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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 957

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 227/16, Beschluss v. 11.08.2016, HRRS 2016 Nr. 957


BGH 2 StR 227/16 - Beschluss vom 11. August 2016 (LG Gera)

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (Annahme eines minderschweren Falls: Doppelverwertungsverbot).

§ 176a Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 StGB; § 46 Abs. 3 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 21. März 2016 im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ihre dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung prozessualen und materiellen Rechts gestützte Revision hat auf die Sachrüge zum Strafausspruch Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich ihr am 18. April 2002 geborener Sohn J., der ansonsten in einem Kinderheim lebt, im Rahmen einer Beurlaubung vom 18. bis 31. August 2014 bei der Angeklagten. An einem dieser Tage begab sich der Junge in das Schlafzimmer der Angeklagten, in dem sich auch deren Lebensgefährtin B. aufhielt. Im Bett kuschelte er zunächst mit der Angeklagten, bis er einen Dildo vorfand. Die Angeklagte erklärte ihm die Wirkungs- und Bedienungsweise des Dildo's. Hierzu entblößte sie zunächst ihren Unterleib und führte sich in Gegenwart des Kindes den Dildo ein. Dann gab sie dem Jungen den Dildo in die Hand und ließ sich diesen in ihr Geschlechtsteil einführen und sich befriedigen. B. saß hierbei am Bettrand.

II.

1. Die Verfahrensrüge bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.

2. Die durch die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgedeckt; jedoch hat der Strafausspruch keinen Bestand. Einen minder schweren Fall des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176a Abs. 4 StGB hat das Landgericht mit der Erwägung ausgeschlossen, die Angeklagte habe die ihr angelastete sexuelle Handlung nicht nur vor dem Geschädigten vorgenommen, sondern auch von dem Geschädigten an sich durchführen lassen. Damit stellt es jedoch die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB fest. Dass die Angeklagte diesen Tatbestand und nicht den des milderen § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB verwirklicht hat, konnte bei der Strafzumessung nicht zu ihren Lasten ins Gewicht fallen.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer ohne diesen Rechtsfehler zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt wäre und eine niedrigere Strafe verhängt hätte.

Da es sich insoweit nur um einen Wertungsfehler handelt, können die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Neue, nicht widersprechende Feststellungen sind möglich.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 957

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede