HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 540
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 453/24, Beschluss v. 21.11.2024, HRRS 2025 Nr. 540
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 10. Juni 2024 mit den Feststellungen aufgehoben
a) betreffend den Angeklagten S. N. im Ausspruch über
aa) die Einzelstrafen in den Fällen 3 a), 5 a) und 10 a) der Urteilsgründe,
bb) die Gesamtstrafe,
b) betreffend den Angeklagten M. N. im Ausspruch über
aa) die Einzelstrafe im Fall 10 a) der Urteilsgründe,
bb) die Gesamtstrafe.
Die erkennende 2. Große Strafkammer - als Jugendkammer ? beim Landgericht Darmstadt hat über die Schuld der Angeklagten in den Fällen 3 a), 5 a), 10 a) und 11 der Urteilsgründe, soweit sie jeweils noch betroffen sind, sowie über die Kosten der Rechtsmittel zu entscheiden.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Das Landgericht hat im ersten Rechtsgang den Angeklagten S. N. wegen banden- und gewerbsmäßiger Hehlerei (Fall 10 der Urteilsgründe) sowie banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung in acht Fällen (Fälle 1, 2 a), 3 a), 5 a), 8, 9, 10 a), 11 der Urteilsgründe), davon in drei Fällen in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Hehlerei (Fälle 8, 9 und 11 der Urteilsgründe) und in vier Fällen in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßigem Betrug (Fälle 1, 3 a), 5 a) und 10 a) der Urteilsgründe), zu einer Gesamtfreiheitstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat den Angeklagten M. N. wegen banden- und gewerbsmäßiger Hehlerei (Fall 10 der Urteilsgründe), banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung in neun Fällen (Fälle 2, 2 a), 3, 3 a), 5, 5 a), 7, 10 a) und 11 der Urteilsgründe), in einem Fall in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Hehlerei (Fall 11 der Urteilsgründe) und in fünf weiteren Fällen in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßigem Betrug (Fälle 3 a), 5, 5 a), 7 und 10 a) der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat es gegen beide Angeklagte Einziehungsentscheidungen getroffen und angeordnet, dass jeweils ein Monat der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt.
Der Senat hat das Urteil durch Beschluss vom 20. Dezember 2022 (2 StR 341/22, NStZ 2024, 41 f.) aufgehoben betreffend S. N. in den Fällen 2 a), 3 a), 5 a) und 10 a) der Urteilsgründe, betreffend M. N. in den Fällen 2 a), 10 a) und 11 der Urteilsgründe sowie den Aussprüchen zu den beiden Gesamtstrafen. Ferner hat er die Einziehungsentscheidungen korrigiert. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten hat er verworfen. Aufhebungsgrund war die unzureichend festgestellte Mittäterschaft an den banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschungen im Fall 2 a) der Urteilsgründe betreffend beide Angeklagte, in den Fällen 3 a) und 5 a) der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten S. N. und im Fall 11 der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten M. N. Im Fall 10 a) der Urteilsgründe trugen die Feststellungen nicht die Verurteilung beider Angeklagten wegen tateinheitlichen banden- und gewerbsmäßigen Betruges. Dabei hat der Senat betont, dass die Aufhebung der Verurteilung wegen tateinheitlicher banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung betreffend den Angeklagten S. N. in den Fällen 3 a) und 5 a) der Urteilsgründe auch die für sich genommen rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Schuldsprüche wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges sowie im Fall 11 der Urteilsgründe betreffend den Angeklagten M. N. auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen banden- und gewerbsmäßiger Hehlerei erfasse. Dies gelte auch, soweit im Fall 10 a) der Urteilsgründe die tateinheitliche Verurteilung beider Angeklagter wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges der Aufhebung unterfalle, für den rechtsfehlerfreien tateinheitlichen Schuldspruch wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung.
In der neuen Hauptverhandlung hat das Landgericht das Verfahren im Fall 2 a) der Urteilsgründe bei beiden Angeklagten gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt und die Verfolgung hinsichtlich S. N. in den Fällen 3 a) und 5 a) der Urteilsgründe sowie betreffend M. N. im Fall 11 der Urteilsgründe gemäß § 154a Abs. 2 StPO „auf die bereits rechtskräftig festgestellten Teile der Taten beschränkt“. Es hat im Fall 10 a) der Urteilsgründe ergänzend festgestellt, dass dem Erwerber kein Vermögensschaden entstanden sei. Das Landgericht hat nunmehr für Recht erkannt:
„Der Angeklagte S. N. ist mit Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 21. März 2022 (10 KLs 1300 Js 89440/19) in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Dezember 2022 (2 StR 341/22) schuldig der banden- und gewerbsmäßigen Hehlerei und des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in zwei Fällen sowie der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung in fünf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Hehlerei und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßigen Betrugs.“ Es hat diesen Angeklagten neuerlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner hat es ausgesprochen:
„Der Angeklagte M. N. ist mit Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 21. März 2022 (10 KLs 1300 Js 89440/19) in Verbindung mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Dezember 2022 (2 StR 341/22) schuldig der banden- und gewerbsmäßigen Hehlerei in zwei Fällen sowie der banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßigen Betrugs.“ Es hat diesen Angeklagten wiederum zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt; eine rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts enthalten die Urteilsgründe bei beiden Angeklagten nicht. Ferner hat es festgelegt, dass die von den Angeklagten in Rumänien erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die jeweilige Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen ist.
Die auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben überwiegend Erfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.
1. Die im zweiten Rechtsgang zugemessenen Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafen haben keinen Bestand.
a) Die in der Beschlussformel ausgewiesenen Einzelstrafen unterfallen der Aufhebung, weil ein entsprechender Schuldspruch weder verkündet worden noch dem Tenor der Urteilsurkunde zu entnehmen ist. Somit fehlt es an einer Grundlage für die zugemessenen Einzelstrafen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Oktober 2014 - 2 StR 215/14, Rn. 2, und vom 11. April 2017 - 2 StR 345/16, NStZ-RR 2017, 212; OLG Bamberg, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 3 OLG 8 Ss 140/14).
Die Strafkammer hat verkannt, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 2022 die Schuldsprüche in den Fällen 2 a), 3 a), 5 a) und 10 a) der Urteilsgründe betreffend S. N. und in den Fällen 2 a), 10 a) und 11 der Urteilsgründe betreffend M. N. aufgehoben hatte. Hier hätte es ihr deshalb nach der vorläufigen Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 StPO im Fall 2 a) der Urteilsgründe betreffend beide Angeklagte und dem Sinngehalt der Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO in den Fällen 3 a), 5 a), 10 a) und 11 der Urteilsgründe oblegen, auf der Grundlage der bindenden Feststellungen neuerlich über die Schuld der Angeklagten zu befinden. Dies hat sie unterlassen.
Dem Senat ist eine Ergänzung des Schuldspruchs verschlossen. Es handelt sich nicht lediglich um ein offensichtliches Verkündungs- bzw. Fassungsversehen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 8. Februar 2023 - 2 StR 344/22, NStZ-RR 2023, 149, 150). Vielmehr ist die Strafkammer erkennbar davon ausgegangen, dass ein neuerlicher Schuldspruch entbehrlich sei; sie hat auch von einer rechtlichen Würdigung der für sie bindenden Feststellungen in den aufgezählten Einzelfällen abgesehen, in denen der Senat den Schuldspruch aufgehoben hatte.
b) Der Wegfall der aufgeführten Einzelstrafen, im Fall 11 der Urteilsgründe fehlt es im Übrigen an einer solchen, entzieht den Gesamtstrafen die Grundlage.
2. Die weitergehenden Revisionen sind unbegründet. Die Festsetzung des Anrechnungsmaßstabs ist nicht zu beanstanden.
3. Da die nicht abgeurteilten Fälle mangels Schuldspruch beim Revisionsgericht nicht anhängig geworden sind, unterliegen sie weiterhin der Kognition der 2. Großen Strafkammer beim Landgericht Darmstadt. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Entscheidungen über die Einzelstrafen in den Fällen 1, 8, 9, 10 und 11 der Urteilsgründe betreffend S. N. und in den Fällen 2, 3, 3 a), 5, 5 a), 7 und 10 der Urteilsgründe betreffend M. N. sowie die Kompensations- und die Anrechnungsentscheidung in Rechtskraft erwachsen sind. Auch die Feststellungen aus dem Urteil vom 21. März 2022 haben weiterhin Bestand.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 540
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede