagten ist das vereinnahmte Bargeld jedenfalls im Rahmen der Bandentat zugeflossen; darüber hat er ungehindert die tatsächliche Mitverfügungsgewalt ausgeübt (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2024 - 1 StR 207/24, NZWiSt 2025, 171, 173 Rn. 17; Beschluss vom 4. Juli 2024 - 5 StR 503/22, NStZ-RR 2025, 11, 12 Rn. 3).
5. Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, dem Angeklagten die gesamten Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen (§ 473 Abs. 4 StPO).
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1167
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede