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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 399

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 434/13, Beschluss v. 21.01.2014, HRRS 2014 Nr. 399


BGH 2 StR 434/13 - Beschluss vom 21. Januar 2014 (LG Frankfurt a. M.)

Minder schwerer Fall der gefährlichen Körperverletzung (Bedeutung von auf eingeschränkter Schuldfähigkeit beruhender strafschärfende Umstände); Adhäsionsverfahren (Anerkenntnis durch den Angeklagten: Form der Adhäsionsentscheidung).

§ 224 Abs. 1 StGB; § 21 StGB; § 406 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die ansonsten strafschärfend zu berücksichtigende "Tatausführung" kann Ausdruck der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit sein; dem Angeklagten dürfen aber solche Umstände nicht strafschärfend angelastet werden, die unverschuldete Folgen dieses Zustands darstellen. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Verwertung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (vgl. BGH StV 2005, 495 mwN).

2. § 406 Abs. 2 StPO schreibt als insoweit speziellere Regelung zu § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht vor, einen Adhäsionsantrag selbst im Falle eines Teilanerkenntnisses im Strafurteil zu bescheiden. Dafür gibt es im Gegensatz zu sonstigen Urteilen im Adhäsionsverfahren auch keinen Anlass. Die strafrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes ist bei einem (Teil-) Anerkenntnis des Adhäsionsanspruchs - als Ausdruck der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime - regelmäßig ohne Bedeutung.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. April 2013 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Nebenklägerin N. M. wird für die Revisionsinstanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt aus beigeordnet. Der weitergehende Antrag der Nebenklägerin, ihr für das Adhäsionsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. a) Der Strafausspruch kann hingegen nicht bestehen bleiben.

Das Landgericht hat die verhängte Strafe von zwei Jahren und neun Monaten aus dem gemäß §§ 21, 46a, 49 Abs. 1 StGB doppelt gemilderten Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB (ein Monat bis fünf Jahre sieben Monate Freiheitsstrafe) entnommen, ohne - vorrangig (vgl. Senat, Beschluss vom 19. November 2013 - 2 StR 494/13 mwN) - zu prüfen, ob das Hinzutreten bereits eines der "vertypten" Milderungsgründe zu den allgemeinen Milderungsgründen für die Annahme eines minder schweren Falles ausgereicht hätte. Bei einer weiteren Milderung des Strafrahmens des § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB hätte der Strafrahmen einen Monat bis drei Jahre neun Monate Freiheitsstrafe betragen. Der Senat kann mit Blick auf die im unteren Bereich des vom Landgericht gewählten Strafrahmens liegende Strafe nicht ausschließen, dass die Freiheitsstrafe bei einer deutlich niedrigeren Strafrahmenobergrenze geringer ausgefallen wäre.

b) Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, dass die bislang strafschärfend berücksichtigte "Tatausführung" Ausdruck der erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit sein kann; dem Angeklagten dürfen aber solche Umstände nicht strafschärfend angelastet werden, die unverschuldete Folgen dieses Zustands darstellen. Allerdings ist auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so dass für eine strafschärfende Verwertung durchaus Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (vgl. Senat, Beschluss vom 3. November 2004 - 2 StR 295/04, StV 2005, 495 mwN).

3. a) Der Senat hat der Nebenklägerin auf ihren Antrag vom 8. August 2013 für die Revisionsinstanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwalt beigeordnet, da die Voraussetzungen gemäß § 397a Abs. 2 StPO vorliegen. Eine für das Revisionsverfahren fortwirkende Bestellung als Beistand durch das Landgericht gemäß § 397a Abs. 1 StPO ist nicht erfolgt. Die Strafkammer hat der Nebenklägerin mit Beschluss vom 11. April 2013 lediglich Prozesskostenhilfe - offensichtlich gemäß § 397a Abs. 2 StPO - bewilligt und ihr Rechtsanwalt beigeordnet. Für jeden Rechtszug ist Prozesskostenhilfe indes gesondert zu gewähren (§ 397a Abs. 1 Satz 1 StPO iVm § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

b) Der weitergehende Antrag der Nebenklägerin, ihr auch für das Adhäsionsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt zu bewilligen, ist hingegen abzulehnen. Die Entscheidung(en) über den Adhäsionsantrag hat der Angeklagte nicht angefochten; demgemäß hat der Senat darüber nicht zu befinden.

aa) Allerdings hat das Landgericht seine Entscheidung über den Adhäsionsantrag der Nebenklägerin nicht in die Urteilsformel aufgenommen. Es hat in der Hauptverhandlung am 18. April 2013 zum einen (isoliert) ein Teilanerkenntnisurteil mit dem Inhalt erlassen, "dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Nebenklägerin alle weiteren infolge des Angriffs am 02.09.2012 künftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind". Im Übrigen hat die Strafkammer einen (Teil-)Vergleich zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin über eine Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 12.000 € nebst Zinsen protokolliert und die Kosten des Adhäsionsverfahrens dem Angeklagten auferlegt.

bb) Durch den in der Hauptverhandlung vom 18. April 2013 protokollierten (Teil-)Vergleich (§ 405 Abs. 1 Satz 1 StPO) ist der Adhäsionsantrag mit Ausnahme der im Wege des Teilanerkenntnisurteils festgestellten Ersatzpflicht des Angeklagten hinsichtlich der künftigen immateriellen und materiellen Schäden gegenstandslos geworden und seine Rechtshängigkeit insoweit beendet (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2013 - 4 StR 522/12 mwN; Meier/Dürre, JZ 2006, 18, 24).

cc) Soweit das Landgericht zudem in der Hauptverhandlung isoliert ein Teilanerkenntnisurteil erlassen hat, wird (auch) dieses vom Angeklagten nicht angefochten (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 4 StR 532/13).

Die vom Landgericht gewählte Verfahrensweise, die Adhäsionsentscheidung nicht im Strafurteil (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO) sondern in einem gesonderten Teilanerkenntnisurteil auszusprechen, begegnet jedenfalls hier auch keinen Bedenken.

§ 406 Abs. 2 StPO schreibt als insoweit speziellere Regelung zu § 406 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht vor, einen Adhäsionsantrag selbst im Falle eines Teilanerkenntnisses im Strafurteil zu bescheiden. Dafür gibt es im Gegensatz zu sonstigen Urteilen im Adhäsionsverfahren auch keinen Anlass. Denn eine Prüfung der Sach- und Rechtslage, die regelmäßig mit der strafrechtlichen Verurteilung einhergeht, ist aufgrund eines Anerkenntnisses gerade nicht notwendig; wird der zivilrechtliche Anspruch anerkannt, bedarf es grundsätzlich auch keiner Begründung der Entscheidung (vgl. § 313b Abs. 1 ZPO). Die strafrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes ist daher bei einem (Teil-)Anerkenntnis des Adhäsionsanspruchs - als Ausdruck der im Zivilprozess geltenden Dispositionsmaxime (vgl. auch Hilger in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 406 Rdn. 30; Zabeck in: KK-StPO, 7. Aufl., § 406 Rdn. 4) - regelmäßig ohne Bedeutung (vgl. AG Berlin-Tiergarten, Urteil vom 23. März 2011 - (281 Ds) 34 Js 5355/10 (222/10), NStZ-RR 2011, 383; Ferber in: Graf, StPO, 2. Aufl., § 406 Rdn. 1; Klein, Das Adhäsionsverfahren nach der Neuregelung durch das Opferrechtsreformgesetz, 2007, S. 251; Weiner/Ferber, Handbuch des Adhäsionsverfahrens, 2008, Rdn. 167; aA etwa Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 406 Rdn. 4; Meier/ Dürre, JZ 2006, 18, 23; Neuhaus, StV 2004, 620, 626, jeweils mwN; unklar: Zander, Das Adhäsionsverfahren im neuen Gewand, 2011, S. 156 f.).

Ob ein - isoliertes - (Teil-)Anerkenntnisurteil auch dann ergehen kann oder muss, wenn der Angeklagte weder schuldig gesprochen noch gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist (vgl. § 406a Abs. 3 Satz 1 StPO), oder das Gericht ggfls. von einer Entscheidung durch Anerkenntnisurteil abzusehen hat (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden (vgl. dazu Klein, aaO; Weiner/Ferber, aaO; Zander, aaO, S. 157 einerseits; Hilger in: Löwe/Rosenberg, aaO, Rdn. 33, Merz in: Radtke/Hohmann, StPO, § 406 Rdn. 7; Meyer-Goßner, aaO andererseits). Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Gefahr widersprüchlicher zivil- und strafrechtlicher Entscheidungen nicht besteht, bedarf es keiner einschränkenden Auslegung des § 406 Abs. 2 StPO, so dass insoweit auch ein isoliertes (Teil-)Anerkenntnisurteil ergehen kann (vgl. im Ergebnis auch BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014 - 4 StR 532/13).

Der Angeklagte hat die mit dem Teilanerkenntnis ausgesprochene Entscheidung, die aufgrund seines ausdrücklichen Anerkenntnisses ergangen ist, nicht angefochten, sondern allein das Strafurteil angegriffen (zur Zulässigkeit: vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 406a Rdn. 5). Damit ist das Adhäsionsverfahren insgesamt nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, so dass der weitergehende Antrag der Nebenklägerin auf Prozesskostenhilfe abzulehnen gewesen ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 399

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel