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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 405

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 270/14, Urteil v. 21.01.2015, HRRS 2015 Nr. 405


BGH 2 StR 270/14 - Urteil vom 21. Januar 2015 (LG Köln)

Erfolgreiche Aufklärungsrüge (tatrichterliche Aufklärungspflicht).

§ 244 Abs. 2 StPO

Entscheidungstenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 12. Februar 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte vom Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte freigesprochen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung (Anklagevorwurf zu 1.) und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (Anklagevorwurf zu 2.) aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Darüber hinaus hat es die Entschädigungspflicht der Staatskasse für die in dieser Sache erlittene vorläufige Unterbringung ausgesprochen sowie festgestellt, dass eine Entschädigung für die Zeit der Inhaftierung aufgrund eines Haftbefehls gemäß § 230 StPO nicht stattfindet. Die gegen den Teilfreispruch vom Anklagevorwurf zu 2. und gegen die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, wird vom Generalbundesanwalt bezüglich des Teilfreispruchs vertreten. Sie hat mit einer Aufklärungsrüge Erfolg.

I.

1. Die Anklage hat dem Angeklagten unter anderem zur Last gelegt, sich am 17. September 2012 gegen seine Festnahme durch die eingesetzten Polizeikräfte B., G., R., L., F. und H. gewehrt zu haben, indem er sich wiederholt aufgebäumt und mehrfach nach den Beamten getreten habe, ohne sie jedoch zu treffen (Anklagevorwurf zu 2.).

2. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen des Landgerichts kam es am Tattag zu einem Einsatz der genannten Polizeibeamten in der Wohnung der Zeugin K. Die Polizeibeamten H. und F. forderten den dort anwesenden Angeklagten auf, aus dem Schlafzimmer herauszukommen und seine Hände zu zeigen. Der Angeklagte, der eine Blutalkoholkonzentration von 3,16 Promille aufwies, trat daraufhin zwar in den Türrahmen. Der Aufforderung, seine Hände zu zeigen, kam er aber nicht nach, weshalb ihm der Zeuge H. nach entsprechender Androhung Pfefferspray in das Gesicht sprühte und ihn mit einem Schlag zu Boden brachte. Im weiteren Verlauf wurde der Angeklagte unter Mitwirkung weiterer Polizeibeamter mittels Handschellen fixiert.

Da sich das Landgericht nicht davon überzeugen konnte, dass sich der Angeklagte gegen seine Fixierung durch wiederholtes Aufbäumen gewehrt und nach den eingesetzten Polizeibeamten getreten habe, hat es den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

Zwar werde der Angeklagte durch die Bekundungen des Polizeibeamten H. im Sinne des Tatvorwurfs belastet. Aufgrund von Unstimmigkeiten in den Bekundungen des Beamten hat sich die Strafkammer unter Berücksichtigung der übrigen Beweisergebnisse aber nicht von der Zuverlässigkeit seiner Aussage überzeugen können.

II.

Die gegen den Teilfreispruch gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.

Die Revision macht zu Recht geltend, das Landgericht hätte sich in Erfüllung seiner Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO dazu gedrängt sehen müssen, die Polizeibeamten L., B., G., R. und F. zu vernehmen, die ausgesagt hätten, dass sie an der Festnahme des Angeklagten unmittelbar beteiligt gewesen wären, sich der Angeklagte auf dem Bauch liegend aufgebäumt und sich gegen die Festnahme mit Fußtritten in Richtung der Zeugen gewehrt habe, um seine Festnahme zu verhindern.

Das Landgericht hat sowohl die Anwesenheit der genannten Polizeibeamten am Tatort als auch die Beteiligung "weiterer" Polizeibeamter an der Fesselung ausdrücklich festgestellt. Die in der Hauptverhandlung verlesene Strafanzeige führte zudem die Polizeibeamten B., F. und G. als Geschädigte auf. Soweit sich das Landgericht von der Zuverlässigkeit der den Angeklagten belastenden Angaben des Polizeibeamten H. nicht zu überzeugen vermochte, hätte es sich daher gedrängt sehen müssen, neben dem Zeugen H. auch die anderen am Tatort eingesetzten Polizeibeamten zu vernehmen.

Auch unter Berücksichtigung der weiteren Beweisergebnisse und der im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung nicht hinreichend getroffenen Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass der Teilfreispruch auf der unterbliebenen Beweiserhebung beruht. So ist namentlich die Erforderlichkeit des "Blendschlags" in das Gesicht des vornüber Gebeugten durch den Reizgaseinsatz erkennbar abwehrunfähigen Angeklagten nicht ersichtlich. Andererseits schließt allein der Umstand, dass der Angeklagte nach Angaben des Zeugen H. infolge seines stark alkoholisierten Zustands nach seiner Fixierung nicht mehr in der Lage war, zu laufen bzw. einen Alkoholtest durchzuführen und er verletzungsbedingt über eine nur gering ausgeprägte Bauchmuskulatur verfügte, nicht von vornherein aus, dass er sich auf dem Bauch liegend aufbäumen und gegen die Festnahme mit Fußtritten wehren konnte.

III.

Einer Aufhebung der Nichtanordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, bedarf es nicht, da sich das Landgericht mit der Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 63 StGB mangels Feststellung einer rechtswidrigen Straftat folgerichtig noch gar nicht befasst hat. Für den Fall einer Verurteilung des Angeklagten wird dies, wenngleich in der Sache eher fernliegend, nachzuholen und über die Frage der Entschädigungspflicht für die erlittene vorläufige Unterbringung gegebenenfalls neu zu entscheiden sein.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 405

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel