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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 426

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 253/21, Beschluss v. 14.12.2021, HRRS 2022 Nr. 426


BGH 2 StR 253/21 - Beschluss vom 14. Dezember 2021 (LG Köln)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Vorliegen eines Hangs: Beweiswürdigung, Abweichen von der Einschätzung eines Sachverständigen, Darstellung in den Urteilsgründen).

§ 64 StGB; § 246a StPO; § 261 StPO; § 267 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17. Februar 2021 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Vorwegvollzug von zwei Jahren der verhängten Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, die hinsichtlich des Maßregelausspruchs Erfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Schuld- und Strafausspruch begegnen keinen revisionsrechtlichen Bedenken, jedoch hält die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift dazu ausgeführt:

„Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB kommt nur in Betracht, wenn positiv feststeht, dass bei dem Angeklagten ein Hang besteht, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Das Landgericht geht zwar davon aus, dass bei dem Angeklagten ein solcher Hang vorliegt, weil er über viele Jahre hinweg durch Übung die Neigung erworben habe, immer wieder und dann im Übermaß Alkohol zu konsumieren (UA S. 67), jedoch belegen die Urteilsgründe nicht, dass es sich hiervon rechtsfehlerfrei überzeugt hätte. Die Revision wendet insoweit zu Recht ein, dass das Landgericht das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB abweichend von der Einschätzung der Sachverständigen bejaht hat, ohne die abweichende Beurteilung ausreichend zu begründen (RB S. 20). Zwar ist das Tatgericht nicht gehalten, einem Sachverständigen zu folgen. Kommt es aber hinsichtlich einer Frage, für deren Beantwortung - wie hier nach § 246a StPO - die Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe gesetzlich vorgeschrieben ist, zu einem anderen Ergebnis, so muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem Revisionsgericht die Nachprüfung erlaubt, ob es die Darlegungen des Sachverständigen zutreffend gewürdigt und aus ihnen rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit dessen Ausführungen zu den Gesichtspunkten, auf die das Gericht seine abweichende Auffassung stützt (BGH, Urteil vom 28. Mai 2018 - 1 StR 51/18, NStZ-RR 2018, 275; Beschlüsse vom 13. September 2001 - 3 StR 333/01, NStZ-RR 2002, 259; vom 18. Oktober 2017 - 3 StR 368/17). An einer solchen Auseinandersetzung, die umso mehr geboten war, als das Gericht sich ebenso wie die Sachverständige bei ihrer Einschätzung allein auf die Angaben des Angeklagten zu seinem Konsumverhalten stützt (UA S. 67), fehlt es hier aber. Die Anordnung der Maßregel kann daher keinen Bestand haben.“ Dem schließt sich der Senat an.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 426

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß