hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 636

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 273/24, Beschluss v. 09.01.2025, HRRS 2025 Nr. 636


BGH 2 StR 273/24 - Beschluss vom 9. Januar 2025 (LG Darmstadt)

Handeltreiben mit Cannabis (nicht geringe Menge; Schuldspruchänderung); Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (nicht geringe Menge).

§ 34 KCanG; § 29 BtMG; § 29a BtMG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28. Februar 2024 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit Handeltreiben mit Cannabis, sowie des Handeltreibens mit Cannabis in zwölf Fällen schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Haschisch, Marihuana, Kokain) in nicht geringer Menge in 18 Fällen sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Kokain)“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Während die Feststellungen ohne Rechtsfehler getroffen sind, bedarf der Schuldspruch in den Fällen 1, 3 und 5 bis 16 der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung, weil am 1. April 2024 das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (KCanG; BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten ist und die neue Rechtslage bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall für den Angeklagten günstiger ist als die Rechtslage nach Tatzeitrecht. Denn das Landgericht hat in den Fällen 1, 3 und 5 bis 16 der Urteilsgründe den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zugrunde gelegt, der für den Angeklagten ungünstiger ist als der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 4 KCanG.

Soweit der Angeklagte ausschließlich oder auch mit Marihuana und/oder Haschisch gehandelt hat, bezog sich das Handeltreiben auch unter Geltung des Konsumcannabisgesetzes jeweils auf eine nicht geringe Menge, die weiterhin bei 7,5 Gramm THC anzusetzen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. April 2024 - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968, 1969 ff. Rn. 7 ff.; vom 23. April 2024 - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216 ff., und vom 6. Mai 2024 - 2 StR 480/23, StV 2024, 587, 589 Rn. 27 ff.). Dieser Grenzwert war vorliegend bei allen Taten um ein Vielfaches überschritten. Das Handeltreiben mit Cannabis „in nicht geringer Menge“ ist im Schuldspruch jedoch nicht zum Ausdruck zu bringen, weil es sich insoweit um ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG handelt.

In den Fällen 13 und 16 der Urteilsgründe liegt hinsichtlich des tateinheitlich verwirklichten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dagegen eine nicht geringe Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - nunmehr bezogen allein auf das Kokain - nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2024 - 2 StR 318/24, Rn. 5).

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der überwiegend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Der Strafausspruch hat ungeachtet der Schuldspruchänderung Bestand. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der geänderten Bewertung des Umgangs mit Cannabis nach dem Konsumcannabisgesetz eine geringere Strafe verhängt hätte. Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung die unmittelbar bevorstehende Gesetzesänderung bereits im Blick gehabt und ausgeführt, dass es auch bei Berücksichtigung der dem Konsumcannabisgesetz „zugrundeliegende[n] Gefährlichkeitseinschätzung des Gesetzgebers bzgl. Cannabis“ aufgrund der erheblichen strafschärfenden Umstände nicht zu niedrigeren Einzelstrafen gelangt wäre.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 636

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede