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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 851

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 355/20, Urteil v. 09.06.2021, HRRS 2021 Nr. 851


BGH 2 StR 355/20 - Urteil vom 9. Juni 2021 (LG Wiesbaden)

Betrug (Bandenmitgliedschaft; gewerbsmäßiges Handeln; Beihilfe); Strafzumessung (Revisibilität der Strafzumessung; Vermögenseinbuße durch Einziehung von Wertersatz kein Strafmilderungsgrund).

§ 263 StGB; § 46 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Es steht der Annahme einer Bandenmitgliedschaft nicht entgegen, dass ein Beteiligter nur einen Vordermann in der Organisation kennt.

2. Die Kenntnis der Einzelheiten der durchzuführenden Straftaten und der konkreten Aktivitäten anderer Beteiligter ist nicht zwingende Voraussetzung für eine Bandenmitgliedschaft.

3. Die mit der Einziehung von Wertersatz verbundene Vermögenseinbuße stellt keinen Strafmilderungsgrund dar. Die Einziehung dient allein der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 24. Januar 2020 aufgehoben

a) mit den Feststellungen, soweit es den Angeklagten C. betrifft; jedoch bleiben die Feststellungen zu den betrügerischen Handlungen der Mitangeklagten gegenüber den geschädigten Firmen und zu den von diesen geleisteten Zahlungen bestehen,

b) in den Strafaussprüchen betreffend die Angeklagten M., D., T. und P. .

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision hinsichtlich des Angeklagten P. wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten M. und D. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 1.344 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen sowie wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 96 tateinheitlichen Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von einem Jahr und neun Monaten (M.) bzw. von drei Jahren (D.) verurteilt. Zudem hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 25.000 € (M.) bzw. 60.000 € (D.) jeweils gesamtschuldnerisch mit dem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Ce. angeordnet.

Den Angeklagten T. hat das Landgericht wegen Beihilfe zum Betrug in 1.344 tateinheitlichen Fällen sowie wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 96 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.

Den Angeklagten C. hat es wegen Beihilfe zum Betrug in 1.344 tateinheitlichen Fällen sowie wegen Beihilfe zum Betrug in 96 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen ebenfalls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 49.630 € gesamtschuldnerisch mit dem rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten Ce. angeordnet.

Den Angeklagten P. hat es wegen Beihilfe zum Betrug in 96 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten verurteilt.

Mit ihren auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verurteilungen der Angeklagten C. und P. nur wegen Beihilfe zum Betrug anstelle von mittäterschaftlich begangenen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs sowie die Strafaussprüche hinsichtlich aller Angeklagten. Zudem rügt sie mit der sofortigen Beschwerde, dass das angefochtene Urteil keine Kostenentscheidung enthalte.

Die Rechtsmittel sind in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang begründet.

I.

1. Nach den Feststellungen schlossen sich der rechtskräftig verurteilte Mitangeklagte Ce. sowie die Angeklagten D. und M. vor dem 22. September 2017 zusammen, um Schreiben an Unternehmen zu versenden, die wie Rechnungen des Handelsregisters gestaltet waren, um so Zahlungen dieser Unternehmen zu erhalten, denen keine Leistung der Angeklagten gegenüberstand. Alle drei verfügen über einschlägige Erfahrungen auf dem Gebiet des organisierten Offertenbetrugs und sind entsprechend vorbestraft. Ce. nahm die zentrale und führende Rolle ein, er war der Ideengeber, fungierte als Entscheider, bestimmte die Vorgehensweise zur Tatausführung, übernahm den Aufbau des Unternehmens G. - (nachfolgend G.), über die die entsprechenden Offertenschreiben versandt wurden, und entschied über die Aufteilung der Tatbeute. Er bestimmte den ungarischen Staatsbürger To. dazu, sich gegen Entlohnung als Strohmann zur Verfügung zu stellen und die G. im Mai 2017 zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden.

Im Juni 2017 mietete der mit Ce. befreundete Angeklagte T., dem die Absicht der Angeklagten, durch das Versenden betrügerischer Rechnungen Geld zu verdienen, bekannt war, die dafür benötigten Büroräume. Mit Unterstützung Dritter verschaffte sich die Tätergruppe ein Computerprogramm, welches Daten von der öffentlich zugänglichen Internetseite „handelsregisterbekanntmachungen.de“ abrufen und mit den jeweiligen Unternehmensanschriften zunächst als Excel-Datei aufbereiten konnte, die wiederum geeignet war, die Daten und Anschriften in einen Serienbrief zu übernehmen. Am 22. September 2017 eröffnete To. im Beisein Ce. s. bei der Postbank in Wiesbaden ein Geschäftskonto für die G. Das Postident-Verfahren zur Kontoeröffnung wurde in der von dem Angeklagten C. betriebenen Postbankfiliale durch eine Mitarbeiterin ordnungsgemäß durchgeführt. C., der - ohne Genaueres zu wissen - davon ausging, der ihm bekannte Ce. werde ein illegales Geschäftsmodell betreiben, sagte diesem zu, künftig Auszahlungen von dem Geschäftskonto der G. auch ohne eine entsprechende Bevollmächtigung an ihn vorzunehmen. C. erhoffte sich davon, im Gegenzug durch den Verkauf von vorfrankierten Briefumschlägen - für die zu versendenden Forderungsschreiben - seinen Umsatz zu steigern.

In der Zeit von Anfang Oktober 2017 bis zum 22. Januar 2018 erstellten D. und M. nahezu arbeitstäglich computergestützt die einzelnen Offertenschreiben und brachten diese zur Post. Die Serienbriefe unter der Firma G. - wurden in der Betreffzeile als „Eintragungs/-Veröffentlichungsofferte“ bezeichnet und an Unternehmen versandt, welche unmittelbar zuvor Eintragungen im Handelsregister bei den jeweils für den Unternehmenssitz zuständigen Amtsgerichten vorgenommen hatten. Sie enthielten kleingedruckt den Hinweis, es handele sich um das kostenpflichtige Angebot, den Unternehmensdatensatz auf der Internetseite G. - aufzunehmen. Im Übrigen waren die Schreiben grafisch wie eine amtliche Rechnung für die Handelsregistereintragung gestaltet und enthielten einen mittels Perforation abtrennbaren Überweisungsvordruck, in dem der Betrag, der Empfänger und die Offertennummer als Betreff bereits eingetragen waren. Eine Steuernummer war aus den Schreiben nicht erkennbar. Die zu zahlenden Beträge lagen zwischen 719,51 € und 791,35 €. Die Gestaltung des Schreibens als Rechnung und die Beifügung eines vorausgefüllten Überweisungsträgers mit fettgedrucktem Gesamtbetrag und Zahlungsfrist von sieben Tagen sollte den Mitarbeitern der jeweiligen Empfängerunternehmen den planmäßig gewollten Eindruck vermitteln, es handle sich um die Rechnung für die zuvor vorgenommene Handelsregistereintragung. Damit bezweckten die Angeklagten, die Empfänger der Schreiben zum Ausgleich der vermeintlich rechtmäßigen Forderung mittels Überweisung der aufgeführten Beträge auf das genannte Bankkonto zu veranlassen.

Tatsächlich stellten die von den Angeklagten versandten Schreiben lediglich ein wertloses Angebot auf Veröffentlichung firmenrelevanter Daten des jeweiligen Unternehmens auf einer Internetseite dar. Die Veröffentlichung der Unternehmensdaten aus dem amtlichen Handelsregister in einer eigenen Internetpräsenz der G. - wurde zudem nicht gepflegt. Trotz Zahlung des geforderten Betrags wurden die Eintragungen nur gelegentlich vorgenommen, um die angekündigte Dienstleistung vorzutäuschen. Am 2. März 2018 befanden sich 25 Einträge auf der Seite, wobei nur zwei Unternehmen Zahlungen auf das Konto der G. zugeordnet werden konnten. Bei den übrigen Unternehmen handelte es sich um zufällige andere Unternehmen.

Im Glauben, es handle sich um berechtigte Forderungen für die Handelsregistereintragungen, überwiesen die Mitarbeiter zahlreicher Unternehmen den jeweils geforderten Betrag auf das genannte Bankkonto. Die Angeklagten vereinnahmten die Zahlungen und erschlossen sich infolge der in großem Umfang versandten „Rechnungsschreiben“ eine nicht unerhebliche Einnahmequelle von gewisser Dauer und großem Umfang. Insgesamt gingen 1.344 Gutschriften in Höhe von 990.312,29 € auf das Konto ein. Aufgrund von Stornobuchungen gelang es 95 Geschädigten, die Zahlungen zurückzubuchen.

Am 23. Oktober 2017 erfolgte eine erste Barabhebung durch den Angeklagten Ce. von dem Konto der G., der zum 17. Januar 2018 weitere 51 Abhebungen folgten. Insgesamt wurden 871.550 € in der Postbankfiliale des Angeklagten C. unter Vorlage des Personalausweises des To. von dem Angeklagten Ce. abgehoben. C. selbst zahlte in Kenntnis der deliktischen Herkunft der Gutschriften und in Kenntnis dessen, dass der Personalausweis nicht zur abhebenden Person passte, zumindest am 10. Januar 2018 27.000 €, am 15. Januar 2018 22.000 € und am 16. Januar 2018 29.000 € an den Angeklagten Ce. aus. Die übrigen Auszahlungen erfolgten durch die Angestellten des Angeklagten C. Von den abgehobenen Beträgen wurden im Wert von 27.157,50 € vorfrankierte Briefumschläge erworben.

Ende Januar 2018 ermittelte die Polizei wegen verschiedener Anzeigen gegen die G. und führte beim Angeklagten C. eine Lichtbildvorlage durch, wobei ihm u.a. ein Foto des Ce. vorgehalten wurde. Obwohl C. den Mitangeklagten Ce. erkannte, verleugnete er ihn als Geldabholer. Stattdessen warnte er Ce. und forderte dafür von diesem 50.000 €, die er auch erhielt. Zudem profitierte er davon, dass Ce. in seiner Postbankfiliale die für die Versendung der Offertenschreiben notwendigen Briefumschläge und Briefmarken überwiegend kaufte, wobei der Gewinn hierbei 6 Cent pro Umschlag betrug. Am 22. Januar 2018 erfolgte die Pfändung des restlichen Kontobestandes der G. in Höhe von 47.549,55 € durch die Staatsanwaltschaft.

Im Laufe der Tatausführung erhielten der Angeklagte D. mindestens 60.000 € und der Angeklagte M. mindestens 25.000 €. Genaue Kenntnis von der Gesamtsumme der eingegangenen Gelder hatten sie nicht. Der Angeklagte T. erhielt keine finanzielle Entlohnung.

2. Nach dem Ende der Aktivitäten der G. begab sich der Angeklagte Ce. einige Zeit nach Spanien, da er eine Strafverfolgung fürchtete. Als er von dort zurückkehrte, bekundete der Angeklagte T. sein Interesse, sich in ein neues vergleichbares Projekt verstärkt einbringen zu wollen. Dabei sollten D. und M. wiederum in gleicher Weise eingebunden werden. T. warb als „Strohfrau“ die gutgläubige und naive N. an, die er anlässlich einer Urlaubsreise in der Türkei kennengelernt hatte. Sodann bat er seinen engen Freund und Taufpaten seines Sohnes, den Angeklagten P., für diese eine Wohnung in Bonn zu suchen. P. vermittelte daraufhin einen Besichtigungstermin, in dessen Anschluss T. und N. die Wohnung mieteten. Den an die E-Mail-Adresse der Zeugin N. versandten Mietvertrag druckte P. auf Bitten des Angeklagten T. aus. Im Auftrag des Ce. übermittelte P. zudem am 21. August 2018 per E-Mail einen von N. unterzeichneten Bürodienstleistungsvertrag an eine Büroservice GmbH. Dabei war ihm zumindest in groben Zügen bewusst, dass T. und Ce., mit denen er eng befreundet war, planten, mit dem Versenden betrügerischer Rechnungen Einnahmen zu erzielen. Am 6. September 2018 wurde die Firma GI. (nachfolgend GI.) mit N. als Inhaberin in das Handelsregister eingetragen.

Der Angeklagte C., dem bekannt war, dass Ce. erneut ein Projekt plante und weitere größere Geldeingänge erwartete, sagte in der Erwartung, hieran finanziell beteiligt zu werden, zu, die Abhebungen über ein Geschäftskonto der GI. in seiner Filiale der Postbank abzuwickeln. Zu diesem Zweck eröffnete N. bei der Postbank ein Geschäftskonto für die GI. Das dafür erforderliche Postident-Verfahren führte die Zeugin N. in der Postbank-Filiale des C. bei einer dortigen Mitarbeiterin durch. Anschließend begannen auf Anweisung Ce. s die Angeklagten D. und M. in der Zeit vom 5. Oktober 2018 bis zum 27. November 2018 wiederum mit dem Herstellen und Versenden von Zahlungsaufforderungen in Höhe von jeweils 731,85 € wie im Fall 1. Die dafür benötigten frankierten Briefumschläge hatte der Angeklagte C. den Mitangeklagten verkauft. Am 27. November 2018 erfolgten Durchsuchungen und die Festnahmen der Angeklagten.

Insgesamt gingen 96 Einzahlungen in Höhe von 70.357,60 € auf dem Konto der GI. ein, wobei drei Unternehmen ihre Zahlungen erfolgreich stornieren konnten (2.195,55 €). Infolge der Festnahmen konnten die Angeklagten keine Barabhebungen mehr von dem Konto tätigen.

Der nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls während laufender Hauptverhandlung ins Ausland geflohene Ce. sowie die Angeklagten T., M., D. und C. haben in unterschiedlicher Höhe Beiträge zur Schadenswiedergutmachung geleistet.

II.

1. Der Schuldspruch betreffend den Angeklagten C. lediglich wegen Beihilfe zum Betrug hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat eine Bandenmitgliedschaft des Angeklagten C. verneint mit der Begründung, er sei nicht Teil der Verbindung zwischen den Angeklagten Ce., D., M. - und im Fall 2 T. - gewesen, sondern habe allein Kontakt zu Ce. gehabt, bei dem es sich nach seiner Vorstellung um ein Einmann-Unternehmen (UA 71) gehandelt habe (UA 98). Zudem seien seine Kenntnisse zum Vorgehen des Ce. und dessen Freunden auf eine grobe Vorstellung von den Taten begrenzt gewesen. Er habe auch nicht gewerbsmäßig gehandelt, da er nur einmal im Nachhinein einen größeren Geldbetrag gefordert und erhalten habe. Es sei ihm nicht auf eine dauerhafte Einnahmequelle angekommen, sondern er habe allenfalls in der Erwartung eines Geschenks oder als Freundschaftsdienst gehandelt (UA 99). Auch sei er nicht als Mittäter anzusehen; es sei bereits zweifelhaft, ob er Tatherrschaft über die gesamten, teils von seinen Mitarbeitern vorgenommenen Auszahlungsvorgänge hatte. Den Betrag in Höhe von 50.000 € habe er erst nach Beendigung der Tat im Fall 1 erhalten, so dass ein eigenes Interesse nur mittelbar aufgrund des Erwerbs vorfrankierter Umschläge bestanden habe, was für mittäterschaftliches Handeln nicht genüge (UA 101).

b) Diese Wertungen des Landgerichts beruhen auf einer rechtsfehlerhaften - weil lückenhaften - Beweiswürdigung. Abgesehen davon, dass es der Annahme einer Bandenmitgliedschaft nicht entgegensteht, dass ein Beteiligter nur einen Vordermann in der Organisation kennt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 - 1 StR 791/96, NJW 1997, 3323, 3325), hat der Angeklagte C. selbst eingeräumt, dass auch der Mitangeklagte D. im Fall 1 bei ihm in der Filiale vorfrankierte Briefumschläge abgeholt habe (UA 71). Im Fall 2 hatte der Mitangeklagte T. die Eröffnung des Postbankkontos für die Zeugin N. unterstützt und es war vereinbart, dass der Angeklagte C. die Gelder von diesem Konto „unter Weisung der Mitangeklagten Ce. und T.“ auszahlen sollte (UA 67). Die Einbindung der Mitangeklagten D. und T. gegenüber dem Angeklagten C. ist indes ein gewichtiger Umstand, der bei der umfassenden Gesamtwürdigung aller für und gegen eine Bandenmitgliedschaft sprechenden Umstände in den Blick zu nehmen und abzuwägen gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, StV 2013, 508, 509). Ebensowenig setzt sich die Strafkammer damit auseinander, dass der Angeklagte C. nach eigener Einlassung die „Tätergruppierung“ unterstützen wollte (UA 61). Die Kenntnis der Einzelheiten der durchzuführenden Straftaten und der konkreten Aktivitäten anderer Beteiligter ist nicht zwingende Voraussetzung für eine Bandenmitgliedschaft (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, NJW 2005, 2629, 2630).

Was gewerbsmäßiges Handeln anbelangt, hätte die Strafkammer erörtern müssen, dass der Angeklagte eigenen Angaben zufolge monatlich teilweise einen Umsatz zwischen 30.000 und 40.000 € mit den vorfrankierten Umschlägen erzielte und so eine herausragende Stellung als Partner der Deutschen Post im Raum Frankfurt am Main erreichte (UA 70). Als Entlohnung für die Informationen über polizeiliche Ermittlungen im Fall 1 und für sein Mitwirken an der ersten Betrugsserie hat er 50.000 € erhalten (UA 66). Seine Mitwirkung im Fall 2 hatte er in der Erwartung zugesagt, hierfür Geld zu erhalten (UA 57). Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass das Landgericht lediglich von einem Freundschaftsdienst des Angeklagten C. ausgegangen ist.

Dieses - von der Strafkammer rechtsfehlerhaft verneinte - unmittelbare finanzielle Interesse des C. am Gelingen der betrügerischen Handlungen ist auch ein wesentliches, von dem neuen Tatrichter zu berücksichtigendes Indiz für täterschaftliches Handeln. Darüber hinaus liegt es nahe, dass der Angeklagte Tatherrschaft über sämtliche - auch nicht von ihm persönlich vorgenommene - Auszahlungsvorgänge hatte. Nach den Feststellungen hatte C. dem mit ihm befreundeten Ce. zugesagt, eine Auszahlung von Geldern vorschriftswidrig ohne Vorlage einer entsprechenden Bevollmächtigung von dem Konto der G. vorzunehmen. Diese Zusage erschöpfte sich erkennbar nicht darin, selbst Auszahlungen zu veranlassen, sondern beinhaltete auch die Bereitschaft, als verantwortlicher Inhaber der Postbankfiliale auf seine Mitarbeiter entsprechend einzuwirken und weder der Bankenzentrale noch den Strafverfolgungsbehörden die offensichtlich aus illegalen Geschäften herrührenden Zahlungsvorgänge zu offenbaren. Noch darüber hinausgehend hat C. den Mitangeklagten Ce. sogar vor polizeilichen Ermittlungen gewarnt und dessen Identität gegenüber den Strafverfolgungsbehörden verschleiert. Soweit C. selbst Auszahlungen vorgenommen hat, hat er die Bezahlung für bei ihm gekaufte vorfrankierte Briefumschläge selbständig abgezogen (UA 66).

2. Der Schuldspruch lediglich wegen Beihilfe zum Betrug hinsichtlich des Angeklagten P. hat demgegenüber Bestand. Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei einen bandenmäßigen Zusammenschluss dieses Angeklagten mit den Mitangeklagten nicht festzustellen vermocht. Er hat nur isolierte Unterstützungshandlungen begangen und sich keine finanziellen Vorteile verschaffen wollen. Da er nur untergeordnete Tatbeiträge im Vorbereitungsstadium ohne Willen zur Tatherrschaft erbracht hat, hat ihn die Strafkammer rechtsfehlerfrei auch nur als Gehilfen verurteilt.

3. Die Strafaussprüche hinsichtlich der Angeklagten M., D., T. und P. weisen durchgreifende Rechtsfehler zu deren Gunsten auf.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts, dessen Aufgabe es ist, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen belastenden und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann jedoch eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt. So liegt der Fall hier:

b) So beanstandet die Revision zu Recht die strafmildernde Erwägung des Landgerichts für alle Angeklagten, dass „einige Zeugen angegeben haben, die Vorsteuer geltend gemacht zu haben, so dass dieser Teil der Geschädigten den Schaden etwas mindern konnte“ (UA 107). Abgesehen davon, dass ein Vorsteuerabzug aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht zulässig gewesen wäre, hat ein etwaiger Vorsteuerabzug lediglich den Schaden von den jeweiligen Geschädigten auf den Fiskus verlagert, ohne dass dies zu einer milderen Bestrafung der Angeklagten hätte führen dürfen.

c) Zusätzlich rechtsfehlerhaft hinsichtlich der Angeklagten D. und M. war es, zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass diese sich nicht unerheblichen Einziehungsforderungen gegenübersehen. Denn die mit der Einziehung von Wertersatz verbundene Vermögenseinbuße stellt keinen Strafmilderungsgrund dar. Die Einziehung dient allein der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebung (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2018 - 5 StR 251/18, NJW 2019, 245, 246).

d) Angesichts der moderaten, teilweise am untersten Rand der Strafrahmen angesiedelten Einzelstrafen kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf den aufgezeigten Strafzumessungsfehlern nicht ausschließen. Da es sich insoweit nur um Wertungsfehler handelt, bedarf es der Aufhebung von Feststellungen zur Strafzumessung nicht.

III.

Eine Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die unterbliebene Kostenentscheidung ist angesichts der Teilaufhebungen und Zurückverweisung nicht veranlasst. Der neue Tatrichter wird eine umfassende Kostenentscheidung zu treffen haben. Soweit sich die sofortige Beschwerde gegen den Angeklagten Ce. richtet, dessen Verurteilung von der Beschwerdeführerin nicht (mehr) angegriffen wird, ist das Oberlandesgericht Frankfurt am Main für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde zuständig, § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 851

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2021, 308

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß