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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 700

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 176/17, Beschluss v. 28.03.2018, HRRS 2018 Nr. 700


BGH 2 StR 176/17 - Beschluss vom 28. März 2018 (LG Schwerin)

Tateinheit (Abgrenzung zur Tatmehrheit bei einer Mehrzahl von Einzeltaten und Beteiligten).

§ 52 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Leistet ein Beteiligter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeldelikte anderer Beteiligter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die anderen Beteiligten die einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen ihrerseits gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten Ne. wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 13. Juli 2016 dahingehend geändert, dass der Angeklagte Ne. wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, eine Anordnung über den Verfall von Wertersatz und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.

1. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegten Gründen keinen Erfolg.

2. Die Verurteilung wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen begegnet die Annahme, der Angeklagte habe sich insoweit wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar gemacht, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt:

„Allerdings hat sich das Landgericht auf tragfähiger Beweisgrundlage die Überzeugung verschafft, dass es im Tatzeitraum zu zwei Anbauvorgängen in der Plantage gekommen ist (UA S. 66-68). Die in diesem Zusammenhang vorgetragenen Einwendungen der Revision (RB RA Düwel S. 15 f.) erschöpfen sich in dem Versuch, die allein dem Tatrichter obliegende Würdigung der Beweise durch eigene Wertungen zu ersetzen. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, dass die Schlussfolgerungen des Tatgerichts, nicht zwingend, sondern nur - wie hier - möglich sein müssen.

Hiervon ausgehend hat die Jugendkammer rechtsfehlerfrei angenommen, dass es sich bei den beiden Abbauvorgängen für sich genommen um jeweils rechtlich selbständige Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge handelt (Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2008 - 2 StR 352/08, juris; BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 - 3 StR 407/12, juris Rn. 14 [in BGHSt 58, 99 insoweit nicht abgedruckt]). Der Umstand, dass mit der Aufzucht der Pflanzen aus dem zweiten Anbauvorgang noch vor der Ernte der zuvor gezüchteten Pflanzen begonnen wurde (vgl. UA S. 19 f.), führt zu keiner anderen Bewertung. Denn daraus folgt nur eine Gleichzeitigkeit der Anbauvorgänge im Sinne einer zeitlichen Überschneidung, die für eine tateinheitliche Verbindung als solche nicht ausreicht (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2000 - 4 StR 284/00, BGHSt 46, 146, 153; zum gleichzeitigen Anbau von Pflanzen unterschiedlicher Reifegrade auch BGH, Urteil vom 19. Februar 2015 - 3 StR 546/14, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2).

Die Jugendkammer hat indes nicht erkennbar bedacht, dass bei einer Mehrzahl von Straftaten für jeden Beteiligten gesondert zu prüfen ist, ob diese in seiner Person tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen. Leistet ein Beteiligter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit nicht natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Erbringt er dagegen im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die mehrere Einzeldelikte anderer Beteiligter gleichzeitig gefördert werden, so sind ihm diese als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ob die anderen Beteiligten die einzelnen Delikte nach obigen Grundsätzen ihrerseits gegebenenfalls tatmehrheitlich begangen haben, ist demgegenüber ohne Bedeutung (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 13. Mai 2003 - 3 StR 128/03, NStZ-RR 2003, 265; BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 182 f.). Nach diesem Maßstab hat sich der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. Denn er hat zu den beiden Anbauvorgängen keine individuellen, jeweils nur einen Anbau fördernden Tatbeiträge erbracht. Die festgestellten Tatbeiträge des Angeklagten haben sich vielmehr auf beide Anbauvorgänge gleichermaßen fördernd ausgewirkt. Dies gilt auch für seine Mitwirkung an der Beseitigung eines in den Plantagenräumlichkeiten aufgetretenen Wasserschadens (vgl. UA S. 21). Zwar kam es hierzu noch vor Beginn des zweiten Anbauvorgangs; durch die mit der Schadensbeseitigung verbundene Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Plantage wurde dieser jedoch ebenfalls gefördert. Soweit sich aus den Urteilsgründen weitere Aufenthalte des Angeklagten in der Plantage nach ihrer Inbetriebnahme ergeben (vgl. UA S. 21), folgen hieraus ebenfalls keine allein auf einen Anbauvorgang bezogenen Tatbeiträge.“

Dem schließt sich der Senat an und ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich nicht anders als geschehen verteidigen können.

Die Korrektur des Schuldspruchs führt jeweils zum Wegfall der festgesetzten Einzelstrafen. Der Senat setzt jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die im Übrigen ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten gebildete Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe fest. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung lässt den Unrechtsund Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt deshalb aus, dass der Tatrichter bei Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 700

Externe Fundstellen: StV 2019, 343

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner