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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1151

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 238/15, Beschluss v. 13.10.2015, HRRS 2015 Nr. 1151


BGH 2 StR 238/15 - Beschluss vom 13. Oktober 2015 (LG Kassel)

Doppelverwertungsverbot (Totschlag; keine strafschärfende Verwertung der tödlichen Gewalt).

§ 46 Abs. 3 StGB; § 212 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 19. Februar 2015 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Revision der Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Insbesondere hat das Schwurgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Rechtfertigung durch Notwehr gemäß § 32 StGB im Ergebnis zu Recht verneint. Die Angeklagte befand sich, als das spätere Tatopfer zum Schlag gegen ihren Kopf ausholte, zwar objektiv in einer Notwehrlage. Art und Maß ihrer Verteidigungshandlung waren aber unter den gegebenen Umständen zur Abwehr des drohenden Angriffs nicht erforderlich.

2. Dagegen kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben. Bei der konkreten Strafzumessung hat das Schwurgericht zu Lasten der Angeklagten die in der Tat zum Ausdruck kommende Gewaltbereitschaft berücksichtigt, die bei ihr ansonsten persönlichkeitsbedingt reduziert sei. Weitere straferschwerende Umstände führt das Urteil nicht an.

Diese Strafzumessungserwägung verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Ebenso wie der Tötungsvorsatz als solcher darf die Anwendung der zur Tötung erforderlichen Gewalt nicht straferschwerend gewertet werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 1988 - 5 StR 657/87, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 2; vom 28. September 1995 - 4 StR 561/95, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsvorsatz 6; vom 24. März 1998 - 4 StR 34/98, StV 1998, 657). Diese Grundsätze hat das Landgericht nicht beachtet. Indem sie mit einem Messer einmal auf das Tatopfer einstach, hat die Angeklagte lediglich die Gewalt angewendet, die erforderlich war, um den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen.

Dies bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler auf eine mildere Strafe erkannt hätte.

Darüber hinaus begründen die Urteilsgründe auch die Besorgnis, dass das Schwurgericht die zu Gunsten der Angeklagten objektiv gegebene Notwehrlage aus dem Blick verloren hat, da es strafmildernd lediglich berücksichtigt hat, dass der Tat verbale Beschimpfungen und Beleidigungen des Getöteten vorausgegangen waren (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2013 - 4 StR 213/13).

Einer Aufhebung der Feststellungen bedurfte es nicht, weil lediglich ein Wertungsfehler vorliegt. Weitere Feststellungen, die den bestehenden nicht widersprechen dürfen, sind möglich.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1151

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede