hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 171

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 9/15, Beschluss v. 07.11.2016, HRRS 2017 Nr. 171


BGH 2 StR 9/15 - Beschluss vom 7. November 2016 (OLG Frankfurt am Main)

Beschwerde gegen Anordnung des dinglichen Arrests (Zuständigkeit; keine Analogie mangels Regelungslücke).

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; § 111i StPO; § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Nach § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG sind die Oberlandesgerichte für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen strafgerichtliche Entscheidungen zuständig, soweit keine anderweitige Zuständigkeit begründet ist. Eine abweichende Regelung der Zuständigkeit über die Beschwerde ist gegen die Anordnung der Fortdauer der Arrestanordnung nach Urteilsverkündung in § 111i StPO nicht vorgesehen.

2. Für eine entsprechende Anwendung anderer Bestimmungen, wie § 305a Abs. 2, § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO oder § 6 Abs. 3 Satz 2 StrEG, bleibt kein Raum. Es fehlt an einer Regelungslücke im Gesetz, auch wenn das Beschwerdegericht an Feststellungen des erkennenden Gerichts im Urteil bis zu deren Aufhebung durch das Revisionsgericht gebunden ist, da diese nur im Revisionsverfahren auf Rechtsfehler überprüfbar sind. Die Differenzierung bei den Formen der Entscheidungen über die Aufrechterhaltung der Arrestanordnung durch Beschluss und den Ausspruch gemäß § 111i Abs. 2 StPO im Urteil des erkennenden Gerichts entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Gleiches gilt für die sich hieraus ergebenden Zuständigkeiten der Rechtsmittelgerichte. Zweckmäßigkeitserwägungen gestatten es nicht, von der sich aus dem Gesetz ergebenden Zuständigkeitsverteilung abzuweichen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

Entscheidungstenor

Das Verfahren über die Beschwerde des Angeklagten gegen die Anordnung und Aufrechterhaltung des dinglichen Arrests in sein Vermögen wird an das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückgegeben.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Darmstadt hat durch Beschluss vom 11. April 2011 einen dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten bis zu einem Betrag von 1.201.931,40 Euro angeordnet. Das Landgericht Darmstadt hat den Angeklagten durch Urteil vom 11. April 2014 wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in 16 Fällen u.a. verurteilt und eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen. Durch Beschluss vom gleichen Tage hat es gemäß § 111i Abs. 3 StPO die Anordnung des dinglichen Arrests und die in Vollziehung dieses Arrests getroffenen Sicherungsmaßnahmen für die Dauer von drei Jahren aufrechterhalten. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Darüber hat der Senat durch Urteil vom heutigen Tage entschieden. Er hat das Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Wiesbaden zurückverwiesen.

Gegen die Aufrechterhaltung der Arrestanordnung und der getroffenen Sicherungsmaßnahmen hat der Angeklagte Beschwerde unter dem 28. November 2014 eingelegt.

Das Landgericht hat der Beschwerde nach einem Vermerk des Vorsitzenden vom 2. Dezember 2014 nicht abgeholfen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat das Verfahren über die Beschwerde auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft durch Beschluss vom 16. September 2015 - 3 Ws 732/15 - an den Bundesgerichtshof abgegeben. Es hat ausgeführt, unabhängig von der Frage, ob der Beschluss des Landgerichts mit der Beschwerde anfechtbar sei, gehe die Zuständigkeit des Revisionsgerichts vor, weil die Anordnung gemäß § 111i Abs. 3 Satz 1 StPO eine zwingende Rechtsfolge sei, wenn Feststellungen im Sinne von § 111i Abs. 2 StPO getroffen werden.

II.

Der Senat ist zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zuständig.

Nach § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG sind die Oberlandesgerichte für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde gegen strafgerichtliche Entscheidungen zuständig, soweit keine anderweitige Zuständigkeit begründet ist. Eine abweichende Regelung der Zuständigkeit über die Beschwerde ist gegen die Anordnung der Fortdauer der Arrestanordnung nach Urteilsverkündung in § 111i StPO nicht vorgesehen.

Für eine entsprechende Anwendung anderer Bestimmungen, wie § 305a Abs. 2, § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO oder § 6 Abs. 3 Satz 2 StrEG, bleibt kein Raum. Es fehlt an einer Regelungslücke im Gesetz (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4. September 2014 - III-3 Ws 253/14), auch wenn das Beschwerdegericht an Feststellungen des erkennenden Gerichts im Urteil bis zu deren Aufhebung durch das Revisionsgericht gebunden ist, da diese nur im Revisionsverfahren auf Rechtsfehler überprüfbar sind. Die Differenzierung bei den Formen der Entscheidungen über die Aufrechterhaltung der Arrestanordnung durch Beschluss und den Ausspruch gemäß § 111i Abs. 2 StPO im Urteil des erkennenden Gerichts entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Februar 2010 - 2 StR 524/09, BGHSt 55, 62, 64). Gleiches gilt für die sich hieraus ergebenden Zuständigkeiten der Rechtsmittelgerichte. Zweckmäßigkeitserwägungen gestatten es nicht, von der sich aus dem Gesetz ergebenden Zuständigkeitsverteilung abzuweichen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).

HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 171

Externe Fundstellen: BGHSt 61, 296 ; NJW 2017, 745; NStZ 2017, 107; NStZ 2017, 425; NStZ-RR 2017, 120; StV 2017, 778

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner