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HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1176

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, StB 35/23, Beschluss v. 10.08.2023, HRRS 2023 Nr. 1176


BGH StB 35/23 - Beschluss vom 10. August 2023 (OLG Koblenz)

Sofortige Beschwerde gegen Nichteröffnungsbeschluss eines Oberlandesgerichts; Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland (Unterstützungshandlung); Außenwirtschaftsstrafrecht.

§ 129a StGB; § 129b StGB; § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG; § 210 Abs. 2 StPO; § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Bundesgerichtshof hat im Zuge der sofortigen Beschwerde gegen einen Nichteröffnungsbeschluss eines Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbständig zu würdigen.

2. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn eine Unterstützungs- bzw. Förderungshandlung i.S. des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang. In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen.

Entscheidungstenor

Auf die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz wird

1. der Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. März 2023 aufgehoben,

2. die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft vom 29. Dezember 2022 unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz mit der Änderung zugelassen, dass die angeklagten Taten jeweils tateinheitlich auch als Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG gewertet werden.

Gründe

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten mit der zum Oberlandesgericht Koblenz erhobenen Anklage vor, in drei Fällen eine Vereinigung im Ausland unterstützt zu haben, deren Zwecke und deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB), Totschlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 VStGB) zu begehen. Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 15. März 2023 die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen abgelehnt, eine Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen sowie ausgesprochen, dass der Angeklagte für eine Durchsuchungsmaßnahme und die Sicherstellung verschiedener Gegenstände zu entschädigen sei. Dagegen wendet sich die Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie beantragt, den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben, die Anklage zur Hauptverhandlung zuzulassen und das Hauptverfahren vor dem Oberlandesgericht Koblenz zu eröffnen. Das Rechtsmittel hat Erfolg; darüber hinaus ist die Anklage auch insoweit zuzulassen, als hinsichtlich der angeklagten Taten jeweils tateinheitlich eine Strafbarkeit wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Betracht kommt.

I.

1. Mit der Anklageschrift vom 29. Dezember 2022 wird dem Angeklagten im Wesentlichen Folgendes zur Last gelegt:

a) Der am 19. Oktober 1993 geborene Sohn des Angeklagten, M. D., reiste im März 2016 aus Deutschland aus und gelangte über die Türkei nach Syrien, wo er sich der terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) als Mitglied anschloss und den Namen“ “ führte. Er trainierte zunächst mehrere Monate in einem Ausbildungslager des IS, wurde an Waffen ausgebildet, beteiligte sich anschließend an Kampfhandlungen und übernahm Wachdienste. Er heiratete die aus Indonesien stammende“ “, die sich ebenfalls dem IS angeschlossen hatte und zwei Kinder mit in die Ehe brachte. Aus dieser Verbindung ist eine gemeinsame Tochter hervorgegangen. M. D. blieb bis zuletzt Anhänger des IS und begab sich, als der IS sein Herrschaftsgebiet nahezu vollständig verloren hatte, in die letzte verbliebene Hochburg Baghouz. Zuvor hielt er sich bis zum jeweiligen Verlust dieser Städte unter anderem in Idlib und Abu Kamal auf. Im März 2019 ergab er sich kurdischen Truppen, die das Gebiet um Baghouz einnahmen, und wurde getrennt von seiner Familie inhaftiert.

Der Angeklagte, der bereits die Radikalisierung seines Sohnes in Deutschland mitverfolgte, wusste, dass dieser sich nach Syrien begeben und dem IS angeschlossen hatte. Nachdem er zunächst einige Monate keinen Kontakt zu seinem Sohn hatte, stand er in der Folgezeit bis zu dessen Inhaftierung im Jahr 2019 in regelmäßigem Kontakt mit ihm via Mobiltelefon und über Messengerdienste. Auf Bitten des Sohnes transferierte der Angeklagte bei drei Gelegenheiten zwischen dem 18. Juni 2018 und dem 21. August 2018 unter Einschaltung der als Finanzagentin tätigen, gesondert verfolgten N. bzw. ihres Ehemannes K. Geld an M. D. N. war Inhaberin eines Kontos bei der Sparkasse S. Auf diesem Konto gingen drei Überweisungen ein, am 18. Juni 2018 vom Konto des Angeklagten in Höhe von 500 € sowie jeweils vom Konto der Ehefrau des Angeklagten am 12. Juli 2018 in Höhe von 200 € und am 21. August 2018 in Höhe von 500 €.

Der Angeklagte wollte damit seinen Sohn und dessen Familie finanziell unterstützen. Er ermöglichte diesem zugleich durch die Sicherung seines Lebensunterhalts den weiteren Verbleib beim IS und nahm zumindest billigend in Kauf, dass er so auch die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar förderte, was sich auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung durch den Erhalt eines Mitglieds samt Familie positiv auswirkte und damit die Gefährlichkeit der Vereinigung festigte.

b) In der Anklageschrift werden diese Sachverhalte jeweils als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gewürdigt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).

2. Das Oberlandesgericht Koblenz hat zur Begründung seiner die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Es fehle - auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift - an der Beschreibung einer konkret für die Organisation wirksamen Unterstützungsleistung. Hinsichtlich einer direkten Unterstützung des IS mangele es an einem vereinigungsbezogenen Vorteil als Folge der Übermittlung von Geldmitteln an M. D. So sei bereits die erfolgreiche Überlassung der Geldüberträge an ihn nicht nachweisbar. Im Übrigen läge, den Erhalt der Zahlungen in voller Höhe durch M. D. unterstellt, hierin keine Unterstützung des IS, da davon auszugehen sei, dass der zugewendete Vorteil unmittelbar bei dessen Familie verblieben und nicht der Vereinigung als überindividuellem Personenverband zu Gute gekommen sei. Hinsichtlich einer mittelbaren Unterstützung des IS durch Förderung der mitgliedschaftlichen Beteiligung des M. D. seien keine tauglichen Anknüpfungspunkte gegeben.

Aus denselben Gründen liege auch keine Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 und Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 vor.

II.

Die gemäß § 210 Abs. 2, § 304 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft führt zur Eröffnung des Hauptverfahrens unter Zulassung der - zu ändernden - Anklage zur Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Koblenz und zur Aufhebung der mit der Nichteröffnung einhergehenden Entschädigungs- und Kostenentscheidungen.

Gemäß § 203 StPO beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ein hinreichender Tatverdacht ist zu bejahen, wenn bei vorläufiger Tatbewertung auf Grundlage des Ermittlungsergebnisses die Verurteilung in einer Hauptverhandlung mit vollgültigen Beweismitteln wahrscheinlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2003 - StB 3/03, BGHR StPO § 210 Abs. 2 Prüfungsmaßstab 2; vom 7. Oktober 2021, StB 31 u. 32/21, juris Rn. 9; jeweils mwN). Der hinreichende Tatverdacht setzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Verurteilung voraus; damit wird ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt, als dies beim dringenden Tatverdacht im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 1 oder § 126a StPO der Fall ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. April 2003 - StB 3/03, aaO; vom 7. Oktober 2021, StB 31 u. 32/21, aaO). Erst recht ist zur Eröffnung des Hauptverfahrens nicht die für eine Verurteilung notwendige volle richterliche Überzeugung erforderlich. Der Bundesgerichtshof hat als Beschwerdegericht das Wahrscheinlichkeitsurteil des Oberlandesgerichts und dessen rechtliche Bewertung in vollem Umfang nachzuprüfen und die Voraussetzungen der Eröffnung selbständig zu würdigen (BGH, Beschlüsse vom 26. März 2009 - StB 20/08, BGHSt 53, 238 Rn. 24 ff.; vom 15. Oktober 2013 - StB 16/13, juris Rn. 16).

1. Die nach diesen Vorgaben vorzunehmende Bewertung ergibt, dass der Angeklagte der ihm vorgeworfenen Straftaten hinreichend verdächtig ist. Denn das Ermittlungsergebnis rechtfertigt bei vorläufiger Tatbewertung die Annahme einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeklagte den IS und damit eine terroristische Vereinigung im Ausland unterstützte (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB).

a) Unter einem Unterstützen im Sinne von § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ist grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und deren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136). Dies kann zum einen dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Beteiligungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft (vgl. etwa BGH, Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17). Zum anderen greift der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich auch und - wie schon der Wortlaut des Gesetzes zeigt - sogar in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss (vgl. BGH, Urteile vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 136; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 16 ff.). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn die Förderungshandlung an sich konkret wirksam, für die Organisation objektiv nützlich ist und dieser mithin irgendeinen Vorteil bringt; ob der Vorteil genutzt wird und daher etwa eine konkrete, aus der Organisation heraus begangene Straftat oder auch nur eine organisationsbezogene Handlung eines ihrer Mitglieder mitprägt, ist dagegen ohne Belang (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5; Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 134; Beschluss vom 16. Mai 2007 - AK 6/07, BGHSt 51, 345 Rn. 11). In diesem Sinne muss der Organisation durch die Tathandlung kein messbarer Nutzen entstehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 18; Beschluss vom 11. Juli 2013 - AK 13/13 u.a., BGHSt 58, 318 Rn. 19).

b) Hieran gemessen ist der Angeklagte hinreichend verdächtig, durch seine Tätigkeiten den IS, eine terroristische Vereinigung im Ausland, unterstützt zu haben.

aa) Hinreichender Tatverdacht hinsichtlich der Radikalisierung des M. D., sowie seiner Ausreise und mitgliedschaftlichen Beteiligung an der ausländischen terroristischen Vereinigung IS ergibt sich aus den im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift vom 29. Dezember 2022 aufgeführten Beweismitteln.

bb) Aufgrund der dort genannten Beweismittel ist im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts weiter davon auszugehen, dass M. D. die auf das Konto der gesondert verfolgten N. überwiesenen Geldbeträge erhielt.

Dafür spricht zunächst die Erklärung des Verteidigers des Angeklagten vom 19. April 2022, nach welcher der Angeklagte die drei Zahlungen unmittelbar an seinen Sohn geleistet habe (Bl. 311 d.A.). Auch wenn mit dieser Erklärung der Zahlungsweg im Einzelnen nicht belegt ist und sie auch in dem Sinn verstanden werden kann, dass die Zahlungen dem Sohn selbst und nicht der Organisation zu Gute gekommen sind, erscheint hiernach wahrscheinlich, dass die drei Zahlungen bei dem Sohn ankamen. Auch die Angaben der Ehefrau des Angeklagten in ihrer Vernehmung vom 4. September 2019 (Bl. 40 d.A.) sprechen dafür, dass M. D. die tatgegenständlichen Zahlungen erhielt. Danach habe der Angeklagte ihr Bankkonto verwendet, um damit Geld an N. zu überweisen. Diese rufe dann in Syrien an und M. erhalte das Geld. Soweit das Oberlandesgericht hinsichtlich der Aussagen der Zeugin angenommen hat, deren Angaben seien nicht glaubhaft, da sie während ihrer verschiedenen Vernehmungen variierten und vor dem Hintergrund von Strafanzeigen wegen Körperverletzung gegen den Angeklagten ein Belastungseifer der Zeugin gegeben sei, muss eine abschließende Bewertung der Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. Eine ins Einzelne gehende Glaubhaftigkeitsanalyse der Aussage der Zeugin ist im jetzigen Stadium des Verfahrens weder rechtlich geboten noch tatsächlich möglich (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 22. Februar 2018 - AK 4/18 und StB 29/17, juris Rn. 28; vom 26. Juni 2019 - StB 10/19, NStZ-RR 2019, 282). Diesbezüglich ist im Übrigen zu bemerken, dass die späteren Vernehmungen der Zeugin im Vergleich zu den vorausgegangenen deutlich detailreicher und konkreter sind.

Dafür, dass die Gelder M. D. erreichten, spricht indiziell im Übrigen, dass sich - ausweislich des Auswertevermerks vom 21. November 2019 (Bl. 63 ff. d.A.) - auf den Konten der gesondert verfolgten N. hohe, teils sechsstellige Geldbeträge befanden und eine Vielzahl von Transaktionen vorgenommen wurden. Zudem übermittelten - wie dem Ermittlungsbericht vom 8. Februar 2022 (Sonderband „Ausdrucke 3 Js 63/20 GenStA Düsseldorf Band II“, Bl. 293 ff.) zu entnehmen ist - verschiedene Angehörige von Personen, die sich nach polizeilichen Erkenntnissen dem IS angeschlossen hatten, Gelder an N., um diese den jeweiligen Mitgliedern des IS zukommen zu lassen. Beispielhaft genannt sei insoweit eine Überweisung vom 28. Juni 2018 von L. und Ma. Ko. in Höhe von 200 € mit dem Verwendungszweck „für meine Tochter Mo. “. Dafür, dass der Sohn des Angeklagten die Gelder mit Wahrscheinlichkeit erhielt, lässt sich ferner anführen, dass nacheinander drei Zahlungen in einem Zeitraum von etwa zwei Monaten ausgeführt wurden; mit einiger Wahrscheinlichkeit wären nachfolgende Überweisungen nicht mehr vorgenommen worden, wenn der erste Betrag den vorgesehenen Empfänger nicht erreicht hätte. Soweit das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang erwogen hat, dass eine Provision für die gesondert verfolgte N. abzuziehen sei oder Gelder auf dem Weg nach Syrien verloren gegangen seien, fehlt es insoweit an einer tragfähigen Tatsachengrundlage, zumal angesichts der Angaben der Zeugin, dass N. telefoniere und M. D. das Geld dann ausgezahlt bekomme, Vieles dafür spricht, dass diese in ein Hawala-Banking-System eingebunden war.

cc) Des Weiteren ist aufgrund der im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift vom 29. Dezember 2022 aufgeführten Beweismittel im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts davon auszugehen, dass die Geldbeträge der Organisation objektiv nützlich waren und ihr einen Vorteil im zuvor genannten Sinne brachten.

Soweit M. D. erhaltene Gelder zur Finanzierung seines Lebensunterhalts und des Unterhalts seiner Familie verwendete, besteht ein hinreichender Tatverdacht dahin, dass durch die Zahlungen der IS unterstützt wurde, weil erst sie es dem M. D. möglich machten, weiterhin uneingeschränkt als Kämpfer für den IS tätig zu sein (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 9. Januar 2020 - AK 61/19, juris Rn. 29; vom 28. Mai 2018 - 3 StR 490/17, juris Rn. 5). Denn ausweislich des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. St. vom 22. April 2019 (6 OJs 6-20 SB Strukturerkenntnisse IS Band 1, Bl. 378 ff., S. 12 f.) bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der IS im Tatzeitraum nicht mehr in der Lage war, seine Kämpfer ausreichend zu alimentieren. Danach habe der IS im Laufe der Jahre 2015, 2016 und 2017 unter zunehmenden finanziellen Problemen gelitten, und es sei von einer Reduzierung der Zahlungen an die Kämpfer berichtet worden. Dementsprechend ist auf der Grundlage sachverständiger Ausführungen in einem anderen Verfahren festgestellt worden, dass die Kämpfer zunehmend auf Geldzahlungen aus dem Ausland angewiesen gewesen seien, und zwar nicht nur, um sich damit selbst zu unterhalten und so weiter für den IS tätig sein zu können, sondern auch, um mit solchen Geldern Waffen und Munition für ihre Tätigkeit als IS-Kämpfer zu erwerben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20, juris Rn. 13), was ebenfalls berücksichtigt werden kann. Im Sinne eines hinreichenden Tatverdachts führten die Zuwendungen mithin nicht lediglich zu einer Verbesserung der privaten Lebenssituation eines prinzipiell ausreichend versorgten Empfängers ohne positiven Effekt für die Vereinigung (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - StB 18/17, NStZ-RR 2018, 72, 74). Dafür sprechen indiziell auch die Angaben des Angeklagten, der in den Zeugenvernehmungen vom 7. März 2019 und 30. April 2019 ausgeführt hat, dass sein Sohn am Ende mit Sicherheit kein Geld, also keinen Lohn, mehr vom IS bekommen habe; vorher wisse er es nicht, denke aber, dass es in Rakka noch Geld gegeben habe (Sonderband „Auszüge aus 2 BJs 598/19-9 GBA“, Bl. 14, 23).

2. Hinreichender Tatverdacht besteht in allen drei Fällen auch hinsichtlich einer tateinheitlich (vgl. insofern BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, NStZ-RR 2021, 388, 390 mwN) begangenen Zuwiderhandlung gegen das Bereitstellungsverbot nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Variante 8 AWG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 (ABl. L 139 vom 29. Mai 2002, S. 9) und Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 632/2013 der Kommission vom 28. Juni 2013 (ABl. L 179 vom 29. Juni 2013, S. 85). Danach dürfen den in Anhang I der Durchführungsverordnung, in dem auch der IS gelistet ist, aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen, Einrichtungen und Vereinigungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugutekommen (vgl. zur Strafbarkeit im Einzelnen BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - 3 StR 156/20, NStZ 2022, 423 Rn. 9; Beschluss vom 11. August 2021 - 3 StR 268/20 Rn. 15 ff., BGHR AWG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Bereitstellungsverbot 1 Rn. 19 f. mwN).

3. Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens entfallen die vom Oberlandesgericht in dem angefochtenen Beschluss getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung (vgl. § 464 Abs. 1 StPO) sowie der Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für die Durchsuchungsmaßnahme und die Sicherstellung verschiedener Gegenstände (vgl. § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 StrEG).

HRRS-Nummer: HRRS 2023 Nr. 1176

Bearbeiter: Fabian Afshar/Karsten Gaede