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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1389

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 434/19, Beschluss v. 26.05.2020, HRRS 2020 Nr. 1389


BGH 2 StR 434/19 - Beschluss vom 26. Mai 2020 (LG Darmstadt)

Körperverletzung (ärztlicher Heileingriff; Grundsätze der Rechtfertigung von Maßnahmen zur Ermöglichung eines schmerzfreien Todes: Übertragung auf Nichtarzt; indirekte Sterbehilfe); mutmaßliche Einwilligung (Bestimmung des Patientenwillens aus Indizien; ausnahmsweise Missachtung ärztlicher Anordnungen bei der Schmerzbekämpfung; subjektives Rechtfertigungselement: Motivbündel).

§ 223 Abs. 1 StGB; § 34 StGB; § 29 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b) BtMG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist als Körperverletzung zu bewerten, auch wenn er in heilender Absicht erfolgt. Selbst ein im Einklang mit den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommener Eingriff erfüllt den Straftatbestand. Er kann nur durch wirksam erklärte oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten gerechtfertigt werden.

2. Die Grundsätze der Rechtfertigung von Maßnahmen zur Ermöglichung eines schmerzfreien Todes sind nicht ausnahmslos auf Handlungen durch einen Arzt oder aufgrund ärztlicher Anordnung beschränkt. Im Ausnahmefall kann auch ein Nichtarzt medizinische Maßnahmen zur Leidensminderung durchführen, wenn sie der Sache nach den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen und sich im Rahmen einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten bewegen. Dies gilt auch deshalb, weil das Unterlassen einer vom Patienten erwünschten Schmerzbekämpfung durch einen Garanten eine Körperverletzung sein kann.

3. Beim Sterben eines unheilbar Kranken, dem unmittelbar vor dem Tod nur noch durch Schmerzbekämpfung geholfen werden kann, besteht eine besondere Ausnahmesituation. Tritt deshalb der Gesichtspunkt des Handelns aufgrund einer ärztlichen Verordnung in den Hintergrund, schließt die Eigenschaft des Handelnden als Nichtarzt oder sein Handeln unter Abweichung von einer ärztlichen Anordnung die Rechtfertigung einer Körperverletzung durch mutmaßliche Einwilligung nicht zwingend aus.

4. Im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ist der Inhalt seines Willens aus seinen persönlichen Umständen, individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln. Hinweise dafür können etwa Gespräche des Geschädigten mit seinem Betreuer liefern. Weitere Indizien können sich aus dem Verhalten des Patienten in dem Pflegeheim ergeben.

5. Die Beachtung ärztlicher Anordnungen gehört zwar im Regelfall ebenfalls zu dem, was als gemeinhin vernünftig anzusehen ist. Jedoch kann beim eigentlichen Sterbevorgang unmittelbar vor dem Tod auch die Schmerzbekämpfung mit allen verfügbaren und den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Mitteln als vernünftig und deshalb dem mutmaßlichen Patientenwillen entsprechend anzusehen sein. Das gilt insbesondere dann, wenn die ärztlich verordnete Schmerzmedikation an der Untergrenze des medizinisch Angemessenen gelegen hat. Bei der Gesamtwürdigung ist überdies in den Blick zu nehmen, wie nahe der Patient dem Tode war.

6. Tritt ein anderes Motiv zu einem auch vorhandenen Willen, im Einklang mit dem mutmaßlichen Patientenwillen zu handeln hinzu, steht dieser neue Beweggrund der Annahme eines subjektiven Rechtfertigungswillens nur dann entgegen, wenn dieses hierdurch völlig in den Hintergrund gedrängt wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 29. Mai 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat Erfolg.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Der Angeklagte war seit September 2017 als examinierte Pflegekraft in dem Altenpflegeheim G. tätig. Dort wurde Ende Februar 2018 der 63-jährige, unter gesetzlicher Betreuung stehende, M. aufgenommen, der an Lungenkrebs im Endstadium litt. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zum 15. März 2018 zunehmend. Eine Heilung des Krebsleidens war ausgeschlossen. Sein Zustand war präfinal; sein Arzt rechnete mit seinem Ableben in den nächsten Stunden und Tagen. Bereits bei einfachen pflegerischen Maßnahmen litt M. unter starken Schmerzen. Er aß nicht mehr, konnte kaum noch schlucken und nur noch durch leichte Kopfbewegungen oder mittels kurzer, einfacher Worte kommunizieren.

Aufgrund seiner Schmerzen verordnete sein Arzt „erhebliche Dosen schmerzstillender Medikamente“, darunter auch „Morphin 5 mg, subkutan (maximal alle 4 Stunden)“. Das Morphin hatte der Arzt in Abstimmung mit dem Palliativteam nur vorsorglich verordnet. Es sollte nur dann verabreicht werden, wenn die übrigen Medikamente, keine ausreichende schmerzstillende Wirkung mehr zeigten, insbesondere dann, wenn M. wegen seiner Schluckbeschwerden keine Tabletten und kein Nasenspray mehr einnehmen konnte.

Bei Morphin handelt es sich um ein verschreibungspflichtiges, in der Palliativmedizin gebräuchliches Mittel. Krebspatienten können Dosen zwischen fünf und dreißig Milligramm Morphin in einem zeitlichen Abstand von vier bis sechs Stunden „regelkonform“ verabreicht werden. Injiziertes Morphin wirkt nach etwa 20 Minuten schmerzlindernd. Es beruhigt, bewirkt bei dem Schwerkranken eine gewisse Entspannung, führt aber auch zu einer Verflachung der Atmung bis hin zu Atemaussetzern.

In der Nacht vom 15. auf den 16. März 2018 hatte der Angeklagte Dienst, zusammen mit der Zeugin A., einer ungelernten Pflegekraft, in die er sich - unerwidert - verliebt hatte und deren Aufmerksamkeit er zu erregen suchte. Gegen 22.30 Uhr stellte die Zeugin A. fest, dass M. unruhig war und über starke Schmerzen klagte. Sie informierte den Angeklagten, der M. fragte, ob er eine schmerzstillende Spritze wolle. Er bejahte, und der Angeklagte entschied, dem Patienten - der ärztlichen Verordnung entsprechend - fünf Milligramm Morphin subkutan zu injizieren. Aus einer Ampulle zu zehn Milligramm Morphin zog er eine Spritze mit fünf Milligramm Morphin auf. „Den Rest, also die halbvolle Ampulle, zeigte er der Zeugin A. und fragte scheinheilig, was er den(n) nun damit machen solle“, womit er der Zeugin zeigen wollte, „dass er bereit war, das übrig gebliebene Morphin dem Geschädigten zu verabreichen und ihm damit zu helfen, obwohl dies von der ärztlichen Verordnung nicht gedeckt war und obwohl M. - wie der Angeklagte wusste - vorher noch kein Morphin bekommen hatte“. Da die Zeugin auf seine Frage nicht weiter einging, entsorgte er das übrig gebliebene Morphin und verabreichte M. erstmalig Morphin, wie von der ärztlichen Verordnung vorgesehen, was er auch dokumentierte.

Die verabreichte Menge von fünf Milligramm wirkte wie beabsichtigt. Im Laufe der Nacht, in Abständen zwischen einer und anderthalb Stunden, sah die Zeugin A. nach M. Gegen 5.20 Uhr bejahte er durch Kopfbewegungen deren Frage, ob er wieder starke Schmerzen in den Beinen habe. Sie unterrichtete davon den Angeklagten, der ihren Eindruck bei einer Nachschau um 5.30 Uhr allerdings nicht bestätigen konnte, da M. zu diesem Zeitpunkt nicht ansprechbar war.

Gegen 6.00 Uhr - kurz vor Ende seiner Schicht - entschied sich der Angeklagte, noch einmal bei M. vorbeizuschauen; er stellte fest, dass der Patient wach war, auf Ansprache reagierte und Schmerzen bejahte. Der Angeklagte entschied sich, erneut eine Spritze mit Morphin zu verabreichen. Bei der Vorbereitung der Spritze war wieder die Zeugin A. zugegen. „Beiden tat der Geschädigte unglaublich leid. Beide wollten nicht sehen, wie er sich quälte und litt. Seinen offensichtlich schlechten Zustand und seine Schmerzen fanden sie - trotz ihrer Erfahrungen in der Pflege - schwer erträglich. Um in dieser belastenden Situation zu zeigen, dass er Verantwortung übernehme und um die Zeugin A. damit zu beeindrucken, fragte der Angeklagte, ob er die ganze Ampulle verabreichen solle. Die Zeugin A. antwortete nicht. Weil sie nicht ‚nein‘ gesagt hatte, entschied der Angeklagte, die gesamte Ampulle Morphin - also 10 mg - zu verabreichen.“ Ihm war dabei bewusst, dass M. auf die zuvor verabreichte Dosis von fünf Milligramm wie beabsichtigt reagiert hatte; ihm war ebenfalls bewusst, dass von der ärztlichen Verordnung lediglich die Verabreichung von fünf Milligramm Morphin umfasst war, er aber jederzeit einen Arzt hätte anrufen können, der - soweit notwendig - die Dosis hätte erhöhen können. Der Angeklagte wollte jedoch „nun selbst handeln, um die Zeugin A. in dieser Situation mit seiner Tatkraft zu beeindrucken. Dementsprechend war der Wille des Geschädigten für den Angeklagten nicht entscheidend. Er fragte diesmal nicht, ob er eine Spritze wolle. Erst recht fragte er nicht, ob er eine Spritze mit der doppelten Dosierung wolle. Auch den gesetzlichen Betreuer des Geschädigten befragte der Angeklagte nicht.“ Der Angeklagte injizierte sodann dem nicht an Morphin gewöhnten Geschädigten zehn Milligramm Morphin. Das Schmerzempfinden des Geschädigten ging stärker zurück als es bei der Verabreichung von fünf Milligramm der Fall gewesen wäre; aber auch die Atmung des Geschädigten wurde stärker beeinträchtigt, was der Angeklagte wusste und wollte. Gegenüber der Zeugin A. sagte er, „dass sie ihn nicht verpetzen solle und er ihn, also den Geschädigten, nun ‚weggespritzt‘ habe.“ Sowohl in der Pflegedokumentation als auch im Betäubungsmittelbuch gab der Angeklagte wahrheitswidrig an, dem Geschädigten eine halbe Ampulle Morphin verabreicht und die restliche halbe Ampulle entsorgt zu haben.

Am 16. März 2018 gegen 9.30 Uhr, als das verabreichte Morphin in seiner Wirkung bereits nachließ, verstarb der Geschädigte an seinem Krebsleiden; die Morphininjektion um 6.00 Uhr war nicht todesursächlich.

b) Das Landgericht hat in der Handlung des Angeklagten eine Körperverletzung im Sinne von § 223 Abs. 1 StGB gesehen. Durch die Injektion des Morphins habe er „jedenfalls einen pathologischen Zustand herbeigeführt oder gesteigert.“ Diese Körperverletzung sei „nicht gerechtfertigt, weil die Verabreichung der Spritze mit 10 mg Morphin nicht der ärztlichen Anordnung entsprach und weder eine wirksame, ausdrücklich oder stillschweigend erklärte Einwilligung noch eine mutmaßliche Einwilligung des Tatopfers vorlag. Ohnehin sei „eine Einwilligung nur in eine fachgerechte ärztliche Heilbehandlung möglich und nicht in eine Maßnahme einer Pflegekraft, die bewusst eine ärztliche Anordnung umgeht bzw. eigenmächtig erweitert.“ 2. Die Revision ist begründet. Die bisher getroffenen Feststellungen und Wertungen tragen den Schuldspruch wegen Körperverletzung nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit als Körperverletzung zu bewerten, auch wenn er in heilender Absicht erfolgt. Selbst ein im Einklang mit den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommener Eingriff erfüllt den Straftatbestand. Er kann nur durch wirksam erklärte oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten gerechtfertigt werden (st. Rspr.; Senat, Urteil vom 30. Januar 2019 - 2 StR 325/17, BGHSt 64, 69, 73 mwN).

b) Durchgreifend rechtsfehlerhaft ist hier jedenfalls die Verneinung einer Rechtfertigung der Handlung des Angeklagten. Das Landgericht hat fehlerhaft die Prüfung einer mutmaßlichen Einwilligung unterlassen, weil es aus der bewussten Umgehung bzw. eigenmächtigen Erweiterung einer ärztlichen Verordnung durch den Angeklagten als Nichtarzt eine generelle Unmöglichkeit der Rechtfertigung der Körperverletzung durch (mutmaßliche) Einwilligung abgeleitet hat.

aa) Nach den Urteilsfeststellungen ist eine Einwilligung in die konkrete Handlung des Angeklagten nicht erklärt worden. Ob von einer mutmaßlichen Einwilligung, die in Betracht kommt, wenn eine ausdrückliche Einwilligung aufgrund vorübergehender Einwilligungsunfähigkeit nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, auszugehen ist, wäre jedoch durch Gesamtschau aller Umstände zu prüfen gewesen (vgl. auch Senat, Urteil vom 30. Januar 2019 - 2 StR 325/17, BGHSt 64, 69, 78).

(1) Die Grundsätze der Rechtfertigung von Maßnahmen zur Ermöglichung eines schmerzfreien Todes sind nicht ausnahmslos auf Handlungen durch einen Arzt oder aufgrund ärztlicher Anordnung beschränkt (Senat, Urteil vom 30. Januar 2019 - 2 StR 325/17, BGHSt 64, 69, 78; Urteil vom 25. Juni 2010 - 2 StR 454/09, BGHSt 55, 191, 205 f.; Rissing-van Saan, ZIS 2011, 544, 550). Im Ausnahmefall kann auch ein Nichtarzt medizinische Maßnahmen zur Leidensminderung durchführen, wenn sie der Sache nach den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen und sich im Rahmen einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten bewegen. Dies gilt auch deshalb, weil das Unterlassen einer vom Patienten erwünschten Schmerzbekämpfung durch einen Garanten eine Körperverletzung sein kann (Senat, Urteil vom 30. Januar 2019 - 2 StR 325/17, BGHSt 64, 69, 78 mwN; Urteil vom 30. September 1955 - 2 StR 206/55, BeckRS 1955, 31192233).

(2) Beim Sterben eines unheilbar Kranken, dem unmittelbar vor dem Tod nur noch durch Schmerzbekämpfung geholfen werden kann, besteht eine besondere Ausnahmesituation (vgl. auch Senat, Urteil vom 30. Januar 2019 - 2 StR 325/17, BGHSt 64, 69, 79 mwN). Tritt deshalb der Gesichtspunkt des Handelns aufgrund einer ärztlichen Verordnung in den Hintergrund, schließt die Eigenschaft des Handelnden als Nichtarzt oder sein Handeln unter Abweichung von einer ärztlichen Anordnung die Rechtfertigung einer Körperverletzung durch mutmaßliche Einwilligung nicht zwingend aus, wie es das Landgericht jedoch rechtsfehlerhaft vorausgesetzt hat.

bb) Die Strafkammer hätte daher eine Gesamtwürdigung aller Umstände vornehmen müssen, die für den mutmaßlichen Patientenwillen von Bedeutung sein können. Dabei wäre zu berücksichtigen gewesen, dass im Hinblick auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten der Inhalt seines Willens aus seinen persönlichen Umständen, individuellen Interessen, Wünschen, Bedürfnissen und Wertvorstellungen zu ermitteln ist (Senat, Beschluss vom 25. März 1988 - 2 StR 93/88, BGHSt 35, 246, 249 f.; BGH, Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 263). Hinweise dafür können etwa Gespräche des Geschädigten mit seinem Betreuer „über eine mögliche Patientenverfügung, die er jedoch nicht (bzw. nicht mehr) unterzeichnete“, liefern. Weitere Indizien können sich aus dem Verhalten des Patienten in dem Pflegeheim ergeben. Welche Äußerungen M. dort gemacht hat, insbesondere gegenüber dem Angeklagten, mit dem er sich nach seiner Aufnahme in das Pflegeheim sofort „verstanden“ habe, teilt das angefochtene Urteil nicht mit.

Die Beachtung ärztlicher Anordnungen gehört zwar im Regelfall ebenfalls zu dem, was als gemeinhin vernünftig anzusehen ist. Jedoch kann beim eigentlichen Sterbevorgang unmittelbar vor dem Tod auch die Schmerzbekämpfung mit allen verfügbaren und den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechenden Mitteln als vernünftig und deshalb dem mutmaßlichen Patientenwillen entsprechend anzusehen sein (Senat, Urteil vom 30. Januar 2019 - 2 StR 325/17, BGHSt 64, 69, 80 mwN). Das gilt insbesondere dann, wenn - wie hier festgestellt - die ärztlich verordnete Schmerzmedikation an der Untergrenze des medizinisch Angemessenen gelegen hat. Bei der Gesamtwürdigung ist überdies in den Blick zu nehmen, wie nahe der Patient dem Tode war (BGH, Urteil vom 13. September 1994 - 1 StR 357/94, BGHSt 40, 257, 263). An einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände fehlt es jedoch im angefochtenen Urteil.

cc) Eine mutmaßliche Einwilligung scheidet im Übrigen nicht schon dann ohne Weiteres aus, wenn der Angeklagte - auch - aus einem anderen Motiv gehandelt hat, nämlich um die Zeugin A. durch seine Entschlossenheit zu beeindrucken. Tritt ein anderes Motiv zu einem auch vorhandenen Willen, im Einklang mit dem mutmaßlichen Patientenwillen zu handeln hinzu, steht dieser neue Beweggrund der Annahme eines subjektiven Rechtfertigungswillens nur dann entgegen, wenn dieses hierdurch völlig in den Hintergrund gedrängt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2001 - 1 StR 487/00, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Verteidigung 14; vom 5. November 1982 - 3 StR 375/82, juris Rn. 7; jeweils mwN).

3. Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird sich mit Blick auf das Urteil des Senats vom 30. Januar 2019 (2 StR 325/17, BGHSt 64, 69 ff.) gegebenenfalls näher als bisher geschehen mit der Frage der Tatbestandsverwirklichung des § 223 Abs. 1 StGB und des § 29 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b) BtMG zu befassen haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1389

Externe Fundstellen: NStZ 2021, 164; StV 2021, 115

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner