hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 677

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 6/12, Beschluss v. 18.04.2012, HRRS 2012 Nr. 677


BGH 2 StR 6/12 - Beschluss vom 18. April 2012 (LG Frankfurt am Main)

Beendigung des Diebstahls und der Hehlerei; Voraussetzungen der Mittäterschaft beim Betrug (endgültiger Vermögensschaden).

§ 242 StGB; § 78a StGB; § 259 StGB; § 25 Abs. 2 StGB; § 27 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ist die Tatbeute bereits aus dem räumlichen Bereich des Entwendungsorts entfernt und waren Rückholaktivitäten des Eigentümers nicht mehr zu erwarten, ist ein Diebstahl beendet. Bei der Mitwirkung in der Nachtatphase kommt aber eine Hehlerei etwa in Form der Absatzhilfe (§ 259 Abs. 1 4. Var. StGB) in Betracht.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt Mittäterschaft vor, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Verhalten fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun nicht bloß fördern will, sondern sein Beitrag im Sinne gleichgeordneten arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen. Ob dies der Fall ist, ist in wertender Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände, insbesondere des eigenen Interesses am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung und der Tatherrschaft bzw. dem Willen dazu (st. Rspr.) zu beurteilen.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. August 2011 in den Fällen II. 22 und 26 mit den zugehörigen Feststellungen sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht Frankfurt am Main hat den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen (Fälle II. 21-23) sowie versuchten Betrugs (Fall II. 26) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist das Rechtsmittel offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 22 wegen Diebstahls verurteilt hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen bestand der Tatbeitrag des Angeklagten darin, dem gutgläubigen Spediteur auf Weisung des unbekannten Mittäters "Sa." bei Übergabe des Radladers am vereinbarten Treffpunkt in V. gefälschte Papiere auszuhändigen und den Frachtbrief auszufüllen, nachdem der zugehörige Radlader bereits in der vorangegangenen Nacht von unbekannten Tätern in W. gestohlen worden war. Der Diebstahl war zum Zeitpunkt der Tathandlung des Angeklagten bereits beendet, da der Radlader aus dem räumlichen Bereich des Entwendungsorts entfernt worden war und Rückholaktivitäten des Eigentümers nicht mehr zu erwarten waren (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 242 Rn. 54). Insoweit scheidet eine Strafbarkeit wegen einer Diebstahlstat des Angeklagten aus; die Beteiligung des Angeklagten könnte daher lediglich als Hehlerei in der Form der Absatzhilfe (§ 259 Abs. 1 4. Var. StGB) zu werten sein. Da der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts aber nicht abschließend prüfen kann, ob sämtliche Voraussetzungen der Hehlerei, insbesondere die subjektive Tatseite, vorliegen, sieht sich der Senat an einer Schuldspruchänderung gehindert. Dies führt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 22, wobei der neue Tatrichter auch zu prüfen haben wird, ob abweichend von den bisherigen Feststellungen eine Beteiligung des Angeklagten an der Vortat vorliegt.

2. Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betrugs im Fall II. 26 begegnet rechtlichen Bedenken. Insoweit bestand der Tatbeitrag des Angeklagten darin, die von dem Mitangeklagten M. in betrügerischer Absicht angemieteten Baumaschinen zum Zwecke der Verschiebung in den Balkan zu verladen. Die Betrugstat war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht beendet, da ein endgültiger Vermögensschaden noch nicht eingetreten war (vgl. Fischer, aaO, § 263 Rn. 201), so dass das Landgericht das Handeln des Angeklagten - insoweit zutreffend - als Beteiligung an der Betrugstat gewertet hat.

Die (bisherigen) Feststellungen tragen jedoch nicht die Verurteilung wegen mittäterschaftlicher Beteiligung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt Mittäterschaft vor, wenn ein Tatbeteiligter mit seinem Verhalten fremdes tatbestandsverwirklichendes Tun nicht bloß fördern will, sondern sein Beitrag im Sinne gleichgeordneten arbeitsteiligen Vorgehens Teil einer gemeinschaftlichen Tätigkeit sein soll. Dabei muss der Beteiligte seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen.

Ob dies der Fall ist, ist in wertender Betrachtung aller von der Vorstellung der Beteiligten umfassten Umstände, insbesondere des eigenen Interesses am Taterfolg, dem Umfang der Tatbeteiligung und der Tatherrschaft bzw. dem Willen dazu (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2012 - 3 StR 446/11) zu beurteilen.

Das Landgericht, das eine ausdrückliche Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht vorgenommen hat, hat weder einen gemeinsamen Willensentschluss noch eine Tatausführung im gegenseitigen Einverständnis zwischen dem Angeklagten und dem Mitangeklagten M. festgestellt. Soweit es der Verurteilung des Angeklagten als Beteiligungshandlung allein das Verladen der Baumaschinen und damit lediglich einen untergeordneten Tatbeitrag zugrunde gelegt hat, spricht auch dies gegen eine mittäterschaftliche Beteiligung des Angeklagten und für eine Einordnung der Tat lediglich als Beihilfe.

Doch kann der Senat letztlich nicht ausschließen, dass weitergehende Feststellungen zur Begründung täterschaftlichen Handelns getroffen werden können.

Aus diesem Grund sieht der Senat von einer Schuldspruchänderung ab und hebt auch die Verurteilung im Fall II. 26 insgesamt auf.

3. Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten in den Fällen II. 22 und 26 zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

HRRS-Nummer: HRRS 2012 Nr. 677

Bearbeiter: Karsten Gaede