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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 466

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, StB 2/13, Beschluss v. 19.03.2013, HRRS 2013 Nr. 466


BGH StB 2/13 - Beschluss vom 19. März 2013 (OLG Düsseldorf)

Verhältnismäßigkeit der Fortdauer einer knapp sechsjährigen Untersuchungshaft (Beschleunigungsgebot in Haftsachen; Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes; Berücksichtigung von Verzögerungen durch starken Auslandsbezug; Anforderungen an die Verhandlungsplanung; Vermeidbarkeit von Verfahrensverzögerungen).

§ 112 StPO; § 120 Abs. 1 Satz 1 StPO; Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 104 GG

Entscheidungstenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Januar 2013 - III-6 StS 3/12 - wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Der Angeklagte ist am 8. April 2007 festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag ununterbrochen, mithin seit knapp sechs Jahren in Untersuchungshaft. Nachdem der Senat durch seine Beschlüsse vom 30. Oktober 2007, 14. Februar 2008 und 17. Juni 2008 jeweils die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hatte, hat der Generalbundesanwalt unter dem 24. Juni 2008 Anklage wegen mehrfachen vollendeten und versuchten Mordes, unter anderem in Tateinheit mit Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, und wegen anderer Straftaten zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Dieses hat nach Zulassung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens durch Beschluss vom 21. November 2008 ab dem 15. Januar 2009 die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten durchgeführt und ihn durch Urteil vom 27. September 2011 wegen Mordes an zwei Menschen zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat durch Urteil vom 29. November 2012 das erstinstanzliche Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

Durch Beschluss vom 17. Januar 2013 hat das Oberlandesgericht auf den Haftprüfungsantrag des Angeklagten vom 5. Dezember 2012 entschieden, dass der Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 27. Mai 2008 im Hinblick auf den Tatvorwurf des Mordes an zwei Menschen aufrecht erhalten bleibt und weiter vollzogen wird.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er im Wesentlichen vor, dass die angefallenen Ermittlungsergebnisse schon einen dringenden Tatverdacht gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht begründen; insbesondere habe das Oberlandesgericht die Bedeutung der Revisionsentscheidung des Senats hinsichtlich der Angaben des Belastungszeugen G. unzutreffend bewertet. Außerdem sei das Verfahren bisher nicht mit der gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Insoweit sei auch die Zeit von sechs Monaten, die der jetzt zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichts für die Vorbereitung der neuen Hauptverhandlung beanspruchen wolle, mit den Grundsätzen des § 121 StPO nicht vereinbar. Die Haftfortdauerentscheidung verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insoweit fehle es in der angefochtenen Entscheidung an einer Auseinandersetzung mit der voraussichtlichen Dauer der neuen Hauptverhandlung und der sich daraus ergebenden Gesamtdauer des Verfahrens.

Das Oberlandesgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.

Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Angeklagte ist (weiterhin) dringend verdächtig, als führendes Mitglied der terroristischen Vereinigung "Devrimci Sol" ("Revolutionäre Linke", Vorgängerorganisation der "DHKPC") von der Bundesrepublik Deutschland aus in einem Telefonat mit dem Zeugen Gü. den durch ein bewaffnetes Kommando dieser Organisation am 1. April 1993 gegen 10:00 Uhr verübten Mordanschlag in Kiziltoprak/Istanbul angeordnet zu haben, bei dem zwei Polizeibeamte getötet wurden. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den zu diesem Tatvorwurf in der Anklage des Generalbundesanwaltes benannten Beweismitteln; zu dem konkreten Anschlagsbefehl durch den Angeklagten von Deutschland aus beruht er insbesondere auf den Angaben des Zeugen G., die dieser bei seinen kommissarischen Vernehmungen während der Hauptverhandlung am 17. Februar 2010 und am 23. September 2010 gemacht hat, sowie auf den Angaben des Zeugen Gü. in dessen polizeilichen Vernehmung vom 2. Mai 1993.

Der Zeuge G. hat in seiner Vernehmung vom 17. Februar 2010 bekundet, der Zeuge Gü. habe ihm berichtet, dass der Angeklagte diesem telefonisch die Anweisung zur Durchführung des am 1. April 1993 in Kiziltoprak auf Polizeikräfte verübten Anschlags erteilt habe. Der Angeklagte habe sich damals in Deutschland aufgehalten. In seiner zweiten kommissarischen Vernehmung hat der Zeuge G. diese Angaben ausdrücklich bestätigt und die Umstände der Mitteilung durch den Zeugen Gü. weiter erläutert. Der Heranziehung der Angaben des Zeugen G. steht nicht entgegen, dass der Senat das erstinstanzliche Urteil mit den Feststellungen aufgehoben hat. Zwar war es sachlich-rechtlich fehlerhaft, dass das Oberlandesgericht die Angaben des Zeugen G., die er bei seinen beiden kommissarischen Vernehmungen zu der Mitteilung des Zeugen Gü. über die Erteilung des Anschlagsbefehls durch den Angeklagten gemacht hatte, insgesamt als konstant gewürdigt hat, obwohl der Zeuge zum Zeitpunkt und zu einigen Begleitumständen dieser Mitteilung widersprüchlich ausgesagt hatte. Auch hat der Senat auf der Grundlage der schriftlichen Urteilsgründe nicht auszuschließen vermocht, dass das Oberlandesgericht bei Berücksichtigung des Umstandes, dass die Angaben des Zeugen in diesen Teilen nicht konstant waren, die Beweislage anders bewertet hätte. Dies führt indes nicht dazu, dass der im Rahmen dieser Beschwerdeentscheidung auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel zu beurteilende Beweiswert der Aussagen dieses Zeugen derart vermindert wäre, dass der dringende Tatverdacht gegen den Angeklagten entfiele; denn der in der Revisionsentscheidung des Senats aufgezeigte Widerspruch betrifft nicht den eigentlichen Kern der Angaben des Zeugen G. Vielmehr hat dieser die Tatsache, dass der Zeuge Gü. ihm mitgeteilt hat, der Angeklagte habe diesem den Befehl zur Durchführung dieses Anschlags erteilt, im Wesentlichen konstant bekundet. Bei der Bewertung dieser Aussagen hat der Senat - wie schon in der Revisionsentscheidung - berücksichtigt, dass der Zeuge G. zur Tatbeteiligung des Angeklagten "Zeuge vom Hörensagen" ist und die den Tatvorwurf stützende Beweislage auch im Übrigen von bedeutsamen Besonderheiten gekennzeichnet ist. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist unter den gegebenen Umständen nicht ohne Weiteres davon auszugehen, dass der Zeuge G. im Rahmen der neuen Hauptverhandlung keine Angaben mehr machen wird oder seine bisherigen Angaben nicht auf andere Weise in diese ein geführt werden könnten. Letztlich muss dies der neuen Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.

Hinzu kommt, dass der Zeuge Gü. in seiner Vernehmung durch türkische Ermittlungsbehörden am 2. Mai 1993 angegeben hat, dass ihm der Angeklagte von Deutschland aus den Aktionsbefehl für den am 1. April 1993 in Kiziltoprak verübten Anschlag auf eine Polizeieinheit erteilt habe, bei dem zwei Polizeibeamte und drei "Militante" getötet, sowie sechs weitere Polizeibeamte verwundet und ein "Militanter" festgenommen worden seien. Die Verwertung dieser Angaben, die bereits Grundlage des gegen den Angeklagten bestehenden dringenden Tatverdachts seiner Anschlagsbeteiligung im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes vom 27. Mai 2008 (6 BGs 52/2008), der Haftprüfungsentscheidungen des Senats vom 17. Juni 2008 (AK 9/08) und vom 2. Oktober 2008 (AK 15/08) sowie Gegenstand der Anklage des Generalbundesanwaltes vom 24. Juni 2008 waren, wird nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht dadurch gehindert, dass der Zeuge - mehrfach, zuletzt auch gegenüber dem Oberlandesgericht - behauptet hat, er sei durch die Anwendung von Gewalt und Folter von Beamten der türkischen Polizei zu dieser Aussage bzw. zum Unterschreiben der Vernehmungsprotokolle gezwungen worden (§ 136a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StPO); denn angesichts der insoweit nur vagen und pauschalen Angaben des Zeugen zu angeblich angewandten unzulässigen Vernehmungsmethoden, dem Fehlen von Angaben zu einem konkreten Foltergeschehen und auch angesichts der vorliegenden Ergebnisse der zu dem Foltervorwurf des Zeugen angestellten Ermittlungen in der Türkei, durch die die von dem Zeugen erhobenen Vorwürfe nicht bestätigt worden sind, ist diese Behauptung des Zeugen derzeit zumindest nicht erwiesen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2008 - StB 4 und 5/08, NStZ 2008, 643; zu Art. 15 UN-Antifolterkonvention und Art. 3 MRK vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2010 - 3 StR 573/09, BGHSt 55, 314, 319).

2. Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten neben dem Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO auch die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3 StPO weiterhin vorliegen. Dem gegebenen erheblichen Fluchtanreiz stehen weiterhin keinerlei belastbare private Bindungen und soziale Beziehungen des Angeklagten in Deutschland gegenüber. Dieser Wertung steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nach einer Haftentlassung bei seinem Bruder wohnen könnte. Die gegebenen Umstände schließen auch eine Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 Abs. 1 StPO aus.

3. Die Untersuchungshaft hat mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des Angeklagten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Strafverfolgung bei Berücksichtigung und Abwägung der gegebenen Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens - auch angesichts der bereits knapp sechs Jahre währenden Untersuchungshaft und der zu erwartenden Gesamtdauer des Verfahrens - fortzudauern. Die Haftfortdauer steht angesichts der Besonderheiten des Verfahrens auch nicht außer Verhältnis zu der erwarteten Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO). Insoweit gilt:

a) Bei Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft ist das in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit in besonderer Weise zu beachten. Der Entzug der Freiheit eines der Straftat lediglich Verdächtigen ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist, nur ausnahmsweise zulässig. Dabei muss den vom Standpunkt der Strafverfolgung aus erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen der Freiheitsanspruch des noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist nicht nur für die Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft von Bedeutung. Er verlangt, dass die Dauer der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur erwarteten Strafe steht, und setzt ihr auch unabhängig vom Tatvorwurf und von der Straferwartung Grenzen. Das Gewicht des Freiheitsanspruchs vergrößert sich gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung regelmäßig mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft. Daraus folgt zum einen, dass die Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Zum anderen nehmen auch die Anforderungen an den die Haftfortdauer rechtfertigenden Grund zu.

Das verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlangt, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen. An den zügigen Fortgang des Verfahrens sind dabei umso strengere Anforderungen zu stellen, je länger die Untersuchungshaft schon andauert. Zur Durchführung eines geordneten Strafverfahrens und einer Sicherstellung der späteren Strafvollstreckung kann die Untersuchungshaft deshalb nicht mehr als notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare Verfahrensverzögerungen verursacht ist. Bei absehbar umfangreicheren Verfahren ist daher stets eine vorausschauende, auch größere Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig. Von dem Beschuldigten nicht zu vertretende, sachlich nicht gerechtfertigte und vermeidbare erhebliche Verfahrensverzögerungen stehen regelmäßig einer weiteren Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft entgegen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist. Auch das Verfahren der Haftprüfung und Haftbeschwerde muss deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen Rechnung zu tragen. Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich bei der zu treffenden Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft mit deren Voraussetzungen eingehend auseinanderzusetzen und diese entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft aktuelle Ausführungen zu dem weiteren Vorliegen ihrer Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Beschuldigten und dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten, weil sich die dafür maßgeblichen Umstände angesichts des Zeitablaufs in ihrem Gewicht verschieben können. Bei der Abwägung zwischen dem Freiheitsanspruch und dem Strafverfolgungsinteresse kommt es in erster Linie auf die durch objektive Kriterien bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer an, die etwa von der Komplexität der Rechtssache, der Vielzahl der beteiligten Personen oder dem Verhalten der Verteidigung abhängig sein kann. Dies macht eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung des Verfahrensablaufs erforderlich.

Zu würdigen sind auch die voraussichtliche Gesamtdauer des Verfahrens und die für den Fall einer Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung. Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 - 2 BvR 2098/12 mwN, juris Rn. 39 ff.).

b) Daran gemessen ist der Haftbefehl gegen den Angeklagten aufrechtzuerhalten und die Untersuchungshaft weiter zu vollziehen. Zwar begegnet die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der gebotenen Begründungstiefe rechtlichen Bedenken. Darauf kommt es im Ergebnis allerdings nicht an. Die im Beschwerdeverfahren veranlasste eigenständige Prüfung durch den Senat ergibt nämlich, dass die Voraussetzungen der Haftfortdauer weiterhin gegeben sind. Dem steht - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - der bisherige Verlauf des Verfahrens nicht entgegen.

aa) Wie der Senat schon während des Ermittlungsverfahrens in mehreren Haftprüfungsverfahren entschieden hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 2007 - AK 21/07, vom 14. Februar 2008 - AK 2/08, vom 17. Juni 2008 - AK 9/08 und vom 2. Oktober 2008 - AK 15/08), hat der Generalbundesanwalt nach der (zufälligen) Festnahme des Angeklagten die umfangreichen und durch einen starken Auslandsbezug geprägten Ermittlungen mit der in Haftsachen geboten Beschleunigung durchgeführt und nach rund 14 Monaten unter dem 24. Juni 2008 die Anklage erhoben, durch die er dem Angeklagten auf der Grundlage zahlreicher Beweismittel umfangreiche Tatvorwürfe gemacht hat.

bb) Auch die Durchführung des Zwischenverfahrens und der Verlauf der (ersten) Hauptverhandlung lassen erhebliche vermeidbare Verzögerungen nicht erkennen. Das Oberlandesgericht hat - nach einer auf Antrag der Verteidiger gewährten Verlängerung der gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO bestimmten Frist - am 15. Dezember 2008 zunächst in der Zeit vom 15. Januar 2009 bis zum 26. Juni 2009 insgesamt 54 Sitzungstage anberaumt; damit war eine Verhandlungsfrequenz von durchschnittlich 2,25 Verhandlungstagen pro Woche vorgesehen. Tatsächlich konnte in diesem Zeitraum lediglich an 19 Tagen verhandelt werden (0,79 Verhandlungstage pro Woche). Im Einzelnen:

Der Angeklagte hat sich bis zum 4. Verhandlungstag (4. Februar 2009) zu den Anklagevorwürfen geäußert, indem er eine schriftlich vorbereitete Erklärung verlesen hat bzw. verlesen ließ. Danach erklärte er über seine Verteidiger, sich zu aufgezeigten möglichen Fragestellungen des Gerichts gegenwärtig nicht äußern zu wollen.

Das Oberlandesgericht hat sodann zunächst im Inland erreichbare Zeugen vernommen, deren Vernehmung zum Teil nicht abgeschlossen werden konnte. Der gemeinsam mit dem Angeklagten in der Wohnung der Zeugin K. festgenommene Zeuge D. sowie die Zeugen A., De., S. und Y., gegen die wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129b StGB) u.a. seit dem 8. März 2008 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt wurde, haben sodann über ihre Verteidiger angekündigt, nach § 55 StPO von ihrem jeweiligen Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Der Zeuge Se. hat am 14. Hauptverhandlungstag (6. Mai 2009) nach § 55 StPO keine Angaben zur Sache gemacht. Die Tatsache, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwaltes anhängig war, ist dem Oberlandesgericht vor der Vernehmung des Zeugen nicht bekannt gewesen. Am 28. April 2009 wurde der Zeuge Gü. in Erledigung des (ersten) Rechtshilfeersuchens vom 2. Januar 2009 vor dem 11. Gericht für schwere Straftaten in Istanbul in Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten kommissarisch vernommen.

In der Hauptverhandlung gewonnene Erkenntnisse boten Anlass, unter dem 14. April 2009 ein weiteres Ersuchen an die türkischen Behörden zu richten betreffend die Übersendung von zwei Vernehmungsprotokollen über eine staatsanwaltliche Vernehmung und über eine Vorführung des Zeugen Gü. beim Staatssicherheitsgericht Istanbul; ferner war Ziel des Ersuchens Auskunft darüber zu erhalten, welchen Ausgang das Verfahren auf die Anzeige des Zeugen "wegen Misshandlung zum Erzwingen eines Geständnisses" genommen hat.

Das Ersuchen um Vernehmung des Zeugen Ka. vom 20. Februar 2009 wurde am 2. April 2009 - das Nachtragsersuchen vom 6. März 2009 am 15. April 2009 - dem türkischen Justizministerium übermittelt. Dem Oberlandesgericht ist unter dem 24. April 2009 mitgeteilt worden, dass der Zeuge nach den Nachforschungen der türkischen Behörden zurzeit in der "Türkischen Republik Nordzypern" seinen Wehrdienst ableistet. Das Oberlandesgericht hat daraufhin um eine Vernehmung des Zeugen Ka. noch während seiner Militärzeit gebeten. Das türkische Justizministerium teilte unter dem 13. November 2009 mit, dass das Ersuchen auf Vernehmung des Zeugen Ka. erst nach seinem Wehrdienst erledigt werden könne.

Gegenstand des Ersuchens vom 2. April 2009 um Ermittlung und Befragung von Polizeibeamten waren aufklärungsbedürftige Umstände, deren Beweiserheblichkeit sich aus der Aussage des Zeugen Ad. am 10. und 11. Verhandlungstag (1. und 12. März 2009) ergeben hatte. Die Verteidigung hat im Hinblick auf § 136a StPO einer Befragung des Zeugen Ad. seitens der Bundesanwaltschaft widersprochen, soweit in diesem Rahmen Angaben des Zeugen aus dem "Beschuldigtenaussageprotokoll" bei der türkischen Polizei vom 11. Februar 1995 vorgehalten werden sollen. Die mögliche Feststellung und rechtliche Bewertung der angewandten Vernehmungsmethoden während des Verhörs des Zeugen waren von ausschlaggebender Bedeutung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit einer weiteren Beweiserhebung und Verwertung der insoweit gewonnenen Erkenntnisse. Das Ersuchen um Ermittlung und Befragung von Polizeibeamten ist unter dem 9. April 2009 an das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen übersandt worden. Die Vernehmung des Zeugen Ad. vor dem Senat konnte aus diesem Grund nicht abgeschlossen werden.

Schon geraume Zeit nach Beginn der Hauptverhandlung waren die Rechtshilfeersuchen vom 20. Februar, 2. und 14. April 2009 noch nicht vollständig erledigt. Weitere Rechtshilfeersuchen an die türkischen Behörden zur Aufklärung angewandter Vernehmungsmethoden bei der polizeilichen Vernehmung des Zeugen Gü. am 2. Mai 1993 sowie um Vernehmung der Zeugen G. und B. mussten während des Laufes der Hauptverhandlung vorbereitet und gestellt werden.

Die am 13. Hauptverhandlungstag (22. April 2009) begonnene Vernehmung des Zeugen E. wurde am 17., 18., 20. und 21. Hauptverhandlungstag (17. Juni, 24. Juni, 2. Juli und 3. August 2009) fortgesetzt; deren Dauer war durch kontroverse Auffassungen der Verfahrensbeteiligten und des Oberlandesgerichts über den Umfang des dem Zeugen zustehenden Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StPO bestimmt. Nach Aufhebung des Beschlusses über die Anordnung der Beugehaft vom 2. Juli 2009 durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 4. August 2009 (StB 37/09) war eine weitere Sachaufklärung durch Fortsetzung der Vernehmung dieses Zeugen nicht zu erwarten.

Zur Feststellung zahlreicher, mutmaßlich der "DHKPC" zuzurechnenden Brand-, Sprengstoff- und Schusswaffenanschläge, die vor und nach dem 30. August 2002 in der Türkei begangen worden waren, sowie zur Feststellung der Aktivitäten der "DHKPC" im Bereich der Urkundendelikte und illegaler Grenzübertritte (Kuriertätigkeit, Waffentransporte) hat das Oberlandesgericht zahlreiche Zeugen vernommen, die ihre Erkenntnisse aus der Auswertung der im Rahmen der Rechtshilfe durch türkische und niederländische Behörden überlassenen Unterlagen ausführlich dargelegt, die Aufklärung der Aktivitäten der "DHKPC" in der sog. Rückfront erläutert sowie über den Inhalt der in den Niederlanden aufgefundenen Dokumente zur Schulungspolitik dieser Vereinigung in Europa ausgesagt haben (19., 22. bis 26., 28., 33., 35. und 36. Hauptverhandlungstag [25. Juni bis 17. Dezember 2009]). Die Dauer und Anzahl der erforderlichen Hauptverhandlungstage zu deren Vernehmung war angesichts der Komplexität der Ermittlungen mit Auslandsbezug in weiten Bereichen nicht vorhersehbar.

Am 32. und 33. Hauptverhandlungstag (12. und 26. November 2009) sind umfangreiche VeröffentIichungen aus Zeitungen ("Kurtulus") sowie sog. Tatbekennungen ("Erklärung" oder "lnterneterklärung") betreffend die der "DHKPC" zuzurechnenden Brand-, Sprengstoff- und Schusswaffenanschläge verlesen worden. Die Verfahrensbeteiligten haben am 40. Hauptverhandlungstag (24. Februar 2010) eine umfangreiche Zusammenstellung von Urkunden erhalten, die im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.

Aufgrund des Anfang Mai 2009 eingegangenen Behördengutachtens des Bundesnachrichtendienstes vom 30. April 2009 waren aus dem nachrichtendienstlichen Aufkommen neue, den Angeklagten belastende Erkenntnisse betreffend den Tatvorwurf der Rädelsführerschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung ("DHKPC") zu erwarten. Angesichts der - während der laufenden Hauptverhandlung - erforderlichen zeitaufwändigen Auswertung dieser Beweismittel sowie aufgrund der bei der Erledigung von Rechtshilfeersuchen des Senats an türkische Behörden nicht absehbaren zeitlichen Verzögerungen ist die Anzahl der wöchentlichen Verhandlungstermine ab Mitte August 2009 reduziert worden. Weitergehend sind Verhandlungstermine wegen angekündigter terminlicher Verhinderung der Verteidigung aufgehoben bzw. bei der Terminabstimmung mit Zeugenbeiständen auf diese angezeigte Verhinderung Rücksicht genommen worden.

Eine ab dem 27. Hauptverhandlungstag (9. September 2009) erwogene und später vom Oberlandesgericht vorgeschlagene Verständigung nach § 257c StPO kam nicht zustande: Am 29. Hauptverhandlungstag (7. Oktober 2009) stimmten Rechtsanwalt Sch. und die Vertreter der Bundesanwaltschaft zwar der Vorbereitung einer solchen zu. Nachdem Rechtsanwalt Bu. zunächst erklärt hatte, dass eine abschließende Stellungnahme wegen des zeitnahen Eingangs von weiteren Unterlagen noch nicht möglich sei, erklärte der Angeklagte am 31. Hauptverhandlungstag (4. November 2009) indes, seine Bereitschaft zu einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung setze voraus, dass das Oberlandesgericht den "Faschismus in der Türkei" nicht (weiter) unterstütze oder verteidige, die "Bedrohung mit seiner Auslieferung" gestoppt und die "Folter durch Isolationshaft" in der JVA Düsseldorf eingestellt werde.

Das Oberlandesgericht hat daraufhin die Beweisaufnahme maßgeblich auf die Auswertung der vom Bundesnachrichtendienst zur Verfügung gestellten Beweismittel (7 Bände) erstreckt und zu den Ermittlungsmaßnahmen und -ergebnissen weitere Zeugen vernommen, zahlreiche Urkunden verlesen und eine Videoaufzeichnung in Augenschein genommen (33. bis 40. Hauptverhandlungstag [26. November 2009 bis 24. Februar 2010]). Die aus Sicht des Oberlandesgerichts erforderliche Aufklärung der Beweismittelgewinnung scheiterte an der Sperrerklärung des Bundeskanzleramtes vom 6. Januar 2010 im Hinblick auf einen Fragenkatalog, der dem Bundesnachrichtendienst bereits unter dem 13. November 2009 unterbreitet worden war. Nach fernmündlicher Intervention des Vorsitzenden, ob einzelne der vom Senat formulierten Fragen gleichwohl beantwortet werden könnten, hat der Bundesnachrichtendienst unter dem 30. März 2010 mitgeteilt, weitere Informationen könnten nicht übermittelt werden, da solche Rückschlüsse auf die Art ihrer Gewinnung zulassen würden.

Um weitere tragfähige Erkenntnisse zu gewinnen, hat das Oberlandesgericht außerhalb der Hauptverhandlung wiederholt als Beweismittel in Betracht kommende Briefe (beglaubigte Kopien) und Postsendungen beschlagnahmt (Beschlüsse vom 3., 29. Juli, 23. September, 8., 14. Oktober, 24. November, 29. Dezember 2009) sowie die betreffenden Übersetzungen in der Hauptverhandlung verlesen und (teilweise) in Augenschein genommen (29., 32. und 42. Hauptverhandlungstag [7. Oktober und 12. November 2009, 25. März 2010]).

Die für den 17. und 18. Februar 2010 vorgesehenen Hauptverhandlungstermine sind am 38. Hauptverhandlungstag (13. Januar 2010) aufgehoben worden, nachdem nach Mitteilung des türkischen Justizministeriums die Vernehmung des Zeugen B. im Beisein von deutschen Verfahrensbeteiligten in Istanbul am hierfür vorgesehenen Tag (16. Februar 2010) nicht möglich war. Der Zeuge wurde jedoch am darauf folgenden Tag in Anwesenheit von Mitgliedern des Senats und anderen Verfahrensbeteiligten durch den ersuchten Richter des 14. Gerichts für schwere Straftaten vernommen. Ebenso kommissarisch vernommen worden ist am 17. Februar 2010 der Zeuge G. Aus Zeitgründen konnten weitere Fragen von Verfahrensbeteiligten im Rahmen dieser Vernehmung nicht mehr angebracht werden. Außerdem hatte der Zeuge Einzelheiten bekundet, die für die Verfahrensbeteiligten neu waren und nach Würdigung der Aussage Nachfragen auslösen. Diese Umstände boten Anlass, unter dem 31. März 2010 ein weiteres Ersuchen betreffend die (nochmalige) Vernehmung des Zeugen G. an die türkischen Behörden zu richten. Mit Schriftsatz des Verteidigers Rechtsanwalt Bu. sind am 6. Mai 2010 Fragen des Angeklagten (12 Seiten) eingegangen, die unmittelbar dem Nachtrag zum Rechtshilfeersuchen vom 31. März 2010 beigefügt worden sind.

Nach Mitteilung des türkischen Justizministeriums vom 7. Oktober 2009 hat der Senat den türkischen Behörden auf deren Ersuchen die Wahrung der Anonymität der dort ermittelten Vernehmungsbeamten zugesichert. Das türkische Justizministerium hat mit Schreiben vom 25. Januar 2010 der Deutschen Botschaft die erbetenen Aussagen der vernehmenden Polizeibeamten übersandt, die am 24. Februar 2010 beim Oberlandesgericht eingegangen sind. Kopien der Übersetzungen sind am 41. Hauptverhandlungstag (11. März 2010) an den Angeklagten, die Verteidiger und die Vertreter der Bundesanwaltschaft ausgehändigt worden.

Die am 10. und 11. Hauptverhandlungstag (11. und 12. März 2009) begonnene Vernehmung des Zeugen Ad. sollte gemäß Absprache mit seinem anwaltlichen Beistand am 45. Hauptverhandlungstag (20. Mai 2010) fortgesetzt werden. Der Termin ist wegen Erkrankung des Zeugenbeistandes kurzfristig abgesagt worden. Die zunächst ab dem 44. Hauptverhandlungstag (28. April 2010) vorgesehene Fortsetzung kam zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht, nachdem sich ein anderer Beistand angezeigt und dieser um Ablichtungen der den Zeugen Ad. betreffenden Unterlagen sowie eine angemessene Vorbereitungszeit gebeten hatte.

Angesichts der neuen Beweisergebnisse, insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen G. vor dem ersuchten Richter in Istanbul am 17. Februar 2010, hat das Oberlandesgericht die Beweisaufnahme erneut auf den Tatvorwurf erstreckt, im März 1993 von Deutschland aus einen am 1. April 1993 in Kiziltoprak/Instanbul begangenen Mord an zwei Menschen sowie einen Mordversuch an sechs Menschen angeordnet zu haben. Vor diesem Hintergrund erschien nunmehr eine weitere Sachaufklärung durch Vernehmung des Zeugen Ul. geboten, die am 44. Hauptverhandlungstag (28. April 2010) erfolgt ist. Soweit eine Vernehmung dieses Zeugen bereits für den 4. März 2009 vorgesehen war, war davon nach vorläufiger Bewertung der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse zunächst abgesehen worden.

Ferner sind außerhalb der Hauptverhandlung Ermittlungen durchgeführt worden zur Feststellung der Identität und der ladungsfähigen Anschrift des sog. "anonymen Zeugen aus Hildesheim", der polizeilich am 26. August und 1. September 1993 sowie richterlich am 26. August und 2. September 1993 vernommen worden ist und Angaben zu der terroristischen Vereinigung "Devrimci Sol" sowie zum Aufenthalt des Angeklagten in Deutschland im September/Oktober 1992 gemacht hat. Die Ermittlungen blieben ohne Erfolg.

Nach der zweiten kommissarischen Vernehmung des Zeugen G. am 23. September 2010 hat das Oberlandesgericht die Beweisaufnahme fortgesetzt und - gegen den Widerspruch der Verteidiger - am 10. Februar 2011 (68. Hauptverhandlungstag) erstmals geschlossen. Wie im Urteil des Oberlandesgerichts dargelegt (UA S. 92 f.), konnte das Verfahren nach der Entgegennahme und Erledigung zahlreicher Anträge der Verteidigung, die zu einem dreimaligen Wiedereintritt in die Beweisaufnahme geführt haben, erst nach 94 Hauptverhandlungstagen am 27. September 2011 zum Abschluss gebracht werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Ablaufes der erstinstanzlichen Hauptverhandlung nimmt der Senat auf den Inhalt der Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 7. Juli 2009, vom 19. Mai 2010 und vom 18. August 2010 sowie auf die Gründe des Urteils des Oberlandesgerichts vom 27. September 2011 Bezug. Anhaltspunkte dafür, dass die Darstellung des Verfahrensgangs durch das Oberlandesgericht nicht zutreffend wäre, haben sich nicht ergeben.

Danach hat das Oberlandesgericht mit seiner anfänglichen Terminierung dem Gebot einer dem Umfang des Verfahrens angemessenen, vorausschauenden, einen größeren Zeitraum umfassenden Verhandlungsplanung entsprochen. Dass demgegenüber in diesem Zeitraum tatsächlich nur an 19 Tagen verhandelt werden konnte, war mit Blick auf die dargelegten Besonderheiten nicht vermeidbar. Auch der weitere Verlauf der Hauptverhandlung war maßgeblich von dem überaus starken Auslandsbezug des Verfahrens und damit wesentlich von der Erledigung der an die türkischen Behörden gerichteten Rechtshilfeersuchen abhängig, deren Notwendigkeit und Umfang sich teilweise erst aus der Hauptverhandlung selbst ergeben haben. Die Verminderung der Anzahl der Sitzungstage ab August 2009 war daher zur Vermeidung einer Aussetzung der Hauptverhandlung unumgänglich. In dieser Situation hätte die Sache durch Anberaumung zusätzlicher Verhandlungstermine nicht beschleunigt werden können. Hinsichtlich der zwischen den einzelnen Sitzungstagen verstrichenen Zeiträume ist dem Verlauf der Hauptverhandlung zu entnehmen, dass diese zur Auswertung neuer Beweismittel, zur Vorbereitung der jeweils folgenden Sitzungstage bzw. der kommissarischen Vernehmungen in der Türkei sowie zur Beratung und Entscheidung über die in der Hauptverhandlung gestellten Anträge notwendig waren. Die dargestellten Besonderheiten des Verfahrens und der Hauptverhandlung, die einen erheblichen Zeitaufwand notwendig gemacht, zum Absetzen von Sitzungstagen bzw. zu deren Verkürzung geführt, die Verhandlungsfrequenz (negativ) beeinflusst und insgesamt die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens von rund zwei Jahren und acht Monaten verursacht haben, führen zu der Beurteilung, dass insoweit erhebliche vermeidbare und dem Staat zuzurechnende Verzögerungen (gleichwohl) nicht vorgekommen sind.

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen. Die - früher schon einmal aufgestellte und nunmehr wiederholte - Behauptung des Beschwerdeführers, der anfängliche Verhandlungsplan mit 54 vorgesehenen Sitzungstagen innerhalb von sechs Monaten habe schon bei seiner Aufstellung lediglich "auf dem Papier gestanden", also keinen ernsthaften sachlichen Hintergrund gehabt, wird durch das Beschwerdevorbringen (wiederum) nicht belegt. Hierfür gibt es auch sonst keine Anhaltspunkte. Vielmehr ergeben sich aus den Darlegungen des Oberlandesgerichts in seinen Haftentscheidungen zahlreiche Gründe für ein nachträgliches Abweichen vom ursprünglich geplanten Verlauf der Hauptverhandlung. Darauf hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 4. August 2009 (StB 36/09) hingewiesen, und damals in diesem Zusammenhang auch ausgeführt, dass allein sechs der ursprünglich vorgesehenen Termine entfallen sind, weil einer der Verteidiger dies beantragt hatte (vgl. auch Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 9. Juni 2009).

cc) Erhebliche vermeidbare Verzögerungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat es auch während des weiteren Verfahrens nicht gegeben (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 2 BvR 388/09, StV 2009, 479): Nachdem das schriftliche, 94 Seiten umfassende Urteil des Oberlandesgerichts am 30. November 2011 zur Geschäftsstelle gelangt und den Verteidigern des Angeklagten am 9. bzw. 12. Dezember 2011 zugestellt worden war, gingen bis zum 12. Januar 2012 umfangreiche Revisionsrechtfertigungen der beiden Verteidiger ein, die mit zahlreichen Rügen das Verfahren beanstandeten und die Verletzung des sachlichen Rechts rügten. Außerdem begründete der Angeklagte das Rechtsmittel selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle mit Beanstandungen der Verletzung des formellen und des sachlichen Rechts. Eine Rüge, das Verfahren sei rechtsstaatswidrig verzögert worden, wurde allerdings nicht erhoben. Nach Erstellung der Gegenerklärung vom 22. Februar 2012, die dem Beschwerdeführer bekannt gemacht worden war, ging die Antragsschrift des Generalbundesanwaltes (25 Seiten) am 17. April 2012 beim Bundesgerichtshof ein. Nach Ablauf der in § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO bestimmten Frist verfügte der Vorsitzende des 3. Strafsenats unter dem 11. Mai 2012 die Zuteilung an den Berichterstatter und übertrug die Sachbearbeitung zunächst einem wissenschaftlichen Mitarbeiter. Nach Vorlage von dessen Gutachten am 21. Juni 2012 wurde die Sache am 16. August 2012 im Senat beraten; dabei ergab sich die Notwendigkeit einer Hauptverhandlung (§ 349 Abs. 5 StPO), die - unter Beachtung der Besetzungsgrundsätze der internen Geschäftsverteilung des Senats - für den 29. November 2012 terminiert und an diesem Tag durchgeführt wurde. Bereits am selben Tag hat der Senat entschieden, dass das erstinstanzliche Urteil wegen eines sachlich-rechtlichen Fehlers in der Beweiswürdigung aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen wird. Die Sachakten wurden am 11. Dezember 2012 an das Oberlandesgericht versandt, das schriftliche Revisionsurteil gelangte am 18. Dezember 2012 zur Geschäftsstelle des Senats und wurde dem Oberlandesgericht am 20. Dezember 2012 per Fax übermittelt. Die Schluss- und Druckereiverfügung der Senatsgeschäftsstelle datiert vom 20. Dezember 2012 und wurde am 14. Januar 2013 abgefertigt.

dd) Eine die Fortdauer der Untersuchungshaft hindernde Verzögerung stellt auch nicht der Umstand dar, dass das Ersturteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung zurückverwiesen worden ist. Auch verfassungsrechtlich ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, die infolge der Durchführung eines Revisionsverfahrens verstrichene Zeit nicht der ermittelten Überlänge eines Verfahrens hinzuzurechnen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2005 - 2 BvR 1964/05, StV 2006, 73). Eine Ausnahme hiervon ist (nur) dann zu machen, wenn das Revisionsverfahren der Korrektur eines offensichtlich der Justiz anzulastenden Verfahrensfehlers gedient hat; dies ist vorliegend nicht der Fall (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. September 2005 - 2 BvR 1315/05, NStZ 2006, 47).

c) Zum voraussichtlichen Gang des weiteren Verfahrens bei dem Oberlandesgerichts Düsseldorf hat die Vorsitzende des dort zuständigen 6. Strafsenats - zusätzlich zu den sich bereits aus dem Beschwerdeverfahren ergebenden Verfahrenstatsachen, dass dieser Senat am 17. Januar 2013 durch den angefochtenen Beschluss über den Haftprüfungsantrag des Beschwerdeführers vom 5. Dezember 2012 entschieden hat und die neue Hauptverhandlung Ende April/Anfang Mai 2013 beginnen soll - ergänzend mitgeteilt, dass am 7. Dezember 2012 das Protokoll der Urteilsverkündung des Bundesgerichtshofes vom 29. November 2012 (3 StR 139/12) und am 11., 14., und 21. Dezember 2012 die Aktenvorgänge eingegangen seien. Das Revisionsurteil sei in Ablichtung am 20. Dezember 2012 übersandt worden. Zu der aktuellen Belastung hat sie mitgeteilt, dass der 6. Strafsenat seit dem 26. Juli 2012 in einer Besetzung von fünf Richtern nebst einer Ergänzungsrichterin aus dem eigenen Senat an zwei bis drei Wochentagen gegen El. u.a. (III-6 StS 1/12) - sog. Düsseldorfer Zelle - verhandele. Ein Ende der Beweisaufnahme sei nicht absehbar; das Verfahren werde in keinem Fall vor September 2013 beendet sein. Es handele sich um eine Haftsache mit einem Umfang von heute 287 Stehordnern; die vier Angeklagten machten von ihrem Schweigerecht umfassend Gebrauch.

Der Senat verhandele daneben seit dem 21. Januar 2013 in einer Besetzung von drei Richtern an einem weiteren Wochentag in dem Verfahren gegen Ko. (III-6 StS 2/12) wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB u.a. (PKK). Durch Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2012 sei die am 24. September 2012 eingegangene Anklage des Generalbundesanwalts (2 StE 9/12-6) unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden. Auch hierbei handele es sich um eine Haftsache mit einem Umfang von gegenwärtig 38 Stehordnern. Es sei aufgrund der weitestgehend geständigen Einlassung des Angeklagten beabsichtigt, dieses Verfahren bis Ende April 2013 abzuschließen.

Am 20. Dezember 2012 sei die Anklageschrift des Generalbundesanwalts gegen Kr. wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Abs. 1, § 129a Abs. 1 StGB u.a. (Islamische Bewegung Usbekistans) eingegangen. Es handele sich um eine Haftsache. Die sich insoweit ergebende Überlastung des 6. Strafsenats habe sie dem Präsidium am 7. Januar 2013 schriftlich angezeigt.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2013 habe das Präsidium das Verfahren gegen Kr. dem 5. Strafsenat (Vertretersenat) übertragen.

Neben den laufenden Hauptverhandlungen an mindestens drei Wochentagen sei der Senat in der Strafsache gegen Er. aufgrund des verfahrensentscheidenden Auslandsbezuges bereits seit etwa drei bis vier Wochen mit der Vorbereitung umfangreicher Rechtshilfeersuchen sowie der Aufarbeitung der Verfahrensakten mit einem Umfang von gegenwärtig 134 Stehordnern befasst. Allein die Vorbereitung der Hauptverhandlung bedinge einen Zeitraum von mehreren Wochen, so dass der Senat sich auch aus diesem Grund außer Stande sehe, zu einem früheren Zeitpunkt als vor Ende April/Anfang Mai 2013 mit der Hauptverhandlung zu beginnen. Das Verfahren werde - wie das dem aufgehobenen Urteil zugrundeliegende - in einer Besetzung von fünf Richtern nebst einem Ergänzungsrichter zu verhandeln sein.

Danach kann die neue Hauptverhandlung nach dem derzeitigen Sachstand aus sachlichen Gründen (Vorbereitung des Verfahrens, gleichzeitige Durchführung anderer, teils schon vor Eingang des gegenständlichen Verfahrens begonnener Hauptverhandlungen) nicht früher beginnen. Vermeidbare Verzögerungen lässt dies entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht erkennen. Nachdem der früher sehr umfangreiche Verfahrensstoff auf den Vorwurf der Beteiligung des Angeklagten an dem Mordanschlag vom 1. April 1993 beschränkt ist, geht der Senat davon aus, dass die neue Hauptverhandlung deutlich kürzer sein wird als die erste.

Nach alledem ist die Fortdauer der Untersuchungshaft angesichts der Bedeutung der Sache und der konkreten Erwartung einer lebenslangen Freiheitsstrafe immer noch verhältnismäßig (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 466

Bearbeiter: Christian Becker