hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1273

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 156/24, Beschluss v. 04.06.2025, HRRS 2025 Nr. 1273


BGH 2 StR 156/24 - Beschluss vom 4. Juni 2025 (LG Erfurt)

Konkurrenzen (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Teilidentität der Ausführungshandlungen); Handeltreiben mit Cannabis (Meistbegünstigungsgrundsatz); Einziehung des Wertes von Taterträgen.

§ 2 Abs. 3 StGB; § 52 StGB; § 73c StGB; § 29a BtMG; § 30a BtMG § 34 KCanG

Leitsatz des Bearbeiters

Überschneidungen der Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln führen zur Annahme von Tateinheit. Dafür genügen zwar kein allein subjektiv-motivatorischer Zusammenhang oder die bloße Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die tatbestandlichen Ausführungshandlungen in objektiver Hinsicht derart überschneiden, dass zumindest ein Teil der einheitlichen Handlung zur Erfüllung des einen wie des anderen Tatbestands beziehungsweise zur mehrfachen Verwirklichung desselben Tatbestands gleichermaßen beiträgt. Bei mehreren Tatbeteiligten ist die konkurrenzrechtliche Bewertung für jeden einzelnen nach der Art seines Tatbeitrages selbständig vorzunehmen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 16. Mai 2023, soweit es ihn betrifft,

a) geändert

aa) im Schuldspruch

(1) in den Fällen II.B.3.8. und II.B.3.9. der Urteilsgründe dahin, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist,

(2) in den Fällen II.B.3.3. und II.B.3.4. der Urteilsgründe dahin, dass der Angeklagte des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

bb) im Einziehungsausspruch dahin, dass gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 293.485 Euro als Gesamtschuldner angeordnet wird; die weitergehende Einziehungsentscheidung entfällt;

b) aufgehoben

aa) im Ausspruch zu den Einzelstrafen in den Fällen II.B.3.3 und II.B.3.4 sowie II.B.3.8 und II.B.3.9 der Urteilsgründe und

bb) im Gesamtstrafenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen sowie des unerlaubten Besitzes von Munition“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und neben der Einziehung von zwei Revolverpatronen und von Taterträgen in Höhe von 50.000 Euro gesamtschuldnerisch haftend die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 422.485 Euro angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

1. Die erhobenen Verfahrensrügen versagen aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts.

2. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

a) Der Schuldspruch ist in mehrfacher Hinsicht zu korrigieren.

aa) In den Fällen II.B.3.8 und II.B.3.9 der Urteilsgründe, die den Handel mit Marihuana zum Gegenstand haben, bedarf der Schuldspruch der Korrektur. Das Landgericht hat den Handel mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz abgeurteilt. Allerdings ist am 1. April 2024 das Konsumcannabisgesetz vom 27. März 2024 in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Danach unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem hier milderen Konsumcannabisgesetz. Dies ist nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO vom Senat bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen.

In den Fällen II.B.3.8. und II.B.3.9. der Urteilsgründe ist der Angeklagte deshalb nicht jeweils des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG, sondern des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG schuldig. Der Senat ändert den Schuldspruch in den genannten Fällen entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. Das Konsumcannabisgesetz erweist sich nach dem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2024 - 2 StR 279/24, Rn. 9) als das mildere Recht, da das Landgericht jeweils die Annahme minder schwerer Fälle verneint und den Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG angewendet hat, demgegenüber die Strafrahmen nach § 34 Abs. 4 KCanG in jedem Falle milder sind. § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2024 - 2 StR 327/24, Rn. 3 ff.).

bb) Die Beurteilung der Konkurrenzen durch das Landgericht hält in den Fällen II.B.3.3. und II.B.3.4. der Urteilsgründe - soweit diese den Angeklagten betreffen - sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit liegt nicht Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB), sondern Tateinheit (§ 52 StGB) vor.

(1) Überschneidungen der Ausführungshandlungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln führen zur Annahme von Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1, 8). Dafür genügen zwar kein allein subjektiv-motivatorischer Zusammenhang oder die bloße Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die tatbestandlichen Ausführungshandlungen in objektiver Hinsicht derart überschneiden, dass zumindest ein Teil der einheitlichen Handlung zur Erfüllung des einen wie des anderen Tatbestands beziehungsweise zur mehrfachen Verwirklichung desselben Tatbestands gleichermaßen beiträgt (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Oktober 2024 - 6 StR 288/24, Rn. 7 mwN). Bei mehreren Tatbeteiligten ist die konkurrenzrechtliche Bewertung für jeden einzelnen nach der Art seines Tatbeitrages selbständig vorzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2020 - 5 StR 144/20, NStZ-RR 2020, 306 mwN).

(2) So liegt es in den Fällen II.B.3.3. und II.B.3.4. der Urteilsgründe.

Nach den Feststellungen bereitete der Angeklagte von ihm zuvor gesondert eingeschweißte Bargeldbeträge sowohl für die Methamphetaminlieferung im Fall II.B.3.3 der Urteilsgründe als auch für die Kokainlieferung im Fall II.B.3.4 der Urteilsgründe vor, die der Mitangeklagte C.U. jeweils in Auftrag gegeben hatte. Der Angeklagte übergab diese beiden Beträge absprachegemäß dem Mitangeklagten W., der das Geld anlässlich der getrennten Lieferungen dem jeweiligen Kurier aushändigte.

Der Angeklagte entfaltete danach im Zuge seiner Tathandlung einheitliche Handelsbemühungen im Rahmen zweier Umsatzgeschäfte, so dass eine Teilidentität der Ausführungshandlungen in seiner Person besteht. Durch die gleichzeitige Weitergabe der Geldbeträge für beide Lieferungen wurden beide Taten für ihn zu Tateinheit verknüpft.

b) Im Übrigen hat die Überprüfung des Schuld- und Strafausspruchs sowie der Kompensationsentscheidung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Indes bedingt die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II.B.3.3, II.B.3.4, II.B.3.8. und II.B.3.9. der Urteilsgründe die Aufhebung der jeweiligen Einzelstrafaussprüche sowie in der Folge des Gesamtstrafenausspruchs.

c) Die Einziehungsentscheidungen halten, soweit diese die Einziehung des Wertes von Taterträgen betreffen, rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.

Die Strafkammer hat Erträge in Höhe von 129.000 Euro für die Taten in den Fällen II.B.3.7, II.B.3.12 und II.D.3.1 der Urteilsgründe in Ansatz gebracht, obwohl der Angeklagte in diesen Fällen weder angeklagt noch verurteilt worden ist. Die im Übrigen rechtsfehlerfrei ermittelte Einziehungssumme des Wertes von Taterträgen beläuft sich daher auf 293.485 Euro. Die weitergehende Einziehung des Wertes von Taterträgen lässt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entfallen.

3. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen sind nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) das neue Tatgericht nicht hindert, die für die tateinheitlich verwirklichte Tat zu verhängende Einzelstrafe in den Fällen II.B.3.3. und II.B.3.4. der Urteilsgründe höher zu bemessen als die eine oder andere der bisher zugemessenen Einzelstrafen; es gebietet nur, dass die Summe der bisherigen Freiheitsstrafen bei der Bemessung der für diese Tat neu festzusetzenden Strafe und die bislang verhängte Gesamtfreiheitsstrafe nicht überschritten werden (vgl. BGH, Urteil vom 16. Oktober 2024 - 6 StR 288/24, Rn. 16 mwN; Beschluss vom 11. Oktober 2022 - 2 StR 101/22, StV 2023, 449, 450).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1273

Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede