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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 998

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 269/14, Beschluss v. 11.09.2014, HRRS 2014 Nr. 998


BGH 2 StR 269/14 - Beschluss vom 11. September 2014 (LG Darmstadt)

Beihilfe zum schweren Raub.

§ 249 Abs. 1 StGB; § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB; § 27 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 22. Januar 2014, auch soweit es die nicht revidierenden Angeklagten S. und L. betrifft,

a) im Schuldspruch im Fall II.1. der Urteilsgründe dahin abgeändert, dass die Angeklagten des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig sind,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen im Fall II.1. der Urteilsgründe und

c) im Ausspruch über die Gesamtstrafen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weiter gehende Revision des Angeklagten B. wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten B. und den Nichtrevidenten S. jeweils wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen verurteilt, den Nichtrevidenten L. wegen einer solchen Tat. Gegen den Angeklagten B. hat das Landgericht unter Einbeziehung der Strafen aus zwei früheren Urteilen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten, gegen den Nichtrevidenten S. unter Einbeziehung von Strafen aus zwei früheren Urteilen eine solche von elf Jahren und sechs Monaten und gegen den Nichtrevidenten L. unter Einbeziehung der Strafe aus einem früheren Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verhängt. Den Angeklagten A. hat es wegen Beihilfe zum schweren Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

Das Landgericht hat hinsichtlich aller Angeklagten eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt. Zugunsten des Angeklagten A. hat es deshalb angeordnet, dass ein Monat der verhängten Freiheitsstrafe als vollsteckt gilt.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten B. und A. mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel des Angeklagten B. führt zu einer Änderung des Schuldspruchs zu Fall II.1. der Urteilsgründe dahin, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung entfällt, ferner zur Aufhebung der dafür verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Insoweit ist die Urteilsaufhebung auf die Nichtrevidenten zu erstrecken. Die Revision des Angeklagten A. führt zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. In der Nacht vom 12. zum 13. September 2010 überfielen die maskierten und mit Reizstoffsprühgeräten sowie mit einer Spielzeugpistole ausgerüsteten Angeklagten B., S. und L. die Angestellten des Bowling-Center in Be. Der Angeklagte S. bedrohte die Zeuginnen Sch. und O. mit der Pistole, die Angeklagten B. und L. jeweils mit Reizstoffsprühgeräten, die sie im Anschlag hielten. Die Angeklagten fesselten die Zeuginnen so mit Kabelbindern, dass sie schmerzhafte Einschnürungen an den Handgelenken erlitten. Der Angeklagte B. zog die Zeugin Sch. an den Haaren und schüttelte sie, bis sie dazu bereit war, die Kasse zu öffnen. Aus der Kasse nahmen die Täter 155 Euro Wechselgeld weg, ferner entnahmen sie den Portemonnaies der Zeuginnen deren Bargeld von 150 Euro. Dann entfernten sie sich vom Tatort. Nachdem sie festgestellt hatten, dass sie ein Reizstoffsprühgerät am Tatort vergessen hatten, drang der Angeklagte B. durch ein Fenster nochmals in das Gebäude ein, um das Gerät zu holen. Die Zeuginnen hatten sich unter der Ladeneinrichtung versteckt, wurden vom Angeklagten B. nicht mehr entdeckt und dieser nahm an, dass sie in der Zwischenzeit geflohen seien.

2. Am 13. Dezember 2010 überfielen die Angeklagten B. und S. ein Bekleidungsgeschäft in M. Der Angeklagte B. führte dabei eine funktionsfähige Softairpistole als Drohmittel mit. Die maskierten Täter überwältigten und fesselten die Zeuginnen K. und Ba. an Händen und Füßen. Mit Hilfe eines Schlüssels der Zeugin K. öffnete der Angeklagte B. einen Tresor, in dem sich der Schlüssel zu einem zweiten Tresor befand. Daraus nahmen die Täter rund 32.000 Euro weg.

Hinweise auf die Öffnungszeiten des Geschäfts, das Personal, die Tresorschlüssel und eine Alarmvorrichtung hatte der Angeklagte A. als Angestellter des Modegeschäfts in früheren Gesprächen mit dem Angeklagten B. erteilt. Der Angeklagte B. hatte A. "berichtet, dass er eine Pistole habe, die er einsetzen wollte, um jede Gegenwehr zu unterbinden und somit an die Tresorbestände zu gelangen". Auch wenn der Angeklagte A. "nicht von einer echten und damit 'scharfen' Waffe ausging, war er sich darüber im Klaren, dass seine Kolleginnen hiermit in Todesangst versetzt werden sollten".

3. Das Landgericht hat die Angeklagten B., S. und L. im Fall II.1. der Urteilsgründe wegen Verwendens der Reizstoffsprühgeräte als Drohmittel, die Angeklagten B. und S. auch im Fall II.2. wegen Verwendens einer funktionsfähigen Gasdruckpistole des besonders schweren Raubes gemäß §§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen. Dem Angeklagten A. als Gehilfen hat es nach dessen Vorstellung im Fall II.2. die Verwendung einer Pistole als Scheinwaffe zugerechnet und ihn deshalb wegen Beihilfe zum schweren Raub im Sinne der §§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1b, 27 StGB verurteilt.

II.

Die Revision des Angeklagten B. ist begründet, soweit im Fall II.1. tateinheitlich eine Freiheitsberaubung angenommen wurde. Wird das Opfer eines Raubüberfalls nur an den Händen gefesselt, liegt darin noch keine Freiheitsberaubung, weil diese Fesselung nicht die Fortbewegungsfreiheit aufhebt.

Soweit das Opfer während des Raubüberfalls daran gehindert wird, diesen Ort zu verlassen, tritt der Tatbestand der Freiheitsberaubung im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter den Tatbestand des Raubes zurück, da die Freiheitsberaubung insoweit nur das Mittel zur Begehung des Raubes ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2007 - 4 StR 470/07).

Nach den Feststellungen lag im Fall II.1. keine Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit vor, weil die Zeuginnen sich unter der Ladeneinrichtung verstecken konnten, so dass der Angeklagte B. auch glaubte, sie seien geflohen. Anders als im Fall II.2. ist eine Fesselung an den Füßen nicht festgestellt.

Der Senat ändert den Schuldspruch dahin, dass die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung entfällt. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen.

Die Änderung des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II.1., weil das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung einer Freiheitsberaubung als Strafschärfungsgrund hervorgehoben hat. Der Wegfall der Einzelstrafe führt zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

Eine Aufhebung von Feststellungen ist nicht erforderlich.

Die Kompensationsentscheidung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten B. auf.

III.

Der genannte Rechtsfehler im Fall II.1. der Urteilsgründe betrifft in gleicher Weise die Angeklagten S. und L., die keine Revision eingelegt haben. Daher ist die Erstreckung der Urteilsaufhebung auf sie gemäß § 357 StPO geboten.

IV.

Die Verurteilung des Angeklagten A. wegen Beihilfe zum schweren Raub hat keinen Bestand, weil die Feststellung, der Angeklagte A. sei über den Einsatz einer Pistole unterrichtet worden und habe daher den Gehilfenvorsatz zur Begehung eines schweren Raubes durch die Angeklagten B. und S. unter Verwendung einer Scheinwaffe gehabt, nicht rechtsfehlerfrei belegt wurde.

Der Einlassung des Angeklagten B. war nicht zu entnehmen, dass er dem Angeklagten A. gesagt hatte, er werde eine Pistole mitführen und als Drohmittel verwenden. Auch der Angeklagte A. hat eine solche Äußerung nicht eingeräumt. Das Landgericht hat gleichwohl angenommen, dass er über die wesentlichen Umstände des geplanten Tatablaufs im Bilde gewesen sei. Dies habe die Tatsache eingeschlossen, dass zumindest ein Gegenstand, der einer echten Schusswaffe ähnlich sehen sollte, als Drohmittel vorgesehen war. Es sei nach Bemerkungen des Angeklagten A. in seiner Einlassung darum gegangen, den Angestellten des Modegeschäfts Angst zu machen. Schon dies deute darauf hin, dass die Verwendung einer Scheinwaffe vorgesehen war, "da es sich hierbei um ein äußerst naheliegendes Mittel handelt, die Überfallopfer in Angst - nämlich um das eigene Leben - zu versetzen". Zudem dränge sich angesichts der sonstigen Informationen der Schluss auf, dass der Angeklagte B. von sich aus oder auf Nachfrage des Angeklagten A. von dem geplanten Einsatz einer Pistole gesprochen habe. Zu seinen Gunsten sei allerdings davon auszugehen, dass dabei keine Angabe zur Funktionsfähigkeit der Softairpistole gemacht wurde.

Diese Überlegung ist widersprüchlich. Die Feststellung, der Angeklagte B. habe den Pistoleneinsatz ausdrücklich erwähnt, wird von dem Hauptargument der Strafkammer in ihren Beweisgründen, angesichts des Tatplans den Angestellten "Angst" zu machen, habe der Angeklagte A. darauf geschlossen, es solle eine Pistole als Drohmittel eingesetzt werden, widerlegt. Eine solche Schlussfolgerung des Angeklagten A. wäre entbehrlich gewesen, wenn der Angeklagte B. den Einsatz der Pistole ausdrücklich angekündigt hätte.

Die anschließende Hilfsüberlegung der Strafkammer, angesichts der sonst besprochenen Tatumstände sei es nahe liegend gewesen auch zu besprechen, womit die Haupttäter den Raubopfern "Angst machen" wollten, rechtfertigt nicht die Feststellung der Hilfstatsache für den Gehilfenvorsatz zum schweren Raub, dass der Angeklagte B. das Mitführen der Pistole ausdrücklich erwähnt habe. Dies gilt besonders deshalb, weil die Strafkammer zugleich Zweifel an der Bezeichnung der Qualität der Pistole nicht überwinden konnte.

Ist demnach der Qualifikationstatbestand nicht ausreichend belegt, muss der Schuldspruch im Ganzen aufgehoben werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 998

Externe Fundstellen: StV 2015, 113

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel