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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 116

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 290/20, Beschluss v. 14.09.2021, HRRS 2022 Nr. 116


BGH 2 StR 290/20 - Beschluss vom 14. September 2021 (LG Aachen)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Tateinheit: Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte).

§ 29 BtMG

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 20. Januar 2020

a) abgeändert

aa) im Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte in den Fällen 16 und 33 des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig ist,

bb) im Ausspruch über die Einziehung dahin, dass gegen den Angeklagten in Höhe von 364.000 Euro, davon in Höhe von 359.530 Euro als Gesamtschuldner, die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet wird,

b) aufgehoben, wobei die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben,

aa) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen 16 und 33,

bb) soweit in den Fällen 34 bis 36 keine Einzelstrafen verhängt wurden,

cc) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe,

dd) im Ausspruch über den Vorwegvollzug eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 25 Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen und Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben in zwei Fällen unter Freisprechung im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zehn Monate der Gesamtfreiheitsstrafe von der Maßregel zu vollstrecken sind. Schließlich hat es die Einziehung sichergestellter Drogenmengen sowie von 364.000 Euro als Wertersatz von Taterträgen angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. a) Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, begründet der Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte dann Tateinheit, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2018 - 3 StR 88/18, NStZ 2020, 42, 43; Beschluss vom 30. Juni 2020 - 6 StR 162/20). Das ist hier der Fall.

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte jeweils zum Verkauf bestimmte Teilmengen von Marihuana und Kokain aus den Fällen 16 und 33 in seinem Rucksack. Insoweit haben sich die Tathandlungen zu diesen Fällen teilweise überschnitten.

b) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend in Tateinheit. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen verteidigen konnte.

2. a) Die Änderung des Schuldspruchs hat den Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 16 und 33 zur Folge.

b) In den Fällen 34 - 36 wurde die Bestimmung der Strafhöhe versäumt; das wird der neue Tatrichter nachzuholen haben.

c) Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen 16 und 33 sowie das Fehlen von Einzelstrafen in den Fällen 34 bis 36 zwingt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.

d) Dies hat die Aufhebung der Entscheidung über den Vorwegvollzug zur Folge. Der neue Tatrichter wird auch die voraussichtliche Dauer der Therapie zu erörtern haben.

4. Die Feststellungen über die Taterträge ergeben eine Summe von 364.030 Euro; die Einziehung von 364.000 Euro als Wertersatz beschwert den Angeklagten insoweit nicht. Jedoch ist, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, zu ergänzen, dass es sich in Höhe von 359.530 Euro um die gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten neben anderen Tatbeteiligten handelt.

5. Die Feststellungen sind insgesamt von den Rechtsfehlern unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 116

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß