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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1168

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 101/17, Beschluss v. 12.09.2017, HRRS 2017 Nr. 1168


BGH 2 StR 101/17 - Beschluss vom 12. September 2017 (LG Limburg)

Strafzumessung (Berücksichtigung von Folgen mehrerer Taten).

§ 46 StGB; § 53 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Sind psychische Schäden Folge mehrerer Taten zusammen, so können sie dem Angeklagten nur bei der Gesamtstrafenbildung angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen und bei der Gesamtstrafenbildung in Ansatz gebracht werden (vgl. BGH NStZ 2014, 701).

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 23. November 2016 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Jugendschutzkammer - des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sechs Fällen, davon in zwei Fällen tateinheitlich mit schwerem sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.

Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Der Strafausspruch hält insgesamt sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Bei der Zumessung der sechs Einzelstrafen (Einzelfreiheitsstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und drei Jahren) hat das Landgericht jeweils die von ihm festgestellten Tatfolgen für die Nebenklägerin zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt. Es hat darüber hinaus bei der Bildung der Gesamtstrafe erneut die Folgen bedacht, unter denen die Nebenklägerin noch heute psychisch leidet.

Die bisherigen Feststellungen, namentlich die näheren Ausführungen zu den seelischen Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten der Nebenklägerin (UA S. 14 ff.), belegen jedoch nicht, dass sich diese Folgen bei dem Mädchen bereits infolge jeder einzelnen Tat eingestellt haben. Vielmehr zeigten sich die Auffälligkeiten erst nach dem Ende aller sexuellen Übergriffe durch den Angeklagten.

Vor diesem Hintergrund erweist sich jedenfalls die Berücksichtigung der gesamten Tatfolgen für die Nebenklägerin bei jeder Einzelstrafe als rechtsfehlerhaft. Sind die festgestellten psychischen Schäden Folgen aller Taten, so können sie dem Angeklagten bei der Gesamtstrafenbildung angelastet werden. Sind sie dagegen unmittelbare Folge allein einzelner Taten, so können sie mit ihrem vollen Gewicht nur in diesen Fällen, nicht aber in gleicher Weise auch bei der Bemessung sämtlicher anderer Einzelstrafen und bei der Gesamtstrafenbildung in Ansatz gebracht werden (Senat, Beschlüsse vom 22. Juli 2014 2 StR 84/14, NStZ-RR 2014, 340, 341; vom 9. Juli 2014 2 StR 574/13, NStZ 2014, 701 mwN).

3. Der zur Aufhebung des Strafausspruchs führende Wertungsfehler betrifft die getroffenen Feststellungen nicht; diese können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neue Tatrichter kann ergänzende Feststellungen treffen, die zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 1168

Externe Fundstellen: StV 2019, 451

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede