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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 737

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 223/21, Beschluss v. 15.02.2022, HRRS 2022 Nr. 737


BGH 2 StR 223/21 - Beschluss vom 15. Februar 2022 (LG Kassel)

Strafzumessung (keine Berücksichtigung des Fehlens möglicher Strafmilderungsgründe zu Lasten des Angeklagten; keine Verwertung von bereits zum Tatbestand gehörenden Umständen; Betäubungsmitteldelikte).

§ 46 StGB; § 29a Abs. 2 BtMG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 22. Januar 2021, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt.

2. Die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten im Schuldspruch nicht ergeben. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu Folgendes ausgeführt:

„Die Strafkammer hat sowohl bei der Verneinung eines minder schweren Falles im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der anschließenden konkreten Strafzumessung strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „ohne in finanzieller Not und/selbst allein betäubungsmittelabhängig zu sein - allein aus nicht unerheblichem Gewinnstreben“ gehandelt hat (UA S. 36 f.). Damit hat die Kammer rechtsfehlerhaft das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 05. März 2020 - 1 StR 42/20 -; vom 5. Februar 2020 - 2 StR 517/19 -, NStZ-RR 2020, 146-147; vom 22. Mai 2018 - 4 StR 100/18 -, StV 2019, 325-326, jeweils m.w.N.). Außerdem lässt diese Formulierung besorgen, dass das Landgericht entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 05. Februar 2020 - 2 StR 517/19 - a.a.O.).“ Dem schließt sich der Senat an und hebt den Strafausspruch auf, da nicht auszuschließen ist, dass das Landgericht ohne die rechtsfehlerhaften Erwägungen auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es insoweit nicht, weil es sich allein um einen Wertungsfehler handelt.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die weitere Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe mit dem Handeltreiben die im Vergleich zum Besitz von Betäubungsmitteln verwerflichere Variante verwirklicht, rechtlich nicht unbedenklich ist (vgl. einerseits BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2019 - 4 StR 171/19 Rn. 7; Senat, Urteil vom 4. Februar 2015 - 2 StR 366/14, NStZ 2015, 344, andererseits BGH, Beschluss vom 23. November 1999 - 5 StR 316/99, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 4; zum Meinungsstand Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1807).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 737

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß