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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 995

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 101/18, Beschluss v. 20.08.2019, HRRS 2019 Nr. 995


BGH 2 StR 101/18 - Beschluss vom 20. August 2019 (LG Frankfurt am Main)

Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (Anordnung des Verfalls des Wertersatzes gegen einen Dritten).

§ 73 Abs. 3 StGB aF; § 73a StGB aF

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Nebenbeteiligten T. wird

a) das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. März 2017 aufgehoben, soweit festgestellt ist, dass gegen die Nebenbeteiligte wegen eines Geldbetrages in Höhe von 26.403,44 € lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt wurde, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen; diese Feststellung entfällt;

b) die Kostenentscheidung in dem vorgenannten Urteil, soweit diese die Nebenbeteiligte T. betrifft, dahin geändert, dass die durch ihre Verfahrensbeteiligung erwachsenen besonderen Kosten dem Angeklagten K. auferlegt werden und ihre insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen die Staatskasse trägt.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die der Nebenbeteiligten T. insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Untreue sowie Anstiftung zur Untreue in sechs Fällen und Beihilfe zur Untreue in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und einen Opferanspruch gemäß § 111i Abs. 2 StPO aF in Höhe von 1.200.000 € beschieden. Ebenso hat das Landgericht festgestellt, dass die Nebenbeteiligte T. einen Vermögensvorteil in Höhe von 26.403,44 € aus den abgeurteilten Taten des Angeklagten K. erlangt hat. Von der „Anordnung von Wertersatzverfall“ in dieser Höhe hat die Strafkammer abgesehen, weil Ersatzansprüche Verletzter entgegenstehen. Hieran anknüpfend hat das Landgericht die besonderen Kosten ihrer Verfahrensbeteiligung der Nebenbeteiligten auferlegt und zu ihrem Nachteil von einer Auslagenüberbürdung abgesehen. Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision richtet sich die Nebenbeteiligte gegen die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO aF. Überdies wendet sie sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Landgerichts. Die Revision der Nebenbeteiligten hat umfassenden Erfolg (I.), der auch einen Kostenausspruch zugunsten der Nebenbeteiligten nach sich zieht (II.). Infolgedessen wird die Kostenbeschwerde der Nebenbeteiligten gegenstandslos (III.).

I.

1. Das Landgericht hat folgende - für die Beschwerdeführerin relevante - Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Die Nebenbeteiligte T. bekam zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt von dem Angeklagten K. einen Pkw Audi A5 Cabrio geschenkt.

Der Angeklagte hatte dieses Fahrzeug gekauft und gegenüber der Eigentümerin ( ) die vollständige Restkaufpreiszahlung in Höhe von 46.687,40 € am 11. Januar 2012 bewirkt. Dieser Betrag entstammte Geldmitteln, die er aus abgeurteilten Untreuetaten einen Tag zuvor auf seinem Privatkonto erlangt hatte. Die Nebenbeteiligte wusste beim Erwerb des Fahrzeugs nicht um die inkriminierte Herkunft der erlangten Gelder. Im Laufe des Strafverfahrens wurde der Pkw sichergestellt und zu einem Preis von 26.403,44 € notveräußert.

b) Das Landgericht hat in rechtlicher Hinsicht einen „Verschiebungsfall“ gemäß § 73 Abs. 3 StGB aF angenommen, den Notveräußerungserlös als erlangten Betrag gewertet, von der Anordnung des Verfalls abgesehen, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen, und es bei einem Ausspruch gemäß § 111i Abs. 2 StPO aF belassen.

2. Die Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO aF, § 73 Abs. 3 StGB aF gegen die Nebenbeteiligte begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die außerordentlich knappen Feststellungen belegen nicht, dass - wie von § 111i Abs. 2 StPO aF gefordert - die Voraussetzungen der Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 26.403,44 € gegen die Nebenbeteiligte vorliegen.

Gemäß § 73 Abs. 3 StGB aF kann der Verfall des Wertersatzes nach § 73a StGB aF zwar auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn der Täter oder Teilnehmer für einen anderen gehandelt hat und dadurch dieser etwas erlangt hat. Die Annahme eines Verschiebungsfalles setzt dabei voraus, dass der Täter dem Dritten die Tatvorteile unentgeltlich oder aufgrund eines jedenfalls bemakelten Rechtsgeschäfts zukommen lässt, um sie dem Zugriff der Geschädigten zu entziehen oder um die Taten zu verschleiern (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 246; Beschluss vom 13. Juli 2010 - 1 StR 239/10, wistra 2010, 406; Senat, Beschluss vom 29. Februar 2012 - 2 StR 639/11, wistra 2012, 264, 264 f.). Zur Frage mit welcher Intention der Angeklagte K. vorliegend handelte, als er den Pkw der Nebenbeteiligten übereignete, verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Allein der Hinweis des Landgerichts, der Angeklagte habe „damit die Tatvorteile dem Zugriff von Geschädigten entziehen“ wollen, beinhaltet lediglich eine Schlussfolgerung, die weder durch festgestellte Tatsachen belegt ist noch sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erschließt oder sonst auf der Hand liegt. Denn die Urteilsfeststellungen erläutern weder, um wen es sich bei der Nebenbeteiligten T. handelte, noch, in welcher (persönlichen) Beziehung sie zum Zeitpunkt der Übereignung des Pkw zu dem Angeklagten K. stand. Vor diesem Hintergrund bieten die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte K. der Nebenbeteiligten den Pkw gezielt zum Geschenk machte, um erlangte Tatvorteile vor dem Zugriff Geschädigter zu sichern oder um die abgeurteilten Untreuetaten zu verschleiern.

3. Der Senat schließt aus, dass angesichts der Gesamtgeschehnisse im Januar 2012 weitere Feststellungen zur damaligen Intention des Angeklagten K. getroffen werden können, die die Annahme eines „Verschiebungsfalles“ im Sinne von § 73 Abs. 3 StGB aF und damit einen Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO aF gegen die Nebenbeteiligte T. zulassen würden. Demnach lässt der Senat die Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO aF gegenüber der Nebenbeteiligten entfallen (§ 354 Abs. 1 StPO).

II.

Der Angeklagte K. hat die der Nebenbeteiligten T. erwachsenen besonderen Kosten zu tragen (1.). Die notwendigen Auslagen, die der Nebenbeteiligten T. durch ihre Verfahrensbeteiligung erwachsen sind, legt der Senat der Staatskasse auf (2.).

1. Infolge des endgültigen Unterbleibens einer Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO aF bezüglich der Nebenbeteiligten T. und der Verurteilung des Angeklagten K. trägt dieser gemäß § 465 Abs. 1 StPO die durch die Verfahrensbeteiligung der Nebenbeteiligten T. entstandenen Kosten (vgl. LRStPO/Hilger, 26. Aufl., § 472b Rn. 3; MüKoStPO/Maier, § 472b Rn. 10; SKStPO/Degener, 4. Aufl., § 472b Rn. 5; KMR/Stöckel, StPO, 45. EL, § 472b Rn. 3).

2. Hinsichtlich ihrer notwendigen Auslagen, die der Nebenbeteiligten erwachsen sind, macht der Senat von der Ermessensvorschrift des § 472b Abs. 3 StPO Gebrauch. Da von einer Anordnung gegen die gutgläubige Nebenbeteiligte endgültig abgesehen worden ist, erscheint es nicht unbillig, die Staatskasse mit den notwendigen Auslagen der Nebenbeteiligten T. zu belasten (vgl. LRStPO/Hilger, aaO, § 472b Rn. 8; SKStPO/Degener, aaO, § 472b Rn. 10; Meier in Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., § 472b StPO Rn. 2; KMR/Stöckel, aaO, § 472b Rn. 9; vgl. auch Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. März 2017 - 1 Ws 500/16, juris Rn. 27 ff.).

III.

Durch den Erfolg der Revision, der zum endgültigen Absehen von einer Anordnung gegen die Nebenbeteiligte führt, ist die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils gegenstandslos (KK-StPO/Gieg, 8. Aufl., § 464 Rn. 14 mwN).

IV.

Die Kostenentscheidung im Revisionsverfahren folgt aus § 473 Abs. 3 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 995

Externe Fundstellen: NStZ-RR 2019, 346

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner