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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 805

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, AK 23/22, Beschluss v. 13.07.2022, HRRS 2022 Nr. 805


BGH AK 23/22 - Beschluss vom 13. Juli 2022

Fortdauer der Untersuchungshaft.

§ 112 StPO

Entscheidungstenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main übertragen.

Gründe

I.

Der Angeklagte ist am 16. September 2021 vorläufig festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Kassel vom 17. September 2021 (200 Gs 3420/21) und nunmehr aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 29. Dezember 2021 (3 BGs 483/21), neu gefasst durch Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2022 (5 - 2 StE 4/22-5a - 1/22).

Gegenstand des aktuellen Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe in der Zeit von Juli 2021 bis zu seiner vorläufigen Festnahme am 16. September 2021 in S. als Heranwachsender versucht, eine Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 2 StGB zu gründen, deren Zweck oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen sei, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen. Tatmehrheitlich hierzu habe er eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er Gegenstände und Stoffe, die für die Herstellung von Spreng- und Brandvorrichtungen wesentlich sind, hergestellt und verwahrt habe; zudem habe er durch dieselbe Handlung vorsätzlich entgegen § 2 Abs. 3 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.3.4 Gegenstände, mit denen unter Verwendung explosionsgefährlicher oder explosionsfähiger Stoffe eine Explosion ausgelöst werden kann (unkonventionelle Sprengvorrichtungen), hergestellt und besessen und sei vorsätzlich ohne die erforderliche Erlaubnis entgegen § 27 Abs. 1 SprengG mit explosionsgefährlichen Stoffen umgegangen. Der Haftbefehl geht insofern von einer mutmaßlichen Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3, § 129 Abs. 2, § 129a Abs. 1 Nr. 1, §§ 22, 23 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB, § 27 Abs. 1, § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG, § 2 Abs. 3, § 52 Abs. 1 Nr. 1 Variante 2 und 7 WaffG, §§ 1, 105 JGG aus.

Der Generalbundesanwalt hat wegen des den Haftbefehlen zugrundeliegenden Sachverhalts unter dem 31. März 2022 Anklage zum Oberlandesgericht erhoben. Der Senat hat mit Beschluss vom 6. April 2022 (AK 11/22) die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Am 24. Mai 2022 hat das Oberlandesgericht das Hauptverfahren eröffnet, am 2. Juni 2022 den angepassten Haftbefehl verkündet und am 22. Juni 2022 abermals über die Haft entschieden.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus liegen vor (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO).

1. Hinsichtlich des dringenden Tatverdachts, der diesen belegenden Umstände, der rechtlichen Bewertung und der Haftgründe der Fluchtgefahr sowie der Schwerkriminalität wird auf die fortgeltenden Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 6. April 2022 Bezug genommen. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen, sich insbesondere aus dem rechtsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 24. Mai 2022 ergebenden Ermittlungsergebnisse liegt ein dringender Tatverdacht auch nach dem gegenwärtigen Sachstand vor.

2. Die besondere Schwierigkeit sowie der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen weiterhin die Haftfortdauer. Ergänzend zu den im Beschluss vom 6. April 2022 genannten Erwägungen ist von Belang, dass das in Bezug genommene rechtsmedizinische Sachverständigengutachten und ein insoweit vorbereitendes kriminaltechnisches Gutachten des Bundeskriminalamts erst am 5. bzw. 27. Mai 2022 eingegangen sind. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren seit Erhebung der Anklage zügig betrieben und dieselbe bereits am 24. Mai 2022 zur Hauptverhandlung zugelassen.

3. Der andauernde Vollzug der Untersuchungshaft steht nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeklagten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Dies gilt nach den gegebenen Umständen auch mit Blick auf die Bestimmung der Hauptverhandlungstermine ab dem 2. August 2022. Zum einen ist die im Regelfall einzuhaltende Frist von drei Monaten, innerhalb derer nach dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses mit der Hauptverhandlung zu beginnen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1853/20, NStZ-RR 2021, 50, 51 mwN), gewahrt. Zum anderen ermöglicht die Terminierung, die bislang auf 28 Tage bestimmte Hauptverhandlung nach der Urlaubszeit stringent ohne längere Unterbrechungen durchzuführen.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 805

Bearbeiter: Christian Becker