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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 694

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 45/18, Urteil v. 09.05.2018, HRRS 2018 Nr. 694


BGH 2 StR 45/18 - Urteil vom 9. Mai 2018 (LG Bonn)

Grundsätze der Strafzumessung (Verhältnis gegen Mittäter verhängter Strafen); Einziehung; Bestimmung des Wertes des Erlangten; Schätzung (tatrichterliche Überzeugung von der deliktischen Herkunft des Gegenstandes).

§ 46 StGB; § 73d StGB a.F.; § 33 BtMG a.F

Leitsätze des Bearbeiters

1. Gegen Mittäter in einem Urteil verhängte Strafen sollen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen.

2. Eine Verfallsanordnung nach § 33 BtMG a.F. i.V.m. § 73d StGB a.F. setzt voraus, dass sich der Tatrichter nach Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel von der deliktischen Herkunft des Gegenstands überzeugt.

Entscheidungstenor

Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 19. Mai 2017 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und von einer Verfallsanordnung abgesehen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen gehören dem Angeklagten gemeinsam mit seiner Mutter mehrere hochwertige Immobilien. In einem seiner Objekte hatte er eine Wohneinheit u.a. an den Mitangeklagten B. vermietet, der in einem Hinterhaus des Anwesens mit Wissen und Wollen des Angeklagten eine Marihuanaplantage betrieb. Der Angeklagte hatte als Vermieter die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und das erforderliche Equipment für die Aufzucht der Pflanzen finanziert. Gelegentlich hielt er sich selbst in den Räumlichkeiten auf und legte bei den notwendigen Arbeiten Hand an. Bei der polizeilichen Durchsuchung bestand die Plantage aus 263 noch nicht voll ausgereiften Pflanzen, die zum Zeitpunkt der Sicherstellung eine Erntemenge von 3 kg Marihuana mit einem THC-Gehalt von ca. 200 Gramm ergeben hätten. Bei der zeitgleichen Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten wurden in einer seiner Jacken 11.500 Euro aufgefunden und sichergestellt.

II.

1. Soweit die Revision rügt, die für den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten sei im Vergleich zu der gegen den Mitangeklagten B. verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten nicht tat- und schuldangemessen, führt dies nicht zum Erfolg:

Die Zumessung der Strafe ist Aufgabe des Tatgerichts. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle durch das Revisionsgericht ist ausgeschlossen; dieses darf nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Landgericht hat die wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände berücksichtigt und abgewogen. Es hat insbesondere zu Lasten des Angeklagten ausdrücklich berücksichtigt, dass dieser beim Aufbau und Betrieb der Plantage ein hohes Maß an krimineller Energie aufwandte; damit hat es die Bedeutung und das Gewicht der Tatbeiträge des Angeklagten angemessen gewürdigt.

Die Strafkammer hat auch bedacht, dass gegen Mittäter in einem Urteil verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11, BGHSt 56, 262 mwN) und dieser Maßgabe entsprechend die Verhängung einer im Vergleich zu dem Mitangeklagten B. geringfügigen höheren Strafe nachvollziehbar begründet.

2. Ebensowenig ist es zu beanstanden, dass die Strafkammer hinsichtlich der sichergestellten 11.500 Euro von der Anordnung des (erweiterten) Verfalls abgesehen hat. Eine Verfallsanordnung nach § 33 BtMG a.F. i.V.m. § 73d StGB a.F. setzt voraus, dass sich der Tatrichter nach Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel von der deliktischen Herkunft des Gegenstands überzeugt (BVerfGE 110, 1). Eine solche Überzeugung hat sich das Landgericht auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht zu verschaffen vermocht, weil die sichergestellten 11.500 Euro auch aus legalen Geschäften des Angeklagten stammen können.

So hat es die Strafkammer für möglich gehalten, dass der Angeklagte im Autohandel tätig ist. Des Weiteren ist festgestellt, dass er mehrere Immobilien besitzt und über entsprechende Mieteinnahmen verfügt, über die Konten seiner Ehefrau und seiner Mutter verfügungsberechtigt ist und von verschiedenen Banken Kredite über insgesamt mindestens 760.000 Euro im Zusammenhang mit seinen Immobiliengeschäften erhalten hatte. Vor diesem Hintergrund ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Landgericht vernünftige, nicht fern liegende Zweifel an der deliktischen Herkunft der 11.500 Euro gehabt hat, die eine Verfallsanordnung ausschließen.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 694

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner