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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 115

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 86/21, Beschluss v. 09.11.2021, HRRS 2022 Nr. 115


BGH 2 StR 86/21 - Beschluss vom 9. November 2021 (LG Gera)

Grundsätze der Strafzumessung (Strafrahmenwahl; strafschärfende Berücksichtigung der Begehung der Tat).

§ 46 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 1. Dezember 2020, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung und versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand (§ 349 Abs. 2 StPO).

2. Hingegen hat der Strafausspruch keinen Bestand.

a) Das Landgericht hat im Fall der besonders schweren räuberischen Erpressung bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung im engeren Sinne strafschärfend gewertet, der Tat komme erhebliche kriminelle Energie „auch durch das überfallartige Vorgehen des Angeklagten zu“; der Geschädigte sei „für den Angeklagten eine wildfremde Person [gewesen], die (…) jedoch ein vielversprechendes Opfer darstellte“. Damit hat die Strafkammer unter Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB dem Angeklagten letztlich die Begehung der Tat als solche zur Last gelegt.

b) Gleiches gilt im Fall der versuchten räuberischen Erpressung, in welchem die Strafkammer sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, dieser habe „im Laufe des Geschehens einen eigenen Tatantrieb entwickelt“ und sich „unter Herausbildung seines neuen Tatentschlusses (…) zur alleinigen Tatherrschaft auf[geschwungen]“.

c) Der Senat vermag ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesen Rechtsfehlern nicht auszuschließen.

d) Die getroffenen Feststellungen werden durch die Wertungsfehler nicht berührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.

3. Der nach der Zurückverweisung mit der Sache befasste Tatrichter wird bei der Prüfung, ob beim Angeklagten im Tatzeitpunkt infolge Alkoholintoxikation die Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, zu erörtern und gegebenenfalls als wesentlichen für eine Einschränkung sprechenden Umstand zu berücksichtigen haben, inwiefern die Tat - wie in den Feststellungen des angefochtenen Urteiles mehrfach hervorgehoben - für den Angeklagten „charakteruntypisch“ bzw. „wesensfremd“ war.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 115

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß