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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1045

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 63/21, Beschluss v. 27.05.2021, HRRS 2021 Nr. 1045


BGH 2 StR 63/21 - Beschluss vom 27. Mai 2021 (LG Kassel)

Konkurrenzen (Betrug; Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte; Geiselnahme); Einziehung.

§ 263 StGB; § 239b StGB; § 113 StGB; § 52 StGB; § 73 StGB; § 73c StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 30. Oktober 2020

a) im Schuld- sowie im Einziehungsausspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie des Betruges in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist und gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.780 € angeordnet wird,

b) im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

1. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe jeweils einen Betrug zum Nachteil des Zeugen L. G. und der Zeugin A. G. begangen und sich im Fall II.2 der Urteilsgründe der Geiselnahme und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht hat. Die Annahme hingegen, diese Straftaten stünden jeweils in Realkonkurrenz, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Im Fall II.1 der Urteilsgründe hat das Landgericht übersehen, dass sich die Ausführungshandlungen der Betrugstaten jedenfalls teilweise überschneiden. Denn nach den Feststellungen erklärte der Angeklagte gegenüber den beiden Zeugen bewusst wahrheitswidrig und zur Aufrechterhaltung der Täuschung bzw. der irrigen Vorstellung bei den Tatopfern, dass er die bestellten Geräte bzw. Gegenstände innerhalb der nächsten Tage bei der Fa. A. persönlich abholen und zu der Pension G. verbringen werde (UA S. 13). Zudem behauptete er, dass er die Geräte direkt bei der Abholung bezahlen müsse, und forderte sie auf, den jeweils vereinbarten Gesamtkaufpreis vorab in bar zu übergeben. Durch diese wahrheitswidrigen Erklärungen hat der Angeklagte beide Zeugen zugleich getäuscht und dazu veranlasst, den vereinbarten Kaufpreis in bar zu übergeben.

Die Betrugstaten stehen daher im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander (Teilidentität der Ausführungshandlungen, vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., vor § 52 Rn. 20 m.w. Nachw).

b) Hinsichtlich Fall II.2 der Urteilsgründe liegt ebenfalls - anders als das Landgericht angenommen hat - Tateinheit zwischen der Geiselnahme und des ihr nachfolgenden Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte vor. Denn beide Taten stehen in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang und waren von dem einheitlichen Entschluss des Angeklagten getragen, sich der Festnahme durch die Polizeibeamten zu entziehen. Sie stellen sich bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als einheitliches Tun dar (natürliche Handlungseinheit, vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 - GSSt 4/17, BGHSt 63, 1; Fischer, aaO, Rn. 3 ff.).

c) Der Senat kann den Schuldspruch in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ändern und dahingehend berichtigen, dass der Angeklagte der Geiselnahme in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie des Betruges in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen schuldig ist. § 265 Abs. 1 StGB steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

2. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs, denn das Landgericht hat in Folge der rechtsfehlerhaften Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse nicht zwei, sondern vier Einzelstrafen festgesetzt und daraus die Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da es sich insoweit um einen bloßen Wertungsfehler handelt.

3. Die Einziehung des Betrages von 1.780 € ist nicht auf § 73 Abs. 1 StGB, sondern auf § 73 c Abs. 1 StGB (als Einziehung des Wertes von Taterträgen) zu stützen.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1045

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß