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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1104

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, AK 30/20, Beschluss v. 03.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1104


BGH AK 30/20 - Beschluss vom 3. September 2020

Dringender Tatverdacht wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

§ 129a StGB

Entscheidungstenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Gründe

I.

Der Beschuldigte wurde am 14. Februar 2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dem 15. Februar 2020 ununterbrochen in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (3 BGs 167/20).

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in A., M. und anderen Orten seit dem 7./8. Februar 2020 eine Vereinigung unterstützt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB.

II.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Beschuldigte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig.

a) Nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Spätestens kurz vor dem 28. September 2019 kamen die Mitbeschuldigten S., E., N., B. und U. überein, sich auf unbestimmte Zeit zu der „Gruppe“ zusammenzuschließen. Diese Personenvereinigung war darauf ausgerichtet, ihre rechtsextremistische Ideologie gewaltsam durch koordinierte Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens durchzusetzen. Unter anderem planten die Mitglieder der Gruppe, als Einzeltäter oder in kleinen Einheiten Moscheen anzugreifen und eine möglichst große Zahl dort Anwesender zu töten oder zu verletzen. Die Anschläge sollten die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre demokratisch gewählten Vertreter in erheblicher Weise einschüchtern und bürgerkriegsartige Zustände im Land auslösen. Letztlich wollte die „Gruppe“ durch die Gewalttaten die bestehende Staatsund Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland erschüttern und überwinden.

Die Organisation verfügte über eine hierarchische Struktur und abgegrenzte Zuständigkeiten. Der Mitbeschuldigte S. war der „Kopf“ der Gruppe, der diese ins Leben rief, als treibende Kraft fungierte, die Treffen initiierte, die inhaltlichen Vorgaben machte, die Aufgaben zuwies und in allen wesentlichen Belangen das letzte Wort hatte. Der Mitbeschuldigte E. war die rechte Hand des Mitbeschuldigten S. Er war unter anderem mit der praktischen Organisation der Zusammenkünfte befasst und willens, zur Umsetzung der Gruppenziele erforderlichenfalls sein Leben zu opfern. Letzteres gilt gleichermaßen für den Mitbeschuldigten N., der sein Haus für ein Treffen der Gruppe zur Verfügung stellte und dem Mitbeschuldigten S. Treue bis in den Tod versprochen hatte. Der Mitbeschuldigte B. konnte aufgrund seiner beruflichen Qualifikation Waffen bearbeiten und verändern; er wurde von S. als jemand geschätzt, der „zu allem bereit“ ist. Der Mitbeschuldigte U., der wegen zahlreicher Gewalttaten bereits über 20 Jahre Haft verbüßt hatte, bekleidete die Rolle eines „getreuen Fußsoldaten“.

Der Mitbeschuldigte S. suchte gemeinsam mit dem Mitbeschuldigten E. über diesen Kreis hinaus fortlaufend nach weiteren geeigneten Kämpfern für die geplanten Anschläge. Seine Vernetzung in der Szene ermöglichte es ihm, eine vierstellige Zahl gewaltbereiter Rechtsextremer anzusprechen und - nach seiner Vorstellung - für Anschläge zu mobilisieren. Zu diesem Zweck pflegte er persönliche Kontakte zu ihm ideologisch nahestehenden Mitgliedern anderer Organisationen, betätigte sich in rechtsextremistisch ausgerichteten Messenger-Chatgruppen bzw. gründete solche und führte - unterstützt durch E. - Einzelgespräche mit Anwärtern, um ihre Gewaltbereitschaft zu überprüfen. Auf diese Weise fanden die Mitbeschuldigten Ba., K., H., W. und Wi. zur „Gruppe ", während der Mitbeschuldigte Kr. von E. und N. rekrutiert wurde. Sogenannte „Schwätzerpatrioten“, worunter S. jeden fasste, der nicht bereit war, zur Waffe zu greifen, sortierte er aus.

Das erste Treffen der „Gruppe“ fand - ohne den Beschuldigten - am 28./29. September 2019 bei A. (" ") statt. Die Tatortbezeichnung im Haftbefehl vom 15. Februar 2020 ist insoweit unzutreffend. Dort erläuterte S. seine terroristischen Ziele. In einer Vorstellungsrunde äußerte sich jeder Teilnehmer zu seiner Bereitschaft, mit Waffengewalt „aktiv“ zu werden.

Kurz darauf kam die Vereinigung am 3. Oktober 2019 in Be. anlässlich einer rechtsgerichteten Demonstration zum Tag der Deutschen Einheit zusammen. Im Anschluss versammelte sie sich zur weiteren Förderung der gemeinsamen Ziele bei einer Tankstelle nördlich von Be. Hier sprach der Mitbeschuldigte S. mit den Mitbeschuldigten Ba. und K. über die Beschaffung von sogenannten Slam-Guns für die Vereinigung. Ba. und K. bestellten in den Folgetagen nach weiterer Rücksprache mit S. bei ihrem Waffenlieferanten, dem gesondert verfolgten Sc., wenigstens sechs dieser selbstgebauten Gewehre. K. erklärte sich überdies dazu bereit, bei dem gesondert verfolgten Br. Munition zu ordern. Im Folgenden hielten die genannten Mitbeschuldigten untereinander und mit den Lieferanten regen Kontakt; dabei stand schließlich auch der Kauf eines Maschinengewehrs „Kalaschnikow“ nebst Munition für den Mitbeschuldigten S. in Rede („AK mit Zubehör für Ma. ").

Der Beschuldigte, der Anhänger der „Identitären Bewegung“ und ebenso wie die Gruppenmitglieder rechtsradikal und fremdenfeindlich gesinnt ist, war zunächst nur mit dem Mitbeschuldigten N. bekannt. Dieser fügte ihn Anfang Oktober 2019 der virtuellen Chat-Gruppe“ " hinzu, in der sich die Beschuldigten offen über die aus ihrer Sicht bestehende Notwendigkeit von Gewalttaten gegenüber Flüchtlingen austauschten, und später der Gruppe " ". Der Beschuldigte beteiligte sich an der Chat-Kommunikation durch fremdenfeindliche und gewaltverherrlichende Äußerungen („Wenn Du aufgibst, wird man sowieso von denen umgebracht. Da sollte man wenigstens ein paar mitnehmen.“/"Die richtige Hardware ist wichtig.“/"Meistens ist ja das Problem, dass dieses Gesindel immer im Rudel gegen einzelne Personen Auftritt, weil sie alleine zu feige sind … Bei uns gibt es so ein Rudelverhalten nicht. Noch nicht. Wird sich aber zeitlich aus taktischen Gründen ändern“).

Der Beschuldigte nahm auf Einladung des Mitbeschuldigten N. außerdem am dritten Treffen der Gruppe teil. Dieses fand unter konspirativen Umständen am 7./8. Februar 2020 in M. (Westfalen) im Haus N. s statt. Der Beschuldigte handelte dabei in Kenntnis der genannten terroristischen Ziele der Gruppierung. Vor Ort wurde über die konkrete Umsetzung der Umsturzpläne durch Anschläge auf Moscheen gesprochen. Der Beschuldigte befürwortete die Vorhaben und sagte eine „defensive“ Mitwirkung zu, während die anderen Beteiligten sich größtenteils zu einer „offensiven“ Beteiligung an den Anschlägen bekannten.

S., der - ebenso wie weitere Teilnehmer - bereits über mindestens eine scharfe Schusswaffe, Kaliber 9 mm, verfügte, stellte seine Pläne vor, nach denen die Gruppe für die Durchführung der Anschläge weitere Waffen benötigte. In diesem Zusammenhang brachte der Mitbeschuldigte Ba., der über die Preise seines Lieferanten im Bilde war, eine aufzubringende Summe von 50.000 € ins Spiel. Daraufhin sagten die Anwesenden die individuelle Bereitstellung von namhaften Beträgen, der Beschuldigte von wenigstens 5.000 €, zu, so dass 50.000 € zusammen kamen. Von diesem Geld sollten die Mitbeschuldigten Ba. und K. über ihre bereits laufende Lieferschiene Langwaffen besorgen. Der Mitbeschuldigte H., der über Kontakte zu einem Waffengeschäft in Tschechien verfügte, erhielt den Auftrag, die benötigten Kurzwaffen zu erwerben. Einige Teilnehmer des Treffens äußerten in diesem Zusammenhang konkrete Wünsche zu einem Waffentyp, den sie jeweils präferierten. Unter der Wortführung S. s beschlossen die Anwesenden, anschließend zeitnah loszuschlagen. Hierzu kam es nicht mehr, weil kurze Zeit später zwölf von ihnen verhaftet wurden.

b) Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Bildung, der Struktur und der Zielsetzung der „Gruppe“ und des Verhaltens aller Beschuldigten stützt sich auf eine Vielzahl von Beweismitteln, unter anderem die geständigen Einlassungen des Mitbeschuldigten U., die Angaben des Beschuldigten sowie weiterer Mitbeschuldigter, von denen mehrere die Organisation, Planung und Ziele der „Gruppe“ bestätigt haben, sowie die Observationen im zeitlichen Umfeld der Gruppentreffen. Bei Durchsuchungen sind Waffen - beim Beschuldigten unter anderem eine Pistole Walther PTB mit geladenem Magazin - und Geldbeträge - beim Beschuldigten ca. 1.600 € - aufgefunden worden. Aus der Telekommunikationsüberwachung gehen unter anderem das Zusammenwirken der Beschuldigten und ihr intensives Bemühen um die Erlangung weiterer Waffen hervor. Ihre Gewaltbereitschaft gegenüber Migranten sowie politisch Andersdenkenden und ihre Forderung nach einem gesellschaftlichen Umsturz sind außerdem aus den gesicherten Chatverläufen ersichtlich.

Der Beschuldigte hat sich in seiner polizeilichen Vernehmung am 14. Februar 2020 und in seinem Schreiben vom 15. August 2020 dahin eingelassen, dass er gedacht habe, es werde beim Treffen in M. um Mittelalterthemen gehen. Als dann von Anschlägen die Rede gewesen sei, habe ihn das überrascht. Er habe diese Pläne nicht unterstützt und auch keine Mitwirkung zugesagt. Ebenso wenig sei er bereit gewesen, Geld für den Kauf von Waffen zur Verfügung zu stellen. Soweit der Mitbeschuldigte U. anderes über ihn ausgesagt habe, handele es sich um falsche Angaben eines psychisch kranken Menschen.

Diese Einlassung ist nach Aktenlage nicht glaubhaft. Dafür, dass der Beschuldigte von vornherein über die terroristische Ausrichtung der „Gruppe“ im Bilde war, spricht das aufgezeichnete Telefonat, das er im Vorfeld des Treffens mit seinem Vertrauten N. führte. Darin informierte N. ihn darüber, wer zu der Versammlung erscheinen werde ("15 Mann“, alles „Vertrauensleute“) und dass dort „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden, wobei N. zugleich darauf bedacht war, „so wenig wie möglich am Telefon zu besprechen“. Der Mitbeschuldigte erläuterte sodann, dass es so nicht mehr weitergehe und „die Versailler Verträge abgelaufen“ seien. „Wenn wir losziehen, ohne Rückkehr, is mir scheiß egal!" Der Beschuldigte bestätigte ihn in dieser Ansicht und betonte seinerseits, dass man eine „rigorose Wende“ brauche, und zwar nicht irgendwann, sondern sehr zeitnah. Beide waren sich darin einig, dass sie ihren Kindern „so einen Scherbenhaufen“ nicht hinterlassen können.

Überdies begegneten die Teilnehmer des Treffens dem Beschuldigten anfänglich mit Misstrauen, als sie erfuhren, dass er im öffentlichen Dienst tätig ist. Es wurde offen darüber gesprochen, ob man ihn von der Versammlung ausschließen solle. Über diese Frage fand unter den übrigen Anwesenden sodann eine Abstimmung statt, die dahin ausging, dass der Beschuldigte selbst entscheiden sollte, ob er bleibt. Dieses Verhalten der Teilnehmer hätte keinen Sinn ergeben, wenn lediglich Mittelalterthemen auf dem Programm gestanden hätten. S. gab in diesem Zusammenhang sogar die klare Devise aus, dass Verräter der Gruppe mit dem Tode bestraft werden. Der Beschuldigte verblieb gleichwohl bis zum Schluss der Zusammenkunft.

Der Einlassung des Beschuldigten, dass er sich gegen die Anschläge ausgesprochen und eine Geldzahlung für die Waffenbeschaffung verweigert habe, stehen die Aussagen der Mitbeschuldigten U., Ba. und K. entgegen. Alle drei haben den Beschuldigten bezichtigt, die von S. an jeden Einzelnen gestellte Frage, ob man sich an den Anschlägen „offensiv“ oder „defensiv“ beteiligen wolle, vor dem Plenum mit „defensiv“ beantwortet zu haben. Dies widerspricht der Darstellung des Beschuldigten, der überhaupt keine Beteiligung in Aussicht gestellt haben will. Die Mitbeschuldigten U. und Ba. haben auch ausgesagt, dass der Beschuldigte eine Geldzahlung für die Waffen zugesagt habe, und zwar 5.000 €, erforderlichenfalls sogar eine höhere Summe. Nach Aktenlage sind diese Einlassungen glaubhaft, zumal insbesondere die ausführlichen Angaben U. s bisher durch zahlreiche andere Beweismittel bestätigt worden sind. Der Umstand allein, dass er laut Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 18. August 2016 (15 StVK 1373/16) über eine instabile Persönlichkeit mit narzisstischen und dissozialen Anteilen verfügen soll, erschüttert diese Bewertung derzeit nicht. Gleiches gilt für die Tatsache, dass der Mitbeschuldigte K. den Beschuldigten in seiner Aussage vom 23. Juni 2020 auch teilweise entlastet hat, und für die Chat-Nachricht, die der Beschuldigte am 9. Februar 2020 an seinen Freund N. schrieb. In dieser äußerte er sich zwar nachträglich eher distanziert zu den Anschlagsplänen. Hieraus lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres auf sein Verhalten bei der Zusammenkunft schließen.

Soweit der Beschuldigte in seinem Schreiben vom 15. August 2020 schließlich wiederholt betont, er stehe zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, ist damit nicht zu vereinbaren, dass er auf seinem Handy unter anderem 417 Bilddateien speicherte, die seine fremdenfeindliche, rechtsextremistische Gesinnung und Glorifizierung der NS-Zeit verdeutlichen. Im Internet teilte er im Netzwerk“ " am 14. Oktober 2019 unter seinem Profil“ " den folgenden Post: „Wir müssen von Zeit zu Zeit Terroranschläge verüben, bei denen unbeteiligte Menschen sterben. Dadurch lässt sich der gesamte Staat und die gesamte Bevölkerung lenken. Das primäre Ziel eines solchen Anschlages sind nicht die Toten, sondern die Überlebenden, denn die gilt es zu lenken und zu beeinflussen.“ Nach allem wird der dringende Tatverdacht nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Mitbeschuldigte S. den Beschuldigten in einem Telefonat mit dem Mitbeschuldigten E. als „uninteressant“ bezeichnete, zumal diese Einschätzung vor dem Hintergrund zu beurteilen ist, dass S. jeden aussortierte, der nicht bereit war, aktiv mit Waffengewalt zu kämpfen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten der den dringenden Tatverdacht begründenden Tatsachen auf den Haftbefehl vom 15. Februar 2020 und den Antrag des Generalbundesanwalts vom 7. August 2020 verwiesen.

c) In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine terroristische Vereinigung unterstützte (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 StGB).

Die „Gruppe“ stellte nach den Ermittlungsergebnissen einen auf längere Dauer angelegten organisierten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen zur Verfolgung eines übergeordneten gemeinsamen Interesses im Sinne von § 129 Abs. 2 StGB dar, der darüber hinaus über - nach der Neuregelung durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/841/JI des Rates vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2440) nicht mehr erforderliche - Strukturmerkmale wie etwa Führungspersonal und klare Aufgabenverteilung verfügte. Die Zwecke der Vereinigung waren jedenfalls auf die Verübung von bewaffneten Anschlägen auf Moscheen und damit auf die Begehung von Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) gerichtet.

Unter einem Unterstützen im Sinne des § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB ist grundsätzlich jedes Tätigwerden eines Nichtmitglieds zu verstehen, das die innere Organisation der Vereinigung und ihren Zusammenhalt unmittelbar fördert, die Realisierung der von ihr geplanten Straftaten - wenngleich nicht unbedingt maßgebend - erleichtert oder sich sonst auf deren Aktionsmöglichkeiten und Zwecksetzung in irgendeiner Weise positiv auswirkt und damit die ihr eigene Gefährlichkeit festigt. Dies kann dadurch geschehen, dass ein Außenstehender mitgliedschaftliche Betätigungsakte eines Angehörigen der Vereinigung fördert; in diesem Sinne handelt es sich beim Unterstützen um eine zur Täterschaft verselbständigte Beihilfe zur Mitgliedschaft. Der Begriff des Unterstützens einer Vereinigung greift zudem über ein im strengeren Sinne des § 27 Abs. 1 StGB auf die Förderung der Tätigkeit eines Vereinigungsmitglieds beschränktes Verständnis hinaus; denn er bezieht sich in erster Linie auf die Vereinigung als solche, ohne dass im konkreten Fall die Aktivität des Nichtmitglieds zu einer einzelnen organisationsbezogenen Tätigkeit eines Organisationsmitglieds hilfreich beitragen muss. Das Wirken des Nichtmitglieds muss nicht zu einem von diesem erstrebten Erfolg führen, es genügt, wenn sein Tun für die Organisation objektiv nützlich ist, ohne dass ein messbarer Nutzen für diese eintritt. Die Wirksamkeit der Unterstützungsleistung und deren grundsätzliche Nützlichkeit müssen indes anhand belegter Fakten nachgewiesen sein (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 17 f. mwN).

Nach den dargestellten Maßstäben kann schon allein in der Zusage eines Außenstehenden, zugunsten der Vereinigung Geld- oder Sachleistungen zu erbringen oder eine Straftat zu begehen, eine Unterstützungshandlung im Sinne von § 129a Abs. 5 Satz 1 StGB liegen, selbst wenn es nicht zur Erfüllung der Zusage kommt. Voraussetzung ist insoweit allerdings, dass das Tun des Nichtmitglieds für die Vereinigung objektiven Nutzen entfaltet. Bereits die Zusage für sich genommen muss sich auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung oder eines ihrer Mitglieder in irgendeiner Weise positiv auswirken (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - 3 StR 334/15, BGHR StGB § 129a Abs. 5 Unterstützen 6 Rn. 5 mwN; Urteil vom 19. April 2018 - 3 StR 286/17, BGHSt 63, 127 Rn. 21 ff.).

Hier sind die genannten Voraussetzungen einer Unterstützungshandlung erfüllt. Schon durch seine Teilnahme an den Gruppenchats und dem Treffen am 7./8. Februar 2020 bestärkte der Beschuldigte die Mitglieder der Vereinigung, ihre terroristischen Bestrebungen in Form der Anschlagsplanungen fortzusetzen. Jedenfalls aber konnten die Zusagen, an den Anschlägen mitzuwirken - wenn auch „defensiv“ - und sich mit einem namhaften Betrag an der Finanzierung der hierfür benötigten Waffen zu beteiligen, die Mitglieder der „Gruppe“ in ihrem Entschluss stärken, die geplanten Straftaten, die der Verwirklichung der terroristischen Ziele der Vereinigung dienten, tatsächlich zu begehen. Denn sie gewannen hierdurch den Eindruck, sie würden am entscheidenden Tag im Beschuldigten einen Komplizen an ihrer Seite haben und zugleich durch ihn in die Lage versetzt, die erforderlichen Tatmittel zu erwerben. Letzteres gilt besonders vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte nicht irgendeine beliebige Zahlung zu einem unbestimmten Datum zusagte, sondern dass es um die Finanzierung kurzfristig zu beschaffender spezifizierter Gewehre und Pistolen über bestehende Lieferschienen für konkrete Anschläge ging.

Damit waren die Zusicherungen des Beschuldigten, zu deren Einlösung es wegen der Festnahmen nicht mehr kommen konnte, auch für die Vereinigung als solche objektiv nützlich und wirkten sich positiv auf ihr Bestehen und ihre Aktionsmöglichkeiten aus.

2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Es ist wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte - sollte er auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm stellen wird. Der Beschuldigte hat im Fall seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Der Beschuldigte wohnt zwar seit 2017 mit seiner Lebensgefährtin zusammen, nach deren Darstellung jedoch innerhalb der Wohnung in getrennten Bereichen. Von der Mutter seiner 14jährigen Tochter ist er geschieden. Seine Tätigkeit als Regierungsamtsinspektor (Besoldungsgruppe A9) im wird er aufgrund des gegen ihn laufenden Disziplinarverfahrens, das mit einer vorläufigen Dienstenthebung einhergeht, einstweilen nicht ausüben können. Der Beschuldigte ist überdies nach Aussage seiner Ex-Frau langjähriger Drogenkonsument. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 14. Februar 2020 wurden unter anderem 168 g Marihuana sichergestellt. Deshalb und wegen Vorrätighaltens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Volksverhetzung laufen separate Ermittlungsverfahren gegen ihn.

Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht erfolgversprechend.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Das Verfahren ist bisher mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden.

Beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg ist eine Sonderkommission mit einer Vielzahl von Polizeibeamten mit den Ermittlungen zur „Gruppe“ befasst, die lageabhängig von weiteren Polizisten anderer Bundesländer und vom Bundeskriminalamt unterstützt wird. Es sind 53 Objekte durchsucht und 1.282 Asservate sichergestellt worden, darunter 97 Mobilfunkgeräte, 43 Computer und 149 Speichermedien. Dies entspricht einem Datenvolumen von 17,79 Terabyte bzw. über 59 Millionen Chatnachrichten, Bildern, Videos und Audiofiles. Deren Auswertung ist zu einem überwiegenden Teil fertiggestellt. Außerdem sind 13 Beschuldigten- und 53 Zeugenvernehmungen, umfangreiche Finanzermittlungen, daktyloskopische und molekulargenetische Untersuchungen sowie waffenrechtliche Bewertungen durchgeführt worden. Die Verfahrensakte umfasst derzeit 228 Stehordner. Der Abschluss der Ermittlungen ist für Herbst 2020 vorgesehen.

4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1104

Bearbeiter: Christian Becker