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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 847

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 570/18, Beschluss v. 02.07.2019, HRRS 2019 Nr. 847


BGH 2 StR 570/18 - Beschluss vom 2. Juli 2019 (LG Aachen)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Zulässigkeit des Antrages).

§ 44 Satz 1 StPO; § 45 Abs. 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

Jedenfalls in den Fällen, in denen die Wahrung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, dass der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre.

Entscheidungstenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Januar 2018 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen das am 23. Januar 2018 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 15. Februar 2018 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. Februar 2018 Revision eingelegt. Zugleich hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision beantragt. Dazu hat der Verteidiger - unter Darstellung der üblichen Büroabläufe in seiner Kanzlei und des dort praktizierten Umgangs mit Fristsachen - ausgeführt, dass seitens einer langjährig beschäftigten und immer zuverlässigen Kanzleikraft durch ein Büroversehen der Ablauf der Revisionseinlegungsfrist nicht notiert worden sei. Dieses Versäumnis sei bei einer - nicht näher erläuterten - „Überprüfung“ festgestellt worden (BI. 837 ff. d. A.).

Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, weil er nicht die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO erfüllt. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten (§ 44 Satz 1 StPO). Der Antrag ist binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO); innerhalb der Wochenfrist muss der Antragsteller auch Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses machen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15 - juris; vom 5. August 2010 - 3 StR 269/10 - Rn. 3, NStZ-RR 2010, 378). An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es hier. Der Antrag enthält keine ausreichenden Angaben dazu, wann das Hindernis, das der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist. Entscheidend für den Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Juni 2018 - 3 StR 197/18 - Rn. 3, juris; vom 29. November 2016 - 3 StR 444/16 -, Rn. 3, juris).

Wann dem Angeklagten hier die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist bekannt geworden ist, wird nicht vorgetragen. Jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier die Wahrung der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 StPO nach Aktenlage nicht offensichtlich ist, gehört zur formgerechten Anbringung des Wiedereinsetzungsantrags, dass der Antragsteller mitteilt, wann das Hindernis, dass der Fristwahrung entgegenstand, weggefallen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 4. August 2010 - 2 StR 365/10 - Rn. 3, juris; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 StR 452/15 - Rn. 2, juris).

Da dem Wiedereinsetzungsantrag überhaupt keine Zeitangaben zu entnehmen sind, ist angesichts des Zeitablaufs von mehr als drei Wochen seit Urteilsverkündung nicht ausgeschlossen, dass dem bei der Verkündung anwesenden Angeklagten bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Fristversäumung zur Kenntnis gelangt sein könnte… Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Revisionseinlegungsfrist bleibt auch deshalb ohne Erfolg, weil der Angeklagte weder dargelegt noch glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten (§ 44 Abs. 1 StPO). Der Wiedereinsetzungsantrag lässt offen, ob und wann er seinen Verteidiger überhaupt mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hatte; ein solcher Auftrag ist auch nicht durch anwaltliche Versicherung des Verteidigers glaubhaft gemacht (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Januar 2015 - 1 StR 573/14 - Rn. 13, NStZ-RR 2015, 145).

Da die Frist zur Einlegung der Revision (§ 341 Abs. 1 StPO) danach nicht eingehalten worden ist, ist die Revision gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.“ Dem schließt sich der Senat an.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 847

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 286

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner