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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 60

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 410/12, Beschluss v. 06.11.2012, HRRS 2013 Nr. 60


BGH 2 StR 410/12 - Beschluss vom 6. November 2012 (LG Koblenz)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (für die Eigennützigkeit erforderliche Feststellungen).

§ 29 BtMG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eigennützig handelt der Täter, dem es auf einen persönlichen Vorteil, insbesondere auf die Erzielung von Gewinn ankommt. Sein Handeln muss vom Streben nach Gewinn geleitet sein oder er muss sich sonst irgendeinen persönlichen Vorteil von ihm versprechen, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird (st. Rspr.).

2. Zwar kann grundsätzlich ein relevanter Vorteil darin liegen, durch Hingabe von Betäubungsmitteln im Rahmen einer bestimmten wertmäßigen Anrechnung von einer bestehenden Geldverbindlichkeit befreit zu werden, doch ist auch insoweit die Feststellung einer Gewinnerzielungsabsicht erforderlich. Wer Rauschgift einkauft, um es ohne Gewinn zum gleichen Preis weiterzugeben, handelt nicht eigennützig (vgl. BGH StV 1992, 420). Gleiches muss gelten, wenn der Verrechnung auf bestehende Schulden lediglich der Einkaufspreis der erworbenen Betäubungsmittel zugrunde gelegt wird.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 23. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg.

1. Der Schuldspruch wird nicht von den Feststellungen getragen. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die bei dem Angeklagten aufgefundenen 12 Gramm Heroin zum Teil für den Eigenkonsum und zu einem weiteren Teil für die Weitergabe an eine dritte Person bestimmt waren, womit der Angeklagte Geldschulden begleichen wollte (UA S. 14). Dies belegt auch hinsichtlich des nicht für den Eigenkonsum gedachten Rauschgifts nicht den Vorwurf des Handeltreibens. Das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte insoweit aus Eigennutz gehandelt hat. Eigennützig handelt der Täter, dem es auf einen persönlichen Vorteil, insbesondere auf die Erzielung von Gewinn ankommt. Sein Handeln muss vom Streben nach Gewinn geleitet sein oder er muss sich sonst irgendeinen persönlichen Vorteil von ihm versprechen, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird (st. Rspr.; vgl. nur Weber, BtMG, 3. Aufl., § 29 Rn. 290 mwN). Derartige Feststellungen lässt das angefochtene Urteil vermissen. Zwar kann grundsätzlich ein relevanter Vorteil darin liegen, durch Hingabe von Betäubungsmitteln im Rahmen einer bestimmten wertmäßigen Anrechnung von einer bestehenden Geldverbindlichkeit befreit zu werden, doch ist auch insoweit die Feststellung einer Gewinnerzielungsabsicht erforderlich. Wer Rauschgift einkauft, um es ohne Gewinn zum gleichen Preis weiterzugeben, handelt nicht eigennützig (vgl. BGH StV 1992, 420). Gleiches muss gelten, wenn der Verrechnung auf bestehende Schulden lediglich der Einkaufspreis der erworbenen Betäubungsmittel zugrunde gelegt wird.

2. Der Senat hebt die Sache insgesamt auf und verweist zurück, obwohl auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen eine Verurteilung wegen bewaffneten Sichverschaffens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nahe liegt. So erhält der neue Tatrichter Gelegenheit, auch im Hinblick auf die Mengen von Betäubungsmitteln, die zum Eigenkonsum bzw. zur Weitergabe bestimmt waren, klare und eindeutige Feststellungen zum Tatgeschehen zu treffen.

3. Der Senat weist für die neue Verhandlung darauf hin, dass sich der neue Tatrichter eingehender als bisher mit der Frage auseinander zusetzen hat, ob vorliegend womöglich die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben sind. Die (knappe) Bezugnahme auf nicht näher mitgeteilte Ausführungen des Sachverständigen genügt angesichts der festgestellten Politoxikomanie insoweit nicht, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige selbst die Steuerungsfähigkeit als "tangiert" angesehen hat (UA S. 17). Bei einer solchen Fallgestaltung ist es erforderlich, dass der Tatrichter die tragenden Erwägungen des Sachverständigen mitteilt und unter Berücksichtigung der gutachterlichen Erwägungen die ihm obliegende Einschätzung einer Anwendung des § 21 StGB darlegt.

Hinsichtlich der möglichen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wird sich der neue Tatrichter unter Berücksichtigung der vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend dargelegten Rechtslage insbesondere mit der Frage der voraussichtlichen Therapiedauer zu befassen haben.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 60

Externe Fundstellen: StV 2013, 701

Bearbeiter: Karsten Gaede