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HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 387

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 ARs 258/16, Beschluss v. 14.12.2016, HRRS 2017 Nr. 387


BGH 2 ARs 258/16 (2 AR 195/16) - Beschluss vom 14. Dezember 2016

Zurückweisung der Anträge auf Bestimmung des zuständigen Gerichts, auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Verteidigers.

§ 13a StPO; § 14 StPO; § 19 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der Senat lässt offen, ob und unter welchen Voraussetzungen neben den an dem Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten und Staatsanwaltschaften ein Betroffener mit der Behauptung, durch einen Zuständigkeitsstreit in seinen Rechten verletzt zu sein, sich unmittelbar an den Bundesgerichtshof wenden kann. Ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs ist jedenfalls nur dann veranlasst, wenn sich dem Vorbringen des Antragstellers Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass eine schützenswerte Rechtsposition des Antragstellers tangiert sein kann, dass nämlich tatsächlich ein Zuständigkeitsstreit zwischen verschiedenen Gerichten besteht, und der Bundesgerichtshof als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung berufen sein kann.

2. Der Senat lässt auch offen, ob im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung die Gewährung von Prozesskostenhilfe oder die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Pflichtverteidigers überhaupt möglich sind.

Entscheidungstenor

Die Anträge auf Bestimmung des zuständigen Gerichts, auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung eines Verteidigers werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 10. Juni 2016 beantragt, in diversen Verfahren „gem. §§ 13a, 14, 19 StPO den zuständigen Richter/Gericht zu bestimmen, nebst PKH u. Beiordnung eines RA oder Pflichtverteidiger“.

Der Antragsteller befindet sich, wie dem Senat unter anderem aus dem Verfahren 2 ARs 84/16 bekannt ist, seit dem 13. September 2011 in Strafhaft. Am 7. März 2013 wurde er in die Justizvollzugsanstalt U. in den offenen Vollzug verlegt. Nachdem er von einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt war, wurde er am 8. Dezember 2014 in P. festgenommen und zum Zwecke des Rücktransports in die Justizvollzugsanstalt B. eingeliefert, woraus sich mehrere Gerichtsstandsbestimmungsanregungen des Verurteilten ergaben (vgl. u.a. Senat, Beschluss vom 27. September 2016 - 2 ARs 84/16, juris).

Dem vorliegenden Verfahren liegen folgende Vorgänge zugrunde:

1. Verfahren 4 VAs 6/16: Der Antragsteller erhob am 30. Dezember 2014 beim Verwaltungsgericht Potsdam u.a. Klage gegen den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg und beantragte, diesen zu verpflichten, vom Antragsteller eingereichte Gnadengesuche und Petitionen sachlich zu prüfen und zu bescheiden. Mit Beschluss vom 29. Januar 2015 erklärte sich das Verwaltungsgericht Potsdam für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Stuttgart. Dieses trennte mit Beschluss vom 5. Januar 2016 das vorliegende Verfahren ab, erklärte in dieser Sache den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Oberlandesgericht Stuttgart. Das Oberlandesgericht Stuttgart behandelte die Klage des Antragstellers, soweit es darüber zu entscheiden hatte, als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG, verwarf ihn als unzulässig und ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu.

2. Verfahren 4 VAs 1/16, 4 VAs 2/16: Mit Beschluss vom 8. April 2016 wies das Oberlandesgericht Stuttgart eine Gehörsrüge und Gegenvorstellung des Antragstellers gegen einen Senatsbeschluss vom 4. März 2016 zurück. Mit diesem Beschluss hatte das Oberlandesgericht Stuttgart einen Antrag des Antragstellers, das Land Baden-Württemberg zu verpflichten, ein an die genannten Stellen gerichtetes Gnadengesuch und eine Gnadenbeschwerde sachlich zu prüfen und zu bescheiden, als unzulässig verworfen.

3. Verfahren 4 Ws 123/16 (V): Der Antragsteller erhob beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage gegen das Land Baden-Württemberg und gegen einen namentlich bezeichneten Rechtspfleger, mit der er unter anderem ein näher bezeichnetes Verhalten des Rechtspflegers im Zusammenhang mit der Protokollierung von Rechtsbeschwerden in Strafvollzugssachen begehrte. Das Verwaltungsgericht erklärte mit Beschluss vom 8. Oktober 2015 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Ulm. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers verwarf der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Beschluss vom 18. Dezember 2015. Mit Beschluss vom 18. April 2016 erklärte das Landgericht Ulm seinerseits den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht Sigmaringen. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers hob das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 24. Mai 2016 den Beschluss des Landgerichts Ulm „zur Klarstellung“ auf. Die weitergehende sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er eine Weiterverweisung des Rechtsstreits begehrte, verwarf es als unbegründet.

4. Verfahren 4 Ws 116/16 (V): Es handelt sich um den identischen Sachverhalt wie im Verfahren 4 Ws 123/16 (V) (oben Nr. 3), jedoch hat der Antragsteller hier beim Verwaltungsgericht Sigmaringen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

5. Verfahren 4 Ws 125/16 (V): Mit Schreiben an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin begehrte der Antragsteller die Verlegung aus dem Strafvollzug des Landes Baden-Württemberg in den Strafvollzug des Landes Berlin. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin erklärte sich mit Beschluss vom 23. Oktober 2015 für unzuständig und verwies das Verfahren an das Landgericht Karlsruhe. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers änderte das Kammergericht die Entscheidung mit Beschluss vom 19. Januar 2016 dahingehend ab, dass das Verfahren an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stuttgart verwiesen wurde. Die Justizvollzugsanstalt O., in der sich der Antragsteller inzwischen befindet, lehnte mit Verfügung vom 28. Februar 2016 eine Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt des Landes Berlin ab. Mit Beschluss vom 16. März 2016 erklärte sich die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stuttgart für unzuständig und verwies das Verfahren an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Offenburg. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers, mit der er die Bestimmung des zuständigen Gerichtes durch den Bundesgerichtshof begehrt, verwarf das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 30. Mai 2016 als unzulässig.

II.

1. Der Antrag betreffend Zuständigkeitsbestimmungen gemäß §§ 14, 19 StPO ist jedenfalls in der vorliegenden Form unstatthaft.

a) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen neben den an dem Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichten und Staatsanwaltschaften ein Betroffener mit der Behauptung, durch einen Zuständigkeitsstreit in seinen Rechten verletzt zu sein, sich unmittelbar an den Bundesgerichtshof wenden kann.

b) Ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs ist jedenfalls nur dann veranlasst, wenn sich dem Vorbringen des Antragstellers Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass eine schützenswerte Rechtsposition des Antragstellers tangiert sein kann, dass nämlich tatsächlich ein Zuständigkeitsstreit zwischen verschiedenen Gerichten besteht, und der Bundesgerichtshof als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung berufen sein kann (so bereits Senat, Beschluss vom 27. September 2016 - 2 ARs 84/16 Rn. 9, juris). Diesen Voraussetzungen genügt das Vorbringen des Antragstellers unter keinem Gesichtspunkt. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift vom 16. August 2016 ausgeführt:

„Die Verfahren 4 VAs 6/16 sowie 4 VAs 1/16 und 4 VAs 2/16 sind […] bereits abgeschlossen, so dass kein Bedarf nach Bestimmung eines zuständigen Gerichts besteht. In den Verfahren 4 Ws 123/16 (V) und 4 Ws 116/16 (V) ist die Sache dagegen, soweit erkennbar, noch beim Landgericht Ulm anhängig; auch insoweit besteht kein Bedürfnis nach Bestimmung eines zuständigen Gerichts, weil dieses bekannt ist.“

Dem schließt sich der Senat an.

2. Zu dem pauschal gestellten Antrag auf „Beiordnung eines Rechtsanwalts“ und Zubilligung von „PKH“ hat der Generalbundesanwalt ausgeführt:

„Es kann dahinstehen, ob im Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung die Gewährung von Prozesskostenhilfe oder die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Pflichtverteidigers überhaupt möglich sind. Das Vorbringen des Antragstellers gibt hierzu jedenfalls keine Veranlassung, weil seine Rechtsverfolgung vor dem Bundesgerichtshof keinerlei Erfolgsaussichten bietet.“

Dem schließt sich der Senat ebenfalls an.

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 387

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner