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HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 158

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 175/19, Beschluss v. 19.11.2019, HRRS 2020 Nr. 158


BGH 2 StR 175/19 - Beschluss vom 19. November 2019 (LG Darmstadt)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Zurechnung des Verschuldens des Vertreters an den Nebenkläger).

§ 44 StPO; § 345 StPO; § 85 Abs. ZPO

Leitsatz des Bearbeiters

Wiedereinsetzung zur Behebung von Versäumnissen des Nebenklägervertreters bei der Revisionsbegründung kommt nicht in Betracht. Bereits ein Angeklagter muss sich Fehler seines Verteidigers und inhaltliche Mängel bei Fertigung der Revisionsbegründungsschrift zurechnen lassen. Dies gilt erst recht für den Nebenkläger. Nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO müssen sich Verfahrensbeteiligte, die sich nicht gegen einen Schuldvorwurf verteidigen, das Verschulden ihres Vertreters stets zurechnen lassen.

Entscheidungstenor

1. Der Antrag der Nebenklägerin G. A. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 29. August 2018 wird als unzulässig verworfen.

2. Ihre Revision gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.

3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten hierdurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Dagegen hat die Nebenklägerin G. A. eine auf die Verletzung formellen Rechts gestützte Revision eingelegt und ergänzend lediglich ausgeführt, der Angeklagte hätte wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt werden müssen.

Nachdem der Generalbundesanwalt gemäß § 349 Abs. 1 StPO die Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig beantragt hatte, weil die einzig erhobene Rüge der Verletzung formellen Rechts nicht ausgeführt und daher gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig sei (vgl. Franke, in: LR-StPO, 26. Aufl., § 349 Rn. 3; Gericke, in: KK-StPO, 8. Aufl., § 349 Rn. 7), macht die Nebenklägerin geltend, bei der Rüge der „Verletzung formellen Rechts“ handele es sich angesichts des eindeutig formulierten Ziels des Rechtsmittels um einen bloßen Schreibfehler. Hilfsweise beantragt sie fristgerecht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist und rügt nunmehr die Verletzung sachlichen Rechts. Bei der Rüge der Verletzung formellen Rechts habe es sich um ein Versehen ihres Nebenklägervertreters gehandelt, das sie nicht verschuldet habe.

2. Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Revisionsbegründungsfrist kommt nicht in Betracht.

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen.

a) Eine Umdeutung der von dem Nebenklägervertreter eingelegten Formalrüge in eine Sachrüge scheidet aus. Zwar ist ein Irrtum des Beschwerdeführers in der Bezeichnung der Rüge unerheblich, wenn die wirkliche rechtliche Bedeutung des Revisionsangriffs dem Revisionsvorbringen eindeutig entnommen werden kann. Hier fehlt für eine entsprechende Auslegung jedoch eine hinreichende Grundlage. Das von der Revision einzig formulierte Anfechtungsziel - nämlich eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes statt wegen Totschlags - lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass statt der erhobenen Formalrüge die Erhebung der Sachrüge gewollt war.

b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus. Die Nebenklägerin hat bisher keine Frist versäumt. Wiedereinsetzung zur Behebung von Versäumnissen des Nebenklägervertreters bei der Revisionsbegründung kommt nicht in Betracht. Bereits ein Angeklagter muss sich Fehler seines Verteidigers und inhaltliche Mängel bei Fertigung der Revisionsbegründungsschrift zurechnen lassen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 345 Rn. 11a). Dies gilt erst recht für den Nebenkläger. Nach dem allgemeinen Verfahrensgrundsatz des § 85 Abs. 2 ZPO müssen sich Verfahrensbeteiligte, die sich nicht gegen einen Schuldvorwurf verteidigen, das Verschulden ihres Vertreters stets zurechnen lassen (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 44 Rn. 19 mwN).

c) Die nach alledem nicht ausgeführte Formalrüge ist als unzulässig zu verwerfen.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 158

Externe Fundstellen: NStZ 2020, 310

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner