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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 272

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 477/17, Urteil v. 19.12.2018, HRRS 2019 Nr. 272


BGH 2 StR 477/17 - Urteil vom 19. Dezember 2018 (LG Aachen)

Doppelverwertungsverbot (strafschärfende Berücksichtigung der Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges).

§ 46 Abs. 3 StGB; § 250 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Die Regelung des minder schweren Falles in § 250 Abs. 3 StGB differenziert nicht zwischen den Qualifikationstatbeständen der Absätze 1 und 2, deren jeweiliger Unrechtsgrad in einer deutlich abgestuften Mindeststrafandrohung zum Ausdruck kommt. Zwar darf im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB ein minder schwerer Fall nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ein gefährliches Werkzeug verwendet wurde, innerhalb des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB kann dieser Umstand aber zu Lasten des Täters verwertet werden.

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Mai 2017 werden verworfen.

Der Angeklagte G. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Der Angeklagte M. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht Aachen hat den Angeklagten G. wegen Raubes in zwei Fällen, hierbei jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Verabredung zum Verbrechen des besonders schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten M. hat es wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Verabredung zum Verbrechen des besonders schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, die seitens des Angeklagten G. auf die allgemeine Sachrüge und seitens des Angeklagten M. auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt werden, bleiben ohne Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

1. Am 1. September 2015 trafen der Angeklagte G. und eine ihn begleitende unbekannte männliche Person in A. auf den Geschädigten D. Gemeinsam fassten sie den Entschluss, dem Geschädigten dessen Mobiltelefon zu entwenden. Dazu verwickelten sie D. in ein Gespräch. Als dieser ein ungutes Gefühl bekam und sich entfernen wollte, wurde er zu Boden gerissen. G. und sein Begleiter schlugen und traten auf den Geschädigten ein und forderten ihn auf, ihnen sein Telefon und Portemonnaie zu geben. Unter dem Eindruck erneuter Schläge und Tritte händigte der Geschädigte den Angreifern sein Portemonnaie mit Ausweisdokumenten und etwa sieben Euro Kleingeld aus und zeigte ihnen, wo sich sein Mobiltelefon befand, welches ihm sodann abgenommen wurde. Der Angeklagte G. versetzte dem Geschädigten anschließend noch einen weiteren Tritt, dann flüchtete er mit seinem Begleiter (Fall 1 der Urteilsgründe).

2. Im Februar 2016 einigten sich der Angeklagte G. und der Geschädigte Go., die bereits zuvor entsprechende Geschäfte gemacht hatten, auf den Verkauf von Mobiltelefonen. Der Abschluss des Geschäfts war für den Angeklagten G. jedoch lediglich ein Vorwand, um den Geschädigten in eine Falle zu locken und ihm das zur Bezahlung der Ware mitgeführte Bargeld gemeinsam mit zwei nicht näher identifizierten Mittätern unter Einsatz von Gewalt und/oder Drohungen abzunehmen. Am 1. März 2016 kam der Geschädigte zu dem mit G. vereinbarten Treffpunkt in A. Dort traf er auf einen Komplizen des G., der Go. zu einem Haus lotste, in dem die Übergabe der Telefone stattfinden sollte. Nach dem Betreten des Hauses führte der Komplize den Geschädigten in das Treppenhaus. Dort überfielen ihn mehrere maskierte Personen, versetzten ihm Stromstöße mit einem Elektroschocker und schlugen ihn zu Boden. Unter fortgesetzten Stromstößen, Schlägen und Tritten, durch die der Geschädigte schwer verletzt wurde, nahmen sie aus dessen Tasche ein Portemonnaie, in dem sich circa 300 € Bargeld, Ausweispapiere und Karten befanden, und flüchteten. Die Tatbeute wurde anschließend zwischen dem Angeklagten G. und seinen zwei Mittätern aufgeteilt (Fall 2 der Urteilsgründe).

3. Auch dem Geschädigten P. bot der Angeklagte G. den Verkauf günstiger Mobiltelefone an, um ihn gemeinsam mit weiteren Mittätern, zu denen der Angeklagte M. gehörte, zu überfallen. Am Abend des 6. April 2016 traf der Geschädigte gemeinsam mit drei Begleitern am vereinbarten Übergabeort, einem Hochhaus in A., ein. Dort wurden sie vom Angeklagten M. freundlich empfangen. Da M. vorgab, nur eine Person könne ihn ins Haus begleiten, warteten die Begleiter des Geschädigten im Auto. Nachdem sich M. und der Geschädigte ins Haus begeben hatten, trat im Treppenhaus ein nicht identifizierter Mittäter hervor und bedrohte P. mit einer schwarzen Pistole, die einer echten Waffe täuschend ähnlich sah. Der Angeklagte M. drückte den Geschädigten an die Wand und hielt ihn im Halsbereich fest. Einer der Täter forderte P. auf, das mitgeführte Bargeld auszuhändigen. Als der Geschädigte anbot, zur Sparkasse zu gehen, versetzte ihm der unbekannte Mittäter einen Schlag mit der Waffe an den Kopf. Nun versuchte M., dem Geschädigten den von ihm mitgeführten Geldbetrag in Höhe von circa 5.200 € aus der Hosentasche zu nehmen. Als dies scheiterte, trat der Mittäter P. zu Boden. Nun nahm M. dem Geschädigten das Geld und das Mobiltelefon ab. Anschließend sprühte einer der unbekannten Täter ohne Billigung des M. dem Geschädigten Pfefferspray ins Gesicht, um sich den Erhalt der Tatbeute zu sichern. M. und der weitere Täter flüchteten zunächst zu Fuß. Die weitere Flucht setzten sie in einem Pkw fort, in dem der Angeklagte G. mit einem Fahrer während des Tatgeschehens in unmittelbarer Nähe gewartet hatte. Von der Tatbeute erhielten G., M. und der weitere vor Ort handelnde Mittäter jeweils einen Anteil in Höhe von 1.500 €; der Restbetrag wurde an den Fahrer bezahlt (Fall 3 der Urteilsgründe).

4. Zur Vorbereitung einer weiteren gleichgelagerten Tat nahm der Angeklagte G. am 13. April 2016 telefonischen Kontakt zum Zeugen S. auf, der ein Mobilfunkgeschäft betrieb, und bot ihm 13 Telefone zum Kauf an. Im Anschluss an dieses Gespräch rief G. den Angeklagten M. an und fragte ihn, ob dieser auch bei einer neuerlichen Tat mitmachen würde. Dies bestätigte M. und vereinbarte mit G., die Tat mit weiteren unbekannten Mittätern in vergleichbarer Weise wie am 6. April 2016 zu begehen. Bei der Erörterung näherer Details kündigte M. an, diesmal werde er „vom Treppenhaus“ kommen und jemand anders die Personen am Fahrzeug abholen. Am Abend desselben Tages rief der Angeklagte G. den Zeugen S. erneut an und verabredete sich mit ihm für den Vormittag des Folgetags zur Übergabe von Ware und Geld. Die Tat wurde durch die noch am selben Abend erfolgte Festnahme des Angeklagten G. vereitelt (Fall 4 der Urteilsgründe).

Die Strafkammer hat im Fall 2 der Urteilsgründe beim Angeklagten G. u.a. eine Strafbarkeit gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB angenommen und ist beim Angeklagten M. in Fall 3 der Urteilsgründe hinsichtlich des Einsatzes der Waffe als Schlagwerkzeug von (sukzessiver) Mittäterschaft ausgegangen. Bei beiden Angeklagten hat sie in Fall 3 der Urteilsgründe die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB als erfüllt angesehen und das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht. Unter Zugrundelegung des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB hat sie dann im Rahmen der konkreten Strafzumessung jeweils strafschärfend berücksichtigt, dass „bei der Tat ein gefährliches Werkzeug verwendet und damit der Tatbestand des § 250 Abs. 2 StGB verwirklicht wurde“.

II. Revision des Angeklagten G.

Die Nachprüfung des Urteils auf die allgemeine Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Insbesondere hat das Landgericht in Fall 2 zu Recht das Vorliegen eines hinterlistigen Überfalls i.S.d. § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht.

2. Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Im Hinblick auf die Ausführungen in der Zuschrift des Generalbundesanwalts bedarf insoweit nur die Strafzumessung in Fall 3 der Urteilsgründe näherer Erörterung.

Das Landgericht hat in Fall 3 der Urteilsgründe ohne Rechtsfehler die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB angenommen und einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB bejaht. Soweit es im Rahmen der konkreten Strafzumessung strafschärfend gewertet hat, „dass bei der Tat für den Angeklagten ersichtlich ein gefährliches Werkzeug in Gestalt der Verwendung der Waffe als Schlagwerkzeug verwendet und damit der Tatbestand des § 250 Abs. 2 StGB verwirklicht wurde“, liegt darin kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Die Regelung des minder schweren Falles in § 250 Abs. 3 StGB differenziert nicht zwischen den Qualifikationstatbeständen der Absätze 1 und 2, deren jeweiliger Unrechtsgrad in einer deutlich abgestuften Mindeststrafandrohung zum Ausdruck kommt. Zwar darf im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB ein minder schwerer Fall nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ein gefährliches Werkzeug verwendet wurde (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2007 - 5 StR 96/07), innerhalb des Strafrahmens des § 250 Abs. 3 StGB kann dieser Umstand aber zu Lasten des Täters verwertet werden (vgl. Kinzig in Schönke/ Schröder, StGB, 30. Aufl., § 46 Rn. 49; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 StR 159/17, juris Rn. 166 für den Fall der strafschärfenden Berücksichtigung der Erfüllung des Regelbeispiels nach Ablehnung eines besonders schweren Falles).

III. Revision des Angeklagten M.

Die Revision des Angeklagten M. ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift vom 30. Oktober 2017 dargelegten Gründen ohne Erfolg.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.

a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Dies gilt auch für die tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Fall 3 der Urteilsgründe. Nach den Feststellungen erfolgte der von dem unbekannten Mittäter ausgeführte Schlag mit der Waffe, während der Angeklagte M. den Geschädigten gegen die Wand drückte und im Halsbereich festhielt. In unmittelbarem Anschluss dazu ging der Angeklagte M. dazu über, dem Geschädigten das mitgeführte Bargeld abzunehmen. Dieses Verhalten zeigt, dass der Schlag für den Angeklagten M. nicht überraschend kam, sondern im Moment der Ausführung von einer zuvor getroffenen Übereinkunft getragen war.

b) Auch der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Soweit das Landgericht beim Angeklagten M. in Fall 3 der Urteilsgründe in gleicher Weise wie beim Angeklagten G. die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs - hier in Gestalt der Waffe als Schlagwerkzeug - strafschärfend berücksichtigt hat, gilt das unter II.2 Ausgeführte.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 272

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 264

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner