HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1266
Bearbeiter: Felix Fischer/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 156/24, Urteil v. 04.06.2025, HRRS 2025 Nr. 1266
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 16. Mai 2023, soweit es den Angeklagten C.U. betrifft, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin geändert, dass die Einziehung von weiteren 33.000 Euro, für die er als Gesamtschuldner haftet, angeordnet wird; die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten M.U. wird verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels betreffend den Angeklagten C.U. fallen dem Angeklagten zur Last. Die Kosten des Rechtsmittels betreffend den Angeklagten M.U. und die ihm im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Das Landgericht hat den Angeklagten C.U. wegen „unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen, davon in einem Fall in vier tateinheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des unerlaubten Überlassens von Kriegswaffen“ schuldig gesprochen, ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe angeordnet. Es hat die Einziehung eines Mobiltelefons, von 10.715 Euro Bargeld sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 427.985 Euro als Gesamtschuldner angeordnet. Den Angeklagten M.U. hat es wegen „unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen sowie des unerlaubten Besitzes von Munition“ schuldig gesprochen, eine Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren zugemessen, eine Kompensationsentscheidung getroffen und neben der Einziehung von zwei Revolverpatronen und 50.000 Euro die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 422.485 Euro als Gesamtschuldner angeordnet.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten und auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen, mit denen sie „insbesondere […] die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen“ im Fall II.B.3.2 angreift. Das den Angeklagten C.U. betreffende Rechtsmittel hat überwiegend Erfolg; hingegen ist die den Angeklagten M.U. betreffende Revision unbegründet.
Das Landgericht hat - soweit für die Rechtsmittel von Bedeutung - zum Fall II.B.3.2 der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte C.U. bestellte spätestens am 31. März 2020 bei einem unbekannten niederländischen Lieferanten zehn Kilogramm (S-)Methamphetamin zum Preis von 11.000 Euro pro Kilogramm und sechs Kilogramm Amphetamin zum Preis von 1.000 Euro pro Kilogramm. Der Mitangeklagte W. nahm die Lieferung, die an (S-)Methamphetamin tatsächlich nur 9,5 Kilogramm umfasste, gemeinsam mit dem Mitangeklagten B. am 1. April 2020 in der Ortslage M. gegen Zahlung eines Bargeldbetrages von 104.500 Euro entgegen, den er zuvor von dem Angeklagten M.U. erhalten hatte. Der Mitangeklagte W. übergab dem Angeklagten C.U. am 4. April 2020 das gesamte gelieferte Amphetamin und fünf Kilogramm (S-) Methamphetamin. Dieser wiederum deponierte einen Teil des (S-)Methamphetamins (drei Kilogramm) in einem Versteck für den Mitangeklagten We., das dieser, wie er zwei Tage zuvor mit dem Angeklagten M.U. vereinbart hatte, zum gewinnbringenden Weiterkauf übernehmen sollte. Der Angeklagte C.U. holte „für die Bezahlung der Betäubungsmittel“ 33.000 Euro bei dem Mitangeklagten We. ab, bevor dieser das Rauschgift am Folgetag aus dem Versteck nahm und anschließend für die Gruppierung zu einem Preis von insgesamt 37.500 Euro verkaufte. Die bei ihm verbliebenen Drogen veräußerte der Angeklagte C.U. in der Folge an diverse - teils unbekannte - Abnehmer zum Preis von 25.000 Euro ([S-]Methamphetamin) bzw. 8.800 Euro (Amphetamin) und folglich insgesamt 33.800 Euro. Dieser Betrag floss in den durch den Angeklagten C.U. und den Angeklagten M.U. verwalteten Bargeldvorrat.
Das Landgericht hat seiner Einziehungsentscheidung bei beiden Angeklagten jeweils einen Betrag von 33.800 Euro zugrunde gelegt.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind zulasten der Angeklagten C.U. und M.U. zulässig und wirksam auf den Ausspruch zur Einziehung des Wertes von Taterträgen in Fall II.B.3.2 der Urteilsgründe beschränkt.
Zwar hat die Beschwerdeführerin die Sachrüge ausdrücklich ohne Einschränkungen erhoben. Hinsichtlich des Angriffsziels ist aber der Sinn der Revisionsbegründung maßgeblich, ausweislich derer die Staatsanwaltschaft ausschließlich die Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Fall II.B.3.2 der Urteilsgründe beanstandet. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV (vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 2024 - 2 StR 290/24, Rn. 9 mwN) versteht der Senat das Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft den Schuldspruch, den Strafausspruch einschließlich der Kompensationsentscheidung, die Maßregelanordnung und die Einziehungsentscheidung - mit Ausnahme der Einziehung des Wertes von Taterträgen im vorbenannten Fall - nicht angreifen will.
Die jeweilige Beschränkung der Revision ist wirksam, da der angefochtene Teil der Entscheidung losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann und die nach dem jeweiligen Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 6. Dezember 2023 - 2 StR 471/22, NZWiSt 2024, 282, 286 Rn. 41, und vom 8. Januar 2025 - 6 StR 241/24, Rn. 5 jew. mwN). Sie hat zudem zur Folge, dass der Schuld- und der Strafausspruch im Fall II.B.3.2 der Urteilsgründe der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2025 - 6 StR 241/24, Rn. 7 mwN).
Das vom Generalbundesanwalt teilweise vertretene Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat betreffend den Angeklagten C.U. überwiegend Erfolg; das Rechtsmittel betreffend den Angeklagten M.U. ist unbegründet.
1. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Prüfung nicht stand, soweit sie den Betrag von 33.000 Euro außer Betracht lässt, den der Mitangeklagte We. an den Angeklagten C.U. zahlte. Soweit sie den Angeklagten M.U. betrifft, erweist sie sich hingegen als frei von Rechtsfehlern.
a) Nach § 73 Abs. 1 StGB sind „durch“ eine rechtswidrige Tat die Vermögenswerte erlangt, die dem Täter aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zufließen, dass sie dessen faktischer Verfügungsgewalt unterliegen (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 26. März 2025 - 5 StR 436/24, Rn. 15; Beschlüsse vom 7. Juni 2022 - 5 StR 331/21, Rn. 11, und vom 7. Februar 2023 - 2 StR 67/22, Rn. 12 jew. mwN).
b) Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die durch den Mitangeklagten We. an den Angeklagten C.U. geleisteten 33.000 Euro erfüllt. Diese Geldmittel dienten nicht, was ihre Einziehung nur als Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB ermöglicht hätte (vgl. insoweit BGH, Beschlüsse vom 12. September 2018 - 5 StR 232/18, Rn. 10; vom 21. Dezember 2021 - 3 StR 339/21, Rn. 3, und vom 7. Juni 2022 - 5 StR 331/21, Rn. 16; Fabricius, in: Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 33 Rn. 149, 152 jew. mwN), dem Ankauf der Betäubungsmittel durch die Bande, der bereits Tage zuvor gegen bare Leistung von 104.500 Euro für 9,5 Kilogramm (S-)Methamphetamin erfolgt war. Vielmehr entsprachen sie einem Anteil an dem in Aussicht genommenen Veräußerungserlös. Dass dieser Veräußerungserlös erst einen Tag später durch den Mitangeklagten We. realisiert wurde, hindert nicht, dass der Angeklagte C.U. vorab 33.000 Euro aus der Verwirklichung des gemeinschaftlichen Bandenhandels erlangte. Bei dem durch den Mitangeklagten We. geleisteten Betrag handelt es sich für den Angeklagten C.U. um einen Teil des durch die Tat erzielten Gesamttatertrages.
c) Da das Landgericht das gesamte Geschehen - insbesondere die bandeninterne Zahlung von 33.000 Euro und die Weiterveräußerung durch den Mitangeklagten We. für 37.500 Euro - rechtsfehlerfrei als eine einheitliche gemeinschaftliche (Banden-)Tat unter anderem dieser beiden Angeklagten festgestellt hat, ist die Haftung des Angeklagten C.U. als gesamtschuldnerische zu kennzeichnen. Dies verhindert, dass das aus der Bandentat Erlangte - hier der Erlös der Bande von insgesamt 37.500 Euro für drei Kilogramm (S-) Methamphetamin - in Höhe eines Teilbetrags von 33.000 Euro mehrfach eingezogen wird (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2018 - 3 StR 144/18, BGHR StGB § 73 Erlangtes 25 Rn. 16, 17 mwN). Insoweit bleibt die Entscheidung des Senats betreffend den Angeklagten C.U. hinter dem Antrag der Staatsanwaltschaft zurück, was zur Verwerfung der Revision in diesem Umfang führt.
Für eine Erstreckung der gesamtschuldnerischen Haftung in Höhe von 33.000 Euro auf den Mitangeklagten We. entsprechend § 357 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2021 - 2 StR 51/21, Rn. 10) besteht bereits deshalb kein Anlass, weil dieser selbst Revision eingelegt hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1986 - 2 StR 640/85, Rn. 10).
d) Soweit sie den Angeklagten M.U. betrifft, erweist sich die Einziehungsentscheidung hingegen im Umfang der Anfechtung als rechtsfehlerfrei. Dass der Betrag von 33.000 Euro dem „gemeinsam verwalteten Bargeldvorrat“ zugeflossen wäre, hat die Strafkammer im Fall II.B.3.2 der Urteilsgründe - im Gegensatz zu den Einnahmen in Höhe von 33.800 Euro - nicht festgestellt. Es ist dem Urteil auch im Übrigen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte M.U. zumindest faktische Mitverfügungsgewalt über diesen Bargeldbetrag gehabt hätte.
2. Die im Umfang der Anfechtung nach § 301 StPO gebotene Überprüfung der Einziehungsentscheidung im Fall II.B.3.2 der Urteilsgründe hat keine Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3. Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen selbst ab (vgl. BGH, Urteile vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623/17, 5 StR 624/17, Rn. 12; vom 27. September 2018 - 4 StR 78/18, NStZ-RR 2019, 22, 23, und vom 4. Oktober 2018 - 3 StR 251/18, Rn. 28). § 265 Abs. 2 Nr. 1 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte C.U. nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO, soweit sie den Angeklagten M.U. betrifft, und für den Angeklagten C.U. aus § 465 Abs. 1, § 473 Abs. 4 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1964 - 3 StR 55/63, BGHSt 19, 226, 228 f.). Angesichts des ganz überwiegenden Erfolgs des Rechtsmittels ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den Kosten in voller Höhe zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1266
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