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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 838

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 42/18, Urteil v. 01.08.2018, HRRS 2018 Nr. 838


BGH 2 StR 42/18 - Urteil vom 1. August 2018 (LG Neubrandenburg)

Urteilsgründe (Strafzumessung: revisionsgerichtliche Überprüfbarkeit; Behandlung eines Geständnisses eines Angeklagten).

§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen.

2. Der Tatrichter muss nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden.

3. Dem Geständnis eines Angeklagten kann eine strafmildernde Bedeutung nur abgesprochen werden, wenn es ersichtlich nicht aus einem echten Reue- und Schuldgefühl heraus abgegeben worden ist, sondern auf 'erdrückenden Beweisen' beruht.

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 31. August 2017 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit dem verbotenen Besitz einer unter Anlage 2 Abschnitt 1 Ziff. 1.3.2. zum Waffengesetz fallenden Stahlrute“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte und auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte im Zeitraum von Oktober 2016 bis zum 22. Februar 2017 in einem größeren Gebäudekomplex in St. eine professionell eingerichtete Indoorplantage zur Aufzucht von Cannabispflanzen zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung von Pflanzen und Pflanzenteilen. Anlässlich der Durchsuchung des Anwesens am 22. Februar 2017 wurden insgesamt 982 Cannabispflanzen unterschiedlicher Wuchshöhe, abgeerntete Pflanzen und Pflanzenteile sowie zerhackte Cannabispflanzen mit einem Gewicht von über acht Kilogramm und einer Gesamtwirkstoffmenge von 410 Gramm THC sichergestellt. Darüber hinaus bewahrte der Angeklagte in einem als Büro genutzten Raum ein Luftdruckgewehr und in seinem Wohnzimmer, in welchem er neben drei Feinwaagen und Pflanzensamen auch zerhackte Cannabispflanzen lagerte, eine Stahlrute offen und zugriffsbereit auf der Lehne eines Sofas auf.

2. Das Landgericht hat die Tat als Verbrechen des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewertet; die Grenze zur nicht geringen Menge sei unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags von 9 Prozent um das nahezu 50fache überschritten. Im Rahmen der Strafzumessung hat es die Tat als einen minder schweren Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG angesehen und hat unter Beachtung der Sperrwirkung des § 29a BtMG innerhalb eines Strafrahmens von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eine solche von drei Jahren und sechs Monaten als tat- und schuldangemessen angesehen.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft, die wirksam auf die Straffrage beschränkt ist und sich insbesondere gegen die Annahme eines minder schweren Falles des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge richtet, ist unbegründet. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift ausgeführt:

„Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen minder schweren Fall angenommen und die Strafe dem Strafrahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 29a Abs. 1 BtMG entnommen hat.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist dagegen ausgeschlossen. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, seine eigene Wertung an die Stelle des Tatgerichts zu setzen; vielmehr muss es die von ihm vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., zuletzt BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - 1 StR 226/17 -, juris, Rn. 9 m.w.N.). An diesen revisionsrechtlichen Maßstäben gemessen hält die Bejahung eines minder schweren Falles rechtlicher Überprüfung stand.

Die Strafkammer hat bei der Beurteilung, ob die Tat als minder schwerer Fall im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG zu werten ist, ersichtlich eine Gesamtabwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vorgenommen. Wenn sie trotz der straferschwerenden Umstände das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bejaht hat, so hält sich dies im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Das gegenteilige Vorbringen der Revision zeigt keine Rechtsfehler auf, sondern erschöpft sich im Wesentlichen darin, eine eigene Bewertung an die Stelle der rechtsfehlerfreien Gesamtwürdigung der Strafkammer zu setzen. Soweit die Revision bestimmte Ausführungen zur professionellen Begehungsweise sowie den 'einschlägigen Vorkenntnissen und Erfahrungen des Angeklagten' im Rahmen der Strafzumessung vermisst (RB Bl. 3), ist dem entgegenzuhalten, dass der Tatrichter nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben muss (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. nochmals BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 - 1 StR 226/17 -, juris, Rn. 14 m.w.N.). Dieselben Erwägungen gelten insoweit für die ausführlichen Darlegungen des Generalstaatsanwalts. Dass ein Geständnis nur dann als bestimmender Strafzumessungsgrund Berücksichtigung finden kann, wenn anderenfalls der Tatnachweis nicht oder zumindest nicht vollständig möglich gewesen wäre, findet in der Rechtsprechung des BGH keine Stütze. Vielmehr kann dem Geständnis eines Angeklagten eine strafmildernde Bedeutung nur abgesprochen werden, wenn es ersichtlich nicht aus einem echten Reue- und Schuldgefühl heraus abgegeben worden ist, sondern auf 'erdrückenden Beweisen' beruht (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 - 4 StR 502/13 -, juris). Dies ist vorliegend jedoch nach den Urteilsgründen nicht der Fall; insbesondere hat die Kammer festgestellt, dass das Geständnis des Angeklagten von Reue geprägt war (UA S. 18). Dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten als teilweise widerlegt angesehen hat, tut dem keinen Abbruch. Gleiches gilt, soweit die Strafkammer die Tatsache, dass der Angeklagte auf die Herausgabe der Betäubungs- und Tatmittel verzichtet hat (UA S. 18), als Ausdruck von Reue strafmildernd berücksichtigt hat (vgl. Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage 2017, Rn. 679). Dass die Gegenstände ansonsten der Einziehung unterlegen hätten (Stellungnahme des Generalstaatsanwalts Bl. 2), steht dem nicht entgegen. Die Strafkammer hat zutreffend gesehen, dass dem Luftgewehr aufgrund seiner technischen Beschaffenheit eine geringe objektive Gefährlichkeit, andererseits jedoch ein hohes Bedrohungspotential zukommt (UA S. 18); ein Widerspruch liegt darin nicht. Auch die übrigen aufgeführten Gesichtspunkte hat das Landgericht ersichtlich und ganz überwiegend ausdrücklich in seine Strafzumessungserwägungen eingestellt. Mit dem Einwand, es hätte diese Gesichtspunkte zu Ungunsten des Angeklagten anders gewichten müssen, kann die Revision keinen Erfolg haben.“

Diesen Ausführungen tritt der Senat bei.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 838

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner